Ingo Glase über englische Gerichte.

Spanische Paella, russische Soljanka, Wiener Schnitzel oder ungarisches Gulasch – während viele nationale Gerichte die weltweite Speisekarte ergänzen, ist das in der englischen Küche genau umgekehrt: Aromen und Rezepte aus aller Welt haben die traditionellen Gerichte verändert, böse Zungen würden sagen, erst genießbar gemacht.

Das schmeckt man schon beim Frühstück: schwarzer Reis und Kokos verwandeln den pappigen englischen Porridge – also Haferbrei – in einen exotischen Muntermacher. Statt der gebackenen Bohnen mit Wurst und Ei servieren gesundheitsbewusste Hausfrauen mittlerweile auch in karamellisiertem Honig geschwenkte Grapefruit-Scheiben zu Kardamom-Ingwer-Joghurt. Dass die Küche mittlerweile meilenweit von der sprichwörtlichen britischen Langeweile entfernt ist, beweist das Kochbuch „Made in London“ mit einem unterhaltsamen Streifzug durch die Restaurants, Kneipen, Cafés und Pubs der Stadt.

Amüsante Anekdoten, Geschichten und Illustrationen sowie Dutzende Rezepte widerlegen das Argument von der angeblich schlechtesten Küche der Welt – mittlerweile soll es in London auch die besten indischen Restaurants der Welt geben. Ob Frühstück, Dinner, Fünf-Uhr-Tee oder Mitternachtshappen – für jede Zeit des Tages gibt es die passenden Rezeptvorschläge. Die internationalen Einflüsse sind dabei unverkennbar.

Nur den Gin, den haben sich die Engländer aller Konkurrenz zum Trotz nicht nehmen lassen, aber auch der Klassiker ist nicht mehr so steif und langweilig wie ursprünglich. Unter den acht Millionen Bäumen in den 3000 Londoner Parks sind viele Buchen – also werden junge Buchenblätter in einem sterilisierten Glas mit Gin übergossen und verleihen ihm einen frischen Geschmack. Dafür eignet sich nahezu jeder Gin, während frische Gurke nur in Hendrick’s schwimmen darf. Und natürlich wird neben dem Rezept von James Bond (Glas mit etwas trockenem Martini ausspülen und mit Gin befüllen, solange man es noch kann) auch der Lieblingsdrink von Queen Mum verraten, aus Dubonnet, Gin und viel Zitronensaft.

Wer den Gin-Geschmack mag, nach dessen Genuss aber noch den Haushalt regieren muss, kann sich mit Gin-Zitronen-Sandkuchen trösten: fein zerstoßene Wacholder, viel abgeriebene Zitronenschale und zwei Esslöffel Gin verleihen dem Gebäck seinen Geschmack. Der Teig wird übrigens gerührt – und nicht geschüttelt …

„Made in London“, Südwest Verlag,

304 Seiten, 25 Euro