Elena Rauch über eine alte Freundin.

In London kam es unlängst zu einem mittelschweren Beben in der Gourmetszene. Ein Sternekoch hatte Brühwürfel in das Curry gemischt. Als es raus kam, war er geliefert. Wie soll man das bitte einer berufstätigen Frau erklären? Wenn sie am Abend die Küche betritt, die Leerstellen im Kühlschrank inspiziert, greift sie zum letzten Mittel der Wahl: zur Tütensuppe.

Erfunden wurde sie vom Schweizer Julius Maggi, von ihm kommt auch der Brühwürfel. Sie und Tütensuppen sind die Retter aus der Not. Die ultimative Lösung abendlicher Versorgungsprobleme.

Jahrzehnte war die Tütensuppe meine beste Freundin. Wenn Mutti früh zur Arbeit geht, kann sie am Abend nicht noch Kartoffeln schälen. Tüte auf, Pulver ins Wasser, umrühren, aufkochen, fertig. Das nenne ich ein wahres Schöpfungswunder.

Wer fragt, wie ein Liter gesunde Kartoffelsuppe in eine Tüte passen soll, ist nicht ausgelastet.

Aber das war einmal. Der Nachwuchs übt Druck aus. Er rollt schon mit den Augen, wenn man in der Küche zur Plastikfolie greift.

Was die Tütensuppe betrifft, hat er den Generationenvertrag aufgekündigt. Chiasamen, die Macht von Aprikosenkernen, Erbsprotein statt Wiener Würstchen: Ich bekomme eine Ahnung, was mit lebenslangem Lernen gemeint ist. Reformgeschäft und Küche sind meine neuen Lernorte.

Aber eine kluge Frau lässt eine alte Freundin nicht einfach fallen. Sie bewahrt in einem geheimen Winkel stets eine Notreserve köstlicher, vakuumbehandelter und gefriergetrockneter Suppe auf.

Irgendwann, wenn im Haus kein Krümelchen Seidentofu, kein Körnchen Quinoa aufzufinden ist, schlägt ihre Stunde.