Erfurt. Wie soll mit der als Propaganda verschrienen Kunst am Bau aus DDR-Tagen umgegangen werden? Das ist am Donnerstag Thema bei einer Diskussionsrunde in Erfurt.

Einst war sie Teil des sozialistischen Gesellschafts- und Selbstverständnisses in der DDR: Sogenannte Baukunst an Gebäuden, auf öffentlichen Plätzen oder in Parks diente nicht einfach nur der Zierde – in erster Linie sollte sie die Botschaft von der DDR bzw. vom Sozialismus als der besseren Gesellschaft vermitteln. Die Motive für Wandgemälde, Reliefs oder Plastiken stammten meist aus der Welt der Arbeit, des Lernens und der Wissenschaft oder der Freizeit. Unter den Schöpfern finden sich viele namhafte Künstler, die sich im Spannungsfeld zwischen den Erwartungen des Auftraggebers und eigenen künstlerischen Vorstellungen bewegten. Meist idealisierten ihre Werke das, was man im Arbeiter- und Bauernstaat unter der entwickelten sozialistischen Persönlichkeit verstand.

Wandbild „Freizeitgestaltung“ (1976, Detail) von Gottfried Schüler an einer Turnhalle in Nordhausen.
Wandbild „Freizeitgestaltung“ (1976, Detail) von Gottfried Schüler an einer Turnhalle in Nordhausen. © Marco Kneise

Wie viele Arbeiten so im Verlaufe der DDR-Geschichte bis zur Wende entstanden, lässt sich nur noch schätzen. Unter dem Generalverdacht der Propagandakunst wurden viele Objekte nach 1989 von Häuserwänden und aus dem öffentlichen Raum entfernt. Was heute noch da ist, fristet nicht selten ein bedauerliches Schattendasein oder ist sogar von der Zerstörung bedroht. Kümmert sich doch jemand um die Erhaltung, sorgt dies immer wieder für kontroverse Diskussionen – so jüngst zu erleben beim Erfurter Mosaikbild „Der Mensch in Beziehung zu Natur und Technik“ vom spanischen Künstler Josep Renau aus dem Jahr 1980. Mit Unterstützung der Wüstenrot-Stiftung wird es derzeit restauriert. Danach sollen die rund 250 Teilflächen aus 70.000 Glasfliesen an den ursprünglichen Ort am Moskauer Platz der Landeshauptstadt zurückkehren.

Über die Frage des angemessenen Umgangs mit diesem Teil des DDR-Erbes werden heute bei einer Diskussionsrunde in der Erfurter Gedenkstätte Andreasstraße Historiker, Kunstwissenschaftler, Denkmalexperten und Kommunalpolitiker diskutieren. Auch wenn es nicht mehr viel ist – auch in Thüringen findet man durchaus noch beachtliche Hinterlassenschaften aus Vorwende-Zeiten. Sie zu dokumentieren, hat sich der Cottbuser Architekt Martin Maleschka zur Aufgabe gemacht. Über die Jahre hat er die derzeit umfangreichste Bild-Dokumentation zum Thema aufgebaut. Geboren wurde Maleschka 1982 in Eisenhüttenstadt, zur Wende war er sieben Jahre alt. Auch deshalb gehe er ungeachtet der mit den Werken verbundene Ideologie eher unbekümmert an die Kunst heran. „Auch wenn nicht alle Kunstwerke in ihrer Ausführung und Gestaltung gleich wertvoll sind, haben sie doch eine kulturelle Bedeutung. Sie sind Teil der DDR-Geschichte und sollten nicht so einfach ausgelöscht werden“, sagt der 37-jährige Cottbusser.

In seinem monografischen Führer „Baubezogene Kunst DDR – Kunst im Öffentlichen Raum 1950 bis 1990“ (Dom Publishers Berlin, 500 Seiten, 48 Euro) mit über 100 Beispielen aus dem gesamten ehemaligen Republik-Gebiet finden sich für Thüringen knapp 20 Objekte vor allem in Erfurt, Jena und Gera, aber auch aus Nordhausen, Weimar, Suhl oder Löbichau. Letzteres steht für die frühere Ostthüringer Wismut-Region, der der Maler Werner Petzold 1972 sein Wand bild „Die friedliche Nutzung der Kernenergie“ widmet. Einst hing es am Paitzdorfer Hauptgebäude der SDAG Wismut, mit deren Schließung wurde es eingelagert. Seit gut zehn Jahren kann man das 200 Quadratmeter große Monumentalwerk wieder auf einem Feld bewundern. Nicht minder monumental präsentiert sich in Erfurt der Fries „Die Idee wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift“ (1978) von Erich Enge an der ehemaligen Wohngebietsbibliothek im Rieth. Das wuchtige Sinnbild des unverkennbaren Schülers von Willi Sitte auf die proletarische Revolution und den Weg zum Sozialismus steht zwar unter Denkmalschutz, die Zukunft des Gebäudes samt Uhrenturm im Schlagschatten eines neuen großen Einkaufszentrums ist aber ungewiss.

Das Gemälde „Die friedliche Nutzung der Kernenergie“ von Werner Petzold (1974) steht bei Löbichau.
Das Gemälde „Die friedliche Nutzung der Kernenergie“ von Werner Petzold (1974) steht bei Löbichau. © Peter Michaelis

Für den Denkmalpfleger und Architekturhistoriker Mark Escherich von der Bauhaus-Universität Weimar geht es letztlich um eine grundsätzliche Neubewertung, wie künftig mit der DDR-Kunst im öffentlichen Raum verfahren werden soll. Den Generalverdacht der Propagandakunst hält er nicht für zielführend, vor allem in den späteren DDR-Jahren hätten Künstler durchaus individuelle Züge verwirklicht. Eine Gefahr sieht der Wissenschaftler im Verfall vieler Objekte. Kämen diese erst einmal in Schräglage, drohe der Abriss, „dann ist niemand mehr da, der sich noch dafür einsetzt“, so der Experte.

Werben will Escherich für einen zweiten Blick auf die Objekte, um diese so aus der Verdammungssituation herauszubekommen. „Wir sollten kons-truktiv mit dem schwierigen Erbe umgehen“, sagt er. Menschen seien auf Erinnerungen, Identität, Orientierung, Heimat und Geschichte angewiesen – Aufgabe des Denkmalschutzes sei es auch, das rechte Maß bei Bewahrung und Erhaltung zu finden.

Podiumsdiskussion „Wie weiter mit der DDR-Kunst in Thüringer Städten?“ heute in der Gedenkstätte Andreas-straße in Erfurt; Beginn 19.30 Uhr, Eintritt frei