Arnstadt. Ein Dutzend als Orgeln getarnte Hörstationen wurden dieser Tage im Lande installiert. Sie sind Teil einer kulturtouristischen Vermarktungsstrategie.

Dem „Weltstar aus Thüringen“, wie der Tourismus den Musikus Johann Sebastian Bach heutzutage anpreist, begegnet man hierzulande auf Schritt und Tritt. Sollte man meinen. Dem Kulturtourismus hat es gefallen, einem Trend folgend, zum Beispiel auch einen Rad-Rundweg zu skizzieren, auf dessen insgesamt 54 Kilometern man Leben und Wirken Bachs, nun ja, erfahren kann. Eisenach und Weimar bleiben dabei allerdings links oder rechts liegen.

Doch nicht nur, wer in solcher Mission in die Pedale tritt, ist nunmehr gebeten, auch aufs Pedal zu treten, wenn er vom Rad steigt. Dieses Pedal steht für einen Blasbalg, wie er an Orgeln einst üblich war. Es sorgt nur im übertragenen Sinne für Wind und treibt im direkten einen Dynamo an. Der steckt in einer „Bach-Orgel“ und sorgt, ohne Manuale, für Musik.

Bach auf der Straße erlebbar machen

Durch diese Art der Energiezufuhr erklingt seit Montag vor Arnstadts Bach-Kirche, in der der Meister vier Jahre lang Dienst tat, die wohl hier entstandene Toccata d-Moll. Bachs aktueller Nachfolger vor Ort, Jörg Reddin, spielte sie ein. Wahlweise ist das Thüringer Bach-Collegium mit dem Doppel-Violin-Konzert von Johann Ernst IV. zu hören, das Bach für Orgel und Cembalo bearbeitete, hier aber wieder „original“ erklingt.

An der Marienkirche in Mühlhausen steht auch so eine Orgel; dort kann man sich die Ratswechselkantate ertreten. Insgesamt gibt es im Land jetzt ein Dutzend solcher moderner Hörstationen in gleichsam historisiertem Gewand: je drei in Eisenach und Ohrdruf, außerdem auch in Wechmar, Weimar, Altenburg.

Die Bonner Kulturtourismus-Firma „Projekt 2508“ kam darauf, als Thüringen nach Ideen suchte, Bach auf der Straße erlebbar zu machen. Die niederländische Firma Playnetic setzte sie um. Das Ganze ist Teil der Marketingstrategie „Bach in Thüringen entdecken“, die sich die Tourismusabteilung des Wirtschaftsministeriums 750.000 Euro kosten lässt.

Touristiker vermarkten „Musikland Thüringen“

Es war an der Weimar GmbH, das Geld mithilfe eines Beirates zu verwalten und zu verteilen. Sie war die neutrale Instanz, da sie selbst kein Bach-Veranstalter ist. Wohl deshalb gelang es ihr, diverse Festivals und Konzertveranstalter unter einen Hut zu kriegen, für einen auch sonst umfangreichen Internetauftritt zu Bach in Thüringen, der nun alle relevanten Termine bündelt: von den Thüringer Bachwochen, die nächste Woche ihr Programm für 2020 vorstellen, übers Bach-Festival in Arnstadt, die Bachtage Ohrdruf, die Bach-Biennale Weimar und das Bachfest Eisenach bis zum Thüringer Orgelsommer.

Anders als Mozart in Salzburg oder Beethoven in Bonn ist Bach in Thüringen offenbar touristisch noch unterrepräsentiert, obwohl er hier die Hälfte seines Lebens verbrachte. Das soll sich endlich ändern. In Mühlhausen richtete man zu diesem Zweck bereits zwei Erlebnisstationen ein: Im Chorraum der Blasius-Kirche rinnt Bach aus einer „Sounddusche“, in der Alten Kanzlei erzählt ein Archivar am Telefon vom Anstellungsgespräch mit Bach. Im nächsten Jahr vermarkten Touristiker sehr allgemein das „Musikland Thüringen“. Die Musik allein aber, erzählt Bachs Beispiel, reicht wohl nicht.

www.bach-thueringen.de