Jena. Über eine Reise von Jenaer Schülern nach Auschwitz und Krakau, die Spuren hinterlassen hat.

„Das Schuljahr läuft, aber ich merke, dass ich mit der Fahrt noch lange nicht abgeschlossen habe“, sagt Melia Messner. „Zu Hause habe ich mir ,Schindlers Liste‘ noch einmal angeschaut, man folgt dieser Geschichte jetzt mit noch einmal anderen Augen“, bemerkt Lisa Schmidt. „Natürlich hatte ich mich mit dem Thema Holocaust schon befasst, aber an diesem Ort bekommt es eine besondere Tiefe“, erinnert sich Elena Prinz.

Sie sind Schülerinnen in der Abiturstufe am Carl-Zeiss-Gymnasium in Jena, in den Sommerferien waren sie in Polen, besuchten die Gedenkstätte Auschwitz. Dann Krakau mit seinen Spuren jüdischen Lebens, die den Verlust sichtbar machen. 16 Schüler, vier Lehrer auf einer Reise, das merkt man schnell, die Spuren hinterlassen hat.

Sie sprechen von dem Moment, als sie durch das Tor gingen, das zu einem Symbol für alle Abgründe wurde. Davon, wie tief sie der Workshop berührt hat, in dem sie ausloten, was es bedeutete, als Kind an diesen Ort verschleppt zu werden. Hier sterben zu müssen.

Es war Sommer, die Bäume grün, Wärme auf der Haut und dann dieser Ort. Vielleicht, sagen sie, war es dieser Gegensatz, der für sie alles zusätzlich aufgeladen hat. Auch hier gab es Frühling, es gab Sommer und die Sehnsucht nach Leben.

Sie erwähnen ihre Empfindung, irgendwo zwischen Irritation und Scham, weil sie die alten Beschriftungen in der Sprache lesen konnten, die ihre Muttersprache ist. Natürlich weiß man das. Aber durch diese Baracken zu gehen, ihre Wände zu berühren, ist etwas anderes. Die Fassungslosigkeit, sagen sie, ist größer geworden.

Und sie sprechen davon, wie wichtig es war, all diese Gefühle in der Gruppe teilen zu können. Diese Woche, sagt Frieda Schwedas, hat uns auf eine besondere Weise zusammengeschweißt. Auch weil jeder von ihnen dort war, weil er es wollte. Eine Geschichtslektion ohne Notendruck, aus freien Stücken: Gut möglich, sagen sie, dass sie auch deshalb so viel von dieser Fahrt mitgenommen haben.

So wird Geschichtswissen zu einer Erfahrung, die etwas mit den Jugendlichen macht, aus der Haltungen entstehen, sagt Tom Fleischhauer im Rückblick. Er unterrichtet am Gymnasium Geschichte, Geografie und Sozialkunde und hat diese Reise organisiert.

Neun solche Fahrten für insgesamt 223 Jugendliche haben Thüringer Schulen im vergangenen Schuljahr durchgeführt, so das Bildungsministerium. Das fördert gemeinsam mit der Bethestiftung („Stiftung Erinnern Ermöglichen“) solche Besuche, dafür liegen pro Schuljahr 81.000 Euro bereit. Was gut und nötig sei, bemerkt Lehrer Fleischhauer, nur aus eigener Kraft wäre eine Finanzierung nicht zu stemmen. Er sagt aber auch, dass die bürokratische Prozedur einfacher werden muss. Diplomatisch ausgedrückt.

Natürlich müsse eine solche Fahrt auch inhaltlich vorbereitet werden, für die Schüler und für begleitende Lehrer. Der eintägige Lehrgang, den er dafür am Erfurter Gedenkort Topf & Söhne zu absolvieren hatte, sei nützlich gewesen. Doch ein großer Rest der Vorbereitungen gestaltete sich zu einer Geduldsprobe mit Fingerübungen in Buchhaltung und Korrespondenzen mit Schulamt, Stadt, mit dem Bildungsministerium.

Der Antrag für die Förderung mit akribischer Aufschlüsselung von Programm und Kosten, wurde im Februar genehmigt und dann vom Schulamt wieder zurückgenommen, weil die Fahrt in den Ferien stattfinden sollte. Terminlich ging das nicht anders, bis Lehrer Fleischhauer das in mehreren Briefwechseln klären konnte und das Bildungsministerium grünes Licht gab, wurde es April. Und er kann, bemerkt er, vorher keine Verträge mit Reisebüros für die Unterkünfte und Transport vor Ort abschließen, keine Fahrkarten für den Zug nach Polen und zurück bestellen.

Das wäre eine Kurzfassung, der Vorgang füllt einen dicken Ordner und es ist noch nicht vorbei. Seine Endabrechnung kam inzwischen zum dritten von der Stadtverwaltung zur Nachbesserung zurück. Die Umrechnung der Kosten von Zloty in Euro müsse bis zur dritten Kommastelle angegeben werden. In der Fachabteilung hatte man ihn mitleidig angelächelt, man kennt das. Erst dann werden, wiederum über das Bildungsministerium, die Gelder überwiesen, damit er sie an die Schüler weitergeben kann, die ja in Vorkasse gehen mussten.

Um es deutlich zu sagen: Nein, er bereut den Aufwand nicht. Am Ende zählt das Ergebnis und das sind die Erfahrungen, an denen seine Schüler nur wachsen können. Man werde als Schule sicher wieder Gelder für diesen Zweck beantragen. Und eigentlich kann er jedem Kollegen nur ermuntern. Aber wie gesagt, es wünschte sich eine Vereinfachung der Wege. Denn, ließe sich hinzufügen, sie kosten Zeit, die ein Lehrer eigentlich nicht hat.