Seitenroda. Auf der Leuchtenburg wird von 24. Februar bis 25. August die Ausstellung „Peter Smalun – eine Hommage. Leben und Werk eines Industrieformgestalters“ gezeigt.

2018 war die Fotografin und Fotoredakteurin Susanne Katzenberg aus Hamburg öfter in Weimar unterwegs, um zum Thema Bauhaus zu recherchieren. Bei einer ihrer Erkundungen im Mai 2019 im Umland, so erzählt sie, hat sie sich tatsächlich verlaufen und stand plötzlich in Blankenhain vor der verlassenen Fabrik von Weimar Porzellan. „Durch die Fenster konnte man in die Modellstube schauen. Alles war so, als würden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich wiederkommen.“ Ihre fotografische Neugier war geweckt und der Insolvenzverwalter, der ihr die Tür öffnen konnte zu der stillgelegten Produktionsstätte, die 1790 gegründet worden war und auf eine über 200-jährige Tradition blicken konnte, schnell gefunden. Am 31. Dezember 2018 war der letzte Tag von Weimar Porzellan.

Peter Smalun bei Weimar Porzellan, 2019
Peter Smalun bei Weimar Porzellan, 2019 © Susanne Katzenberg

Als nun Susanne Katzenberg wenige Monate nach Schließung des Werkes die Räume betrat, eröffnete sich ihr eine wundersame Welt mit Gipsformen, sonderbaren Maschinen, Werkzeugen, liegen gelassenen Schuhen, Schürzen, Tassen und Notizen jener Menschen, die hier noch kurz zuvor gearbeitet hatten. Sie begab sich auf Spurensuche nach ihnen und ihren Geschichten und hielt mit Fotos den Ist-Zustand fest. Mit Claudia Zachow, Designwissenschaftlerin aus Radebeul, führte sie umfangreiche Recherchearbeiten durch, sammelte historische Fotografien, sprach mit Zeitzeugen und traf auf jenen Mann, der untrennbar mit der Geschichte von Weimar Porzellan verbunden war: Den Formgestalter Peter Smalun (1939-2023).

Während dieser Zeit öffnete er so manche Porzellankiste, gewährte Einblicke in sein umfangreiches Entwurfsarchiv und sprach über seine beruflichen Stationen, Krisen und Höhepunkte. 15 Stunden Interviewmaterial, hochwertige Objektfotografien seines Werksverzeichnisses und ergänzende historische Materialien konnten so zusammengetragen werden, in denen er nochmals seine Lebensstationen Revue passieren ließ. Seine Ausbildung als Modelleur 1953 bis 1956 im VEB Porzellanwerk Weimar-Porzellan in Blankenhain, sein Studium 1956 bis 1964 an der Fachschule für angewandte Kunst Sonneberg und an der Ingenieursschule für Keramik in Hermsdorf, seine Arbeit als Gestalter in der Porzellanfabrik Kalk Eisenberg, von 1964 bis 1971 dann wieder im VEB Porzellanwerk Weimar Porzellan, die Delegation nach Damaskus 1967 bis 1969, die Arbeit im VEB Henneberg Porzellan, dann ab 1974 das berufsbegleitende Studium an der Burg Giebichenstein, anschließend seine freiberufliche Phase ab 1986 bis zu seinem Tod.

Auf der Leuchtenburg wird von 24. Februar bis 25. August die Ausstellung „Peter Smalun - eine Hommage. Leben und Werk eines Industrieformgestalters“ gezeigt. Claudia Zachow (Designwissenschaftlerin) aus Radebeul beim Einräumen.
Auf der Leuchtenburg wird von 24. Februar bis 25. August die Ausstellung „Peter Smalun - eine Hommage. Leben und Werk eines Industrieformgestalters“ gezeigt. Claudia Zachow (Designwissenschaftlerin) aus Radebeul beim Einräumen. © Ulrike Kern

An all das erinnerte er sich nochmals kurz vor seinem Lebensende, denn am 13. August 2023 erlag er seiner schweren Krankheit. Doch Peter Smalun wusste, was aus diesem Material werden sollte.: Zum einen ein umfassendes Werksverzeichnis, das Projekt und gleichnamige Fotobuch „Unverloren“ und eine großartige Ausstellung „Peter Smalun – eine Hommage. Leben und Werk eines Industrieformgestalters“, die vom 24. Februar bis 25. August auf der Leuchtenburg in Seitenroda zu sehen ist. Eine mit mehr als 300 Exponaten sehr umfangreiche Ausstellung, die perfekt zum 10-jährigen Bestehen der Porzellanwelten auf der Burg passt. Und eine sehr liebenswert gestaltete und private Ausstellung, denn der Designer erzähl mittels der niedergeschrieben Interviews selbst von seinem spannenden Leben, von all den Entwürfen und Ideen bis hin zum Messegold, das er zwar nie persönlich, aber sein VEB für ihn bekam.

Gestalter tritt hinter dem Kollektiv zurück

Peter Smalun steht exemplarisch für die Profession des Industrieformgestaltens in der DDR. Er schuf zwar für Weimar Porzellan, Henneberg Porzellan und andere Thüringer Betriebe herausragende Services und Zierformen, welche mit ihrer funktionalen und schlichten Gestaltung fast zeitlos erscheinen und noch heute begeistern. Viele seiner Entwürfe sind im visuellen Gedächtnis der Ostdeutschen bis heute verankert. Doch er als Gestalter trat stets hinter den kollektiven Betrieben zurück. Auch später blieb die ihm gebührende Würdigung noch aus. „Wir als DDR-Designer wurden nach der Wende nicht beachtet, als hätten wir nie existiert“, sagte er. Noch 2018 wurde er als rechtmäßiger Entwerfer seine eigenen Formentwürfe verkannt. Er scheiterte bei dem Versuch deren Rückübertragung aus der Insolvenzmasse von Weimar Porzellan. Seine Autorenschaft sei nicht eindeutig nachweisbar, hieß es.

Das wollten Susanne Katzenberg, Claudia Zachow und Ulrike Kaiser, Direktorin der Leuchtenburg, nicht hinnehmen. Das Forschungsprojekt „Unverloren“, unterstützt von der Staatskanzlei Thüringen und dem Verein Thüringer Porzellanstraße, erhebt den Anspruch, das kulturelle Erbe und die künstlerischen Leistungen Smaluns zu dokumentieren und zu würdigen und zugleich die thüringische Industriekultur als bewahrenswertes Kulturgut zu pflegen. Und noch etwas konnte gerettet werden: „Bei der Recherche über Weimar Porzellan war ich auf die Vasenform „Tini“ gestoßen und sogleich schockverliebt. Sie stammt aus den 1960er-Jahren der DDR und ist schön schlicht und zeitlos. Als ich erfuhr, dass der Formenfundus und all die Modelle, die teilweise ja historischen Wert haben, zerstört oder verkauft werden würden, war ich sehr betroffen und beschloss, die Form „Tini“ zu übernehmen, erzählt Susanne Katzenberg. Seither lässt sie Tini in Reichenbach produzieren und hat selbst der Vertrieb der Vase in die ganze Welt von Hamburg aus übernommen.

Geöffnet: Täglich 10 bis 17 Uhr, ab April 9 bis 18 Uhr