Weimar. Der Architekt Walther Grunwald moniert den Umbau der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar.

Hinter den verschlossenen Türen der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek zu Weimar ist zurzeit ein gravierender Umbau im Gange. Die Klassik-Stiftung will den Eingangsbereich zum historischen Bücher-Tempel umgestalten, um des Besucheransturmes besser Herr zu werden.

Dagegen wird nun emphatischer Widerstand laut: Ausgerechnet Walther Grunwald, dem als Architekt die Rekonstruktion des Dichter-Elysiums nach dem verheerenden Brand anno 2004 zu danken ist, bezeichnet die aktuellen Pläne als "Frevel". Den Stein des Anstoßes bildet ein Behindertenaufzug.

"Alle Eingriffe müssen ein Minimum bleiben", warnt Grunwald und fürchtet: "Da werden die Weichen der Unachtsamkeit gestellt. So ein Raum muss unantastbar sein." Damit meint der inzwischen 82-Jährige, der als Architekt und Denkmalschützer höchste Meriten genießt, nicht nur den berühmten Rokokosaal, sondern ebenso das Erdgeschoss des ehemaligen Grünen Schlosses (1562/65), das in der Goethezeit 1761/66 zum Bücherhort und damit zum geistigen Zentrum der Deutschen Klassik avancierte.

Seit der Feuerkatastrophe 2004 aber trägt dieses Gebäude einen geradezu sakralen Nimbus: Für viele Kulturmenschen ist es die kostbarste Welterbestätte Europas. Bei der Klassik-Stiftung betrachtet man das pragmatischer und will die Vermarktung des Juwels neu organisieren. Bis zum Brand war die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek kaum bekannt und hatte pro Jahr rund 13.000 Besucher.

Längst hat sich deren Zahl auf 85.000 versechsfacht; der Zugang ist kontingentiert. Im Foyer drängelt sich üblicherweise das Volk und darf, bis zum Erwerb eines Tickets, den Renaissancesaal im Erdgeschoss gebührenfrei anschauen. Auch das soll sich nun ändern.

Susanne Dieckmann, Vize-Direktorin Schlösser, Gärten und Bauten der Klassik-Stiftung, erklärt beim Ortstermin, dass man diesen Saal für prominente Sonderschauen nutzen wolle. Noch dieses Jahr sollen dort zum Beispiel wertvolle Cranach-Exponate zu sehen sein. Folglich müsse man den Saal wegen der Sicherheit und des Raumklimas vom Foyer abtrennen.

Dieses wird grundlegend umgebaut. Vor allem wird der Behindertenaufzug von einem rückwärtigen Büroraum direkt ins Foyer verlegt. Dort hat man deshalb teilweise den Fußboden aufgegraben und auf einem Fünftel der Fläche - etwa 30 Quadratmetern - um 65 Zentimeter abgesenkt. Dafür wurde der Fußbodenbelag aus grün glasierten Ziegelfliesen teilweise zerstört.

Neben dem Aufzug für Gehbehinderte gibt es künftig eine vierstufige Treppe für die übrigen Besucher. In den Augen Grunwalds partout unakzeptabel: Er beklagt, dass die Anmutung des Raumes völlig zerstört wird.

Im Foyer klaffen zwei Ebenen, so dass jeder Besucher das Haus durch den linken Seiteneingang betritt und zuerst die 65 Zentimeter Absatz aufsteigen muss, um am Ticketschalter den Zutritt ins Bücher-Elysium gewährt zu erhalten. Auch an den grünen Fliesen, die nun teilweise entsorgt wurden, hängt Grunwalds Herzblut.

Er hat sie in der Zeit bis zur Wiedereröffnung 2007 aufwändig rekonstruieren lassen, nachdem bei der Sanierung Reste der ganz ursprünglichen Fußbodenfassung im Vorraum aufgetaucht waren. Zwei ebensolche Fliesen hätten sich dort unter einer Halbsäule gefunden - und außerdem ähnliche im Rokokosaal.Daher bezog das ehemalige Grüne Schloss seinen Namen: Die Fliesen symbolisierten eine Grasfläche und sollten im 16. Jahrhundert den Übergang zum heute gepflasterten Platz der Demokratie - damals ein Renaissancegarten - vermitteln.

Grunwald fordert die Klassik-Stiftung energisch auf, ihre Planungen zu überarbeiten. "Ich will, dass dieser Aufschrei gehört wird", sagte der Berliner dieser Zeitung am Telefon. Vor Wochen schon hat er Vorschläge gemacht. So könne der Aufzug an alter Stelle verbleiben, zumal der Büroraum künftig für Garderoben genutzt werde.

Diesen Donnerstag hat Grunwald nun endlich ein Videotelefonat mit Klassik-Präsidentin Ulrike Lorenz. Die Arbeiten in der Anna-Amalia-Bibliothek ruhen bis März.