Gera. Die Seniorenakademie 2024 des Thüringer Medienbildungszentrums Gera widmet sich dem Erinnern. Ein Gespräch über die Hürden digitaler Angebote und die Lust älterer Menschen, sich zu entsinnen.

Die Seniorenakademie des Thüringer Medienbildungszentrums Gera (Florian-Geyer-Straße 17) der TLM greift in diesem Jahr das Thema „Erinnern durch und mit Medien“ auf. Bernd Schorb, emeritierter Professor für Medienpädagogik der Universität Leipzig, hält den Einführungsvortrag.

Herr Schorb, Barrierefreiheit sollte heute möglichst überall herrschen. Doch viele ältere Menschen haben bei digitalen Medien nach wie vor Berührungsängste. Wie kann es gelingen, sie besser mitzunehmen?

Bernd Schorb, emeritierter Professor für Medienpädagogik der Universität Leipzig,
Bernd Schorb, emeritierter Professor für Medienpädagogik der Universität Leipzig, © Archiv Schorb | Archiv Schorb

Es handelt sich hier vor allem um geistige Barrieren. Die digitalen Angebote, gerade die Internetangebote, sind teilweise von einer Komplexität, die man bisher nicht kannte. Man muss von Seite zu Seite springen, dann wieder einen Schritt zurückgehen, sich zwischendurch Begriffe merken oder Passwörter aufnehmen. Man muss quasi in eine neue Welt einsteigen. Hinzu kommt, dass die Konzerne in der Regel das junge Publikum als Zielgruppe ansprechen. Die Barrieren für ältere Menschen bleiben so relativ hoch.

Wie könnte es Senioren gelingen, leichter Zugang zu finden?

Oft sind sie ja schon jetzt gezwungen, das Internet zu nutzen, weil eine Dienstleistung sonst teurer ist, man weite Strecken zurücklegen müsste oder es keinen anderen Weg mehr gibt. Was ältere Menschen zum einen benötigen, ist eine eigene Motivation. Wer selbst etwas machen möchte, ist bereit, aktiv zu werden. Zum Zweiten müssten die Anbieter Hürden abbauen und alles in einfachsten Schritten erklären. Und zum Dritten ist es für viele ältere Menschen, im Übrigen auch für mich, schwierig, einen Ansprechpartner zu bekommen. Sie sprechen heute, wenn überhaupt, mit Maschinen. Es gibt im digitalen Bereich niemanden, der sich für den Einzelnen Zeit nimmt. Aber mit dem Alter wird man nun einmal langsamer, hat viele Rückfragen.

Worum geht’s in Ihrem Vortrag „Erinnern in und mit digitalen Medien“?

Ältere Menschen besinnen sich gern auf das, was sie erlebt haben und tauschen sich gern darüber aus. Hier bieten ihnen die digitalen Medien viele Möglichkeiten. Es gibt Programme und Apps, mit denen etwa alte Bilder eingescannt, Texte geschrieben werden können. So können Erinnerungen, zum Beispiel in Form von Geschichten, gut aufgearbeitet und bewahrt werden. Die Speichermedien sind deshalb auch sehr beliebt bei Älteren.

Sind Senioren in den visuellen Medien unterrepräsentiert?

Ja, das ist seit Jahrzehnten so: Man muss jung sein, um wahrgenommen zu werden und umgekehrt, um auch angesprochen zu werden. Das, was in den Medien verbreitet wird, etwa über Influencer, richtet sich nicht an Ältere. Sie sind als Zielgruppe uninteressant, weil sie ihr Geld nicht so leichtfertig ausgeben.

Seit einigen Jahren lädt das Thüringer Medienbildungszentrum Gera der Thüringer Landesmedienanstalt zur Seniorenakademie.
Seit einigen Jahren lädt das Thüringer Medienbildungszentrum Gera der Thüringer Landesmedienanstalt zur Seniorenakademie. © Elric Popp/TMBZ Gera | Elric Popp/TMBZ Gera

Die Seniorenakademie stellt am Donnerstag, 21. März, Medienprojekte vor, die sich mit dem Erinnern befassen. Da wird beispielsweise die Nachtbar des Hotels Astoria in Leipzig virtuell wieder lebendig. Sind digitale Medien die Chance für die künftige Erinnerungskultur?

Die Technik bietet viele Möglichkeiten, gerade um die Vergangenheit für Jüngere wieder lebendig werden zu lassen. Dazu wird sie, wie gesagt, von Älteren auch gern genutzt. Entsprechende Bildungsangebote, wie sie das Medienbildungszentrums Gera macht, können da sehr hilfreich sein.

Programm für 21. März

10 Uhr: Begrüßung, unter anderem durch Thüringens Sozialministerin Heike Werner

10.10 Uhr: „Erinnern in und mit digitalen Medien“, Vortrag von Bernd Schorb

10.40 Uhr: „Ein Blick hinter die geschlossenen Türen eines Hotelbetriebes“, Virtual-Reality-Projekt „AstoriaVR“

11.30 Uhr: „Haus der Kultur: Sinnbild vergangenen Selbstbewusstseins und jetzt sanierungsbedürftige Altlast?“, ein Buchprojekt

13 Uhr: „Das digitale Dorfgedächtnis“, Pohlitzer machen Geschichte in Geschichten sichtbar

13.20 Uhr: „Gesichter der Wismut“, ein Zeitzeugen-Projekt

13.40 Uhr: „Vom Träumen, Werden und Sein“, Projekt über ostdeutsche Menschen und ihre Arbeitsbiografien

18 Uhr: Abendveranstaltung im Metropol-Kino Gera, Vorführung des Kinofilms „Astoria“ und Filmgespräch

Anmeldung unter Tel. (0365) 20 10 20 oder per E-Mail an: medienbildungszentrum-gera@tlm.de