Elena Rauch hat das Fahrrad entdeckt.

Es gibt nichts, was so viel Harmonie ausstrahlt, wie der Anblick eines gemeinschaftlich radelnden Paares. Und dann gibt es solche, bei denen es ein gewisses Ungleichgewicht im Fitnessstatus gibt. Bei Anstiegen führt das dazu, dass der eine Teil sich wie beim Training für ein Steherrennen fühlt, während sich der andere mit hochrotem Kopf verzweifelt fragt, wozu Carl Benz das Automobil erfunden hat. Noch schlimmer ist es, wenn er es nicht aushält und „schon mal vorfährt“. Dann nähert man sich im Schleichgang einem Punkt am Horizont um dann kurz vor dem Kreislaufkollaps Sätze zu hören wie: Super geschafft! Ganz, ganz toll!! Er meint es ja gut. Angeblich wird man mit dem Glückshormon Dopamin überschwemmt, wenn man gelobt wird. Es muss aber das richtige sein. Psychologen raten zum Motivationslob, es kann auch ein sog. Vergleichslob sein. Ein überzogenes Lob dagegen führt genau zum Gegenteil. Weil mein Mann ein mieser Psychologe ist, hatte ich irgendwann beschlossen, gemeinsame Radtouren aus meinem Leben zu streichen. Aber jetzt ist alles anders. Seit einigen Wochen bin ich Besitzerin eines neuen Fahrrads.

So viel freie Natur wie in diesem Frühjahr habe ich seit Jahren nicht gesehen. Na gut, das Rad hat einen klitzekleinen Elektromotor. Aber ich schwöre, ich schalte ihn nur im Notfall an. Es reicht schon zu wissen, dass ich es jederzeit könnte. Das nenne ich kluge Psychologie. Einen Corona-bedingten Sommerurlaub in Thüringen vor Augen, begann ich die kühnsten Alternativpläne zu schmieden. Kein stundenlanger Stillstand im Stau. Kein Umherirren durch mediterrane Gassen, weil man das geparkte Auto nicht wiederfindet. Statt dessen freie Fahrt über die allerlieblichsten Thüringen Hügel. Wer braucht Pasta con le sarde, wenn man einen Mutzenbraten haben kann?! Warum um den letzten freien Tisch auf der Piazza bei 40 Grad im Schatten kämpfen, wenn man sich zur Rast auf das kühle Moos des Thüringer Waldes betten kann? Das wird eine völlig neue Erfahrung, ein Abenteuer. Aber neuerdings denken sie über Grenzöffnungen und Reisekorridore nach. Wir müssen jetzt sehr standhaft sein.