Henryk Goldberg betrachtet seinen Heimatbasar

Es gab keine gute Lösung mehr. Es gab nicht einmal eine mehr oder weniger schlechte Lösung. Es ging nur noch schlecht, so oder so.

Der Erfurter Stadtrat konnte und wollte, mit Ausnahme der OB-Partei, einen Deal zwischen dem Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) und dem Generalintendanten Guy Montavon nicht zustimmen. Denn die Intention beider bestand darin, das Thema möglichst schnell aus der Welt zu schaffen. Der Intendant wollte seinen Namen „gesichtswahrend“ aus den Schlagzeilen, der Oberbürgermeister das Thema aus den Köpfen der Leute haben, die ihn im Mai erneut wählen sollen. Dafür hätte Montavon seinen Vertrag 2026, ein Jahr früher, auslaufen lassen, im Gegenzug die Stadt das Thema begraben sollen. Früher gehen gegen Klappe halten. So geht’s zu auf dem Basar. Und nun fliegt den Teppichhändlern ihr Deal um die Ohren.

Kolumnist Henryk Goldberg sinniert über die Erfurter Theateraffäre.
Kolumnist Henryk Goldberg sinniert über die Erfurter Theateraffäre.

Gleichzeitig bedeutet die Entscheidung des Stadtrates, die die einzig vertretbare war, die Eröffnung anhaltender Feindseligkeiten mit ungeklärten Folgen. Das kann viel Geld kosten, denn soweit bisher bekannt, ist der immer noch verschlossene Bericht zwar moralisch eindeutig, aber arbeitsrechtlich keineswegs. Und da Montavons Ruf nun in der Theaterwelt endgültig verbrannt ist, wird er wohl hier das Feuer eröffnen.

In diesem Konflikt kann sich der Beobachter keiner Partei zuneigen. Der Intendant hat geleitet mit der Attitüde des barocken Alleinherrschers, der Vertrag gibt das her. Sätze wie „Geiler Arsch, geile Titten, aber singen kannst du nicht“ unterliegen nicht nur der Bewertung durch das Arbeitsrecht. Die Stadt wiederum hat mit ihrer herrschaftlichen Informationspolitik durch den vielleicht arbeitsrechtlich gedeckten, aber dummen Rauswurf der Gleichstellungsbeauftragten ihren Teil geleistet, damit es so kommt wie es kam. Als, nun ja: Architekt dieser Politik kann wohl der zuständige Beigeordnete gedacht werden, der seinen Oberbürgermeister nun in eben die Situation manövriert hat, die eigentlich zu vermeiden war: Die Entscheidungen über das Theater werden zur politischen Manövriermasse in der anstehenden Wahl. Allerdings, die Motivation der Kombattanten sagt nichts aus über die Qualität ihrer Argumente.

Wo hat das alles angefangen?

Vermutlich als im Jahre 2021 Montavons Vertrag gegen Widerstände in der Stadt verlängert wurde. Bereits zwei Jahre zuvor gab es Informationen der damaligen Gleichstellungsbeauftragten über sexuelle Belästigungen und Machtmissbrauch, es gab Debatten über die Leitungskultur am Hause. Was wurde aus diesen Informationen? Wenn sie auf Wunsch der Betroffenen nicht weiterverfolgt wurden, dann hätten sie doch ein Warnsignal sein können und müssen. Aber das wurde ignoriert. Und ein Jahr, nachdem sie die Generalintendanz um fünf Jahre prolongiert hatte, eröffnete die Stadt die Debatte über einen Transformationsprozess, zu dessen Kernpunkten was gehört? Genau: die Abschaffung der Generalintendanz. Dabei, 20 Jahre wären eine gute Zeit gewesen, nach 20 bestätigten Jahren wird ein Intendant tun, was und wie er es bisher getan hat.

Jetzt ist Guy Montavon wieder Generalintendant und Andreas Bausewein noch Oberbürgermeister. Und Tobias Knoblich hat wohl seinen Teil geleistet, dass die eigentliche Affäre des einen nun die des anderen ist. Und irgendwann geht es ja vielleicht auch wieder um das Theater und die, die dort arbeiten.