Elena Rauch über einen schmalen Grat.

Bekanntlich steckt der moderne Mann in der Krise seiner Selbstinszenierung. Soll er seine Schwächen gestehen oder uns souverän durch die Stürme des Lebens manövrieren? Angeblich sind wir Frauen schuld, weil wir selbst nicht wissen, was wir wollen. Aber sie machen es uns auch nicht leicht.

Kürzlich zum Beispiel manövrierte er uns mit einem sog. Hausboot über einen Kanal. Es herrschte zwar kein Sturm, dafür mussten die Liegeplätze im Hafen relativ zielgenau getroffen werden. Du musst, rief ich von Deck steuerbord in die Kabine, nach links! Das sehe ich selber, rief er zurück, während das Boot dabei war, sich rechts um sich selbst zu drehen. Nach liinks!, brüllte ich. Er wisse, wo links ist, brüllte er zurück und tat erst mal, was ein Mann tun muss: Er rammte das gegnerische Boot neben uns.

Inzwischen trafen zwei junge Hafenmitarbeiter ein und beteiligten sich mit expressiven Gesten am Einparkmanöver, mehrere Passanten blieben interessiert stehen. Die Situation spitzte sich zu.

Das ist so ein Moment, an dem eine Frau genau abwägen muss, was sie tut. Zeigt sie zu viel Mitgefühl, kränkt das seine Ehre als Kerl. Gibt sie kritische Hinweise, ist sie gefühllos und macht alles nur schlimmer. Es ist ein schmaler Grat, zumal wenn sie weiß, dass er als Jugendlicher davon träumte, zur See zu fahren. Ich entschied mich für ein motivierendes: Das sieht schon ganz gut aus! Hier sehe nichts gut aus, rief er in den Motorlärm hinein und drehte verbissen am Steuerrad.

Mittlerweile hatte Regen eingesetzt, ich lief selbstlos auf dem Deck herum, übernahm die Kommunikation mit den Lotsen und warf ihnen die Seile zu. Irgendwie schafften sie es, uns an Land zu ziehen und anzubinden.

Mit finsterem Blick schaltete er den Motor aus. Tropfnass kletterte ich in die Kabine. So ein Boot ist kein Auto, tröstete ich. Sag jetzt nichts, brummte er zurück, hüllte sich in düsteres Schweigen. Männer wissen gar nicht, wie schwer sie es uns mit ihrer Selbstinszenierungskrise machen.