Leipzig. Der Leipziger Schriftsteller Werner Heiduczek ist mit 92 Jahren gestorben. Sein Roman „Tod am Meer“ wurde ein Jahr nach seinem Erscheinen verboten.

In Werner Heiduczeks 1977 erschienenem Roman „Tod am Meer“ erleidet der Leipziger Schriftsteller Jablonski in Bulgarien einen Schlaganfall und stirbt wenige Wochen später im Krankenhaus. Zuvor aber legt er noch eine Art Lebensbeichte ab, in der er mit Kritik und Selbstkritik nicht spart. Das Buch wurde ein Jahr nach seinem Erscheinen in der DDR verboten, nachdem der sowjetische Botschafter bei Erich Honecker interveniert und dem Autor „antisowjetische Propaganda“ vorgeworfen hatte, da dort unter anderem von Vergewaltigungen deutscher Frauen durch Angehörige der Roten Armee am Ende des Zweiten Weltkriegs die Rede ist.

Dass nun, im Alter von 92 Jahren, auch der Autor an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben ist, ist einer jener seltsamen Zufälle, die das Leben schreibt. Dennoch hatte das Buch, über das dereinst heftig gestritten wurde und das heute in über 20 Sprachen übersetzt ist, viel mit Heiduczeks Biografie zu tun. Er stammte wie sein Held aus Oberschlesien, arbeitete in den 60er-Jahren als Deutschlehrer im bulgarischen Burgas und begrüßte zunächst den Aufbau der DDR-Gesellschaft, bis ihn die Widersprüche zur Kritik an den tatsächlichen Verhältnissen und zur Revidierung seiner Haltung veranlassten.

Von der teils heftigen Kritik, die der Roman auch vonseiten der DDR-Medien erfuhr, erholte sich Heidu-czek lange Zeit nicht. Er zog sich zurück und schrieb Kinderbücher und Märchen, darunter die wunderbare Parabel „Das verschenkte Weinen“.

2005 legte Heiduczek im Leipziger Verlag Faber & Faber seine Erinnerungen unter dem Titel „Die Schatten meiner Toten“ vor. Von Jugend an bis ins hohe Alter war der Autor immer wieder mit dem Sterben konfrontiert worden: Der frühe Tod des Bruders, der Selbstmord der Tochter und der Krebstod seiner Frau haben sein Leben entscheidend mitgeprägt. Als Soldat hat er noch in den letzten Kriegstagen Kameraden fallen sehen. Und in jenen Jahren, als er sich für das Schriftstellerdasein entschied, beförderte ihn eine tückische Krankheit in den Grenzbereich zwischen Leben und Tod.

1926 in Hindenburg, dem polnischen Zabrze, geboren, verschlug es Heiduczek zunächst nach Halle. Die 70er- und 80er-Jahre sowie die Wende erlebte er in Leipzig. Am Sonntag starb er in Zwenkau bei Leipzig. Seine Romane und Kinderbücher haben ihn in der jüngeren deutschen Literaturgeschichte fest verankert: In „Abschied von den Engeln“ (1968) arbeitete er die Nachkriegszeit auf fragte nach der Verantwortung seiner Generation. Bereits in „Mark Aurel oder Ein Semester Zärtlichkeit“ (1971) treten die DDR-Konflikte offen zu Tage, und mit dem gleichen moralischen Impetus stellte er zehn Jahre später die Frage nach der Integrität der Gestalter der sozialistischen Ordnung. In „Tod am Meer“ lässt er seinen Ich-Erzähler Jablonski dann sagen: „Ich bekenne mich zu meinen Irrtümern.“

Heiduczek zählte neben Christa Wolf, Erich Loest und Erik Neutsch zu den bekanntesten Schriftstellern des mitteldeutschen Raums. Er war Gründungsmitglied der Freien Akademie der Künste in Leipzig.