Sondershausen. Schloss Sondershausen birgt fantastische Schätze. Um sie zu heben, fehlt es nur an Geld. Ein Ortsbesuch.

Herkules sitzt auf dem Trockenen. Der antike Heros dominiert seit 250 Jahren im Kampf gegen die neunköpfige Hydra über dem Schlossbrunnen in Sondershausen, doch mit den Jahren hat sich eine empfindliche Undichtigkeit eingestellt. Nicht bei ihm, sondern dem höfischen Kunstgewässer und den Drainagen – also hat man die Fluten ablassen und das Pflaster aufgraben müssen, um die Lecks zu dichten. Kleine Baustelle, Carolin Schäfer, die neue Museumsdirektorin, trägt dieses Malheur mit Fassung. Weit Ärgeres plagt sie.

Das fürstliche Schloss hoch über der Altstadt ist ziemlich marode. Seit gut drei Jahren weiß man von akuten Statikproblemen im Alten Nordflügel. Ganze Gebäudeteile, darunter die Schlosskirche, mussten für Besucher gesperrt und mit einem Wald aus Stützen gesichert, die im Geschoss darüber aufbewahrten Sammlungen in externe Zwischendepots ausgelagert werden. Auf mindestens 42 Millionen Euro taxiert die Thüringer Schlösserstiftung als Eigentümerin die Kosten für eine Generalsanierung der Schwarzburgischen Residenz. Und eine neue Depotlösung ist da noch nicht eingepreist.

Wie lang das wohl dauert? Die Rudolstädter Experten heben die Hände, in ihrem schlappen Neun-Millionen-Etat bleiben kaum Spielräume. Kämen freilich die 200 Millionen Euro aus dem Sonderinvestitionsprogramm von Bund und Land, so wäre die Sondershäuser Liegenschaft unter den 30 übrigen eine der Prioritäten, heißt es. Andererseits würde eine in Halle neu zu gründende, länderübergreifende Kulturstiftung einige Zeit brauchen, bis ihre Handlungsfähigkeit eintritt. Flösse hingegen das Geld direkt nach Rudolstadt, könnte man sofort mit dem Großprojekt beginnen.

Carolin Schäfer betrachtet all das, obwohl sie darauf keinerlei Einfluss hat, mit gesunder Skepsis. Auch ihr Dienstherr, Bürgermeister Steffen Grimm (parteifrei), beklagt nicht nur mangelhaften Informationsfluss, sondern hegt Argwohn gegen einen mutmaßlichen verwalterischen Wasserkopf einer fernen Stiftung in Halle. Obwohl die Kommune selber recht klamm ist, würde er das ehrwürdige Schlossmuseum nicht aus städtischer Trägerschaft loswerden wollen. „Das ist einen Gedanken wert“, sagt er freimütig, „aber die Frage stellt sich nicht.“

Ohne dass man es ihm auf den ersten Blick ansieht, macht das Schlossmuseum eine zweite Großbaustelle aus. Bloß eine Viertelmillion Euro pro Jahr ist dafür im Stadthaushalt vorgesehen, so dass Schäfer, seit Frühling im Amt, für Mitarbeiter gerade einmal 7,5 Planstellen zur Verfügung hat. Inklusive der eigenen. Die frisch promovierte Historikerin hegt dennoch hochfliegende Pläne, um ihre Einrichtung ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. – Ja, gesteht Grimm, dieser Stellenplan sei in fast jeder Haushaltsberatung ein Thema. Man bemüht sich um Linderung.

So sucht die Stadt per virtueller Stellenanzeige gerade ehrenamtliche Schlossführer, und tatsächlich sei eine eigene Website für das gut 100-jährige Museum inzwischen in Arbeit. Auch bei den sozialen Medien will Schäfer einen Fuß in die Tür stellen, doch die Probleme in der Museumspädagogik sind damit längst nicht gelöst. Man könne auf Anfrage für junge und jüngste Besucher zwar vieles ermöglichen, bloß für einen regulären Fächer an Angeboten reicht’s halt noch nicht, bedauert sie. 20.000 Besucher lösen jährlich ihre Tickets an der Museumskasse. „Viel Luft nach oben“, ist man sich allseits einig.

Fachleute preisen bis heute die glanzvolle Tradition als Musikstadt

Schäfer hat Ehrgeiz. Die gebürtige Sondershäuserin hat in Wittenberg Geschichte studiert und über den Autoritätsdiskurs zur Zeit der englischen Revolution im 17. Jahrhundert promoviert. Die wuchtige Schwarzburger Residenz ist gut 100 Jahre älter; anno 1534 hat ein Graf Günther den Grundstein für die immer wieder um- und weitergebaute Anlage gelegt, und hier endete auch vor 70 Jahren die inzwischen fürstliche Schwarzburger Linie. Nicht allein die berühmte Goldene Kutsche zeugt von vergangenem Ruhm. Sondern es mischen sich Zeugnisse früheren städtischen Lebens mit solchen der Herrscherdynastie.

Etwa in Sachen Musik waren sich Volk und Regent wohl immer einig. Nicht erst Franz Liszt pries die Qualität des Loh-Orchesters, und Max Bruch schrieb hier sein g-Moll-Violinkonzert Joseph Joachim in die Finger. Schon zu Barockzeiten sammelte man Musikalien, zumeist als Abschriften aus Italien und Wien – heute geben sie wegen verschollener Autographen oftmals die letzten authentischen Quellen ab. Kenner schnalzen die Zunge.

All das aufzuarbeiten, hat Carolin Schäfer bei weitem die Woman- und Manpower nicht. „Was ich hier mache, wechselt zwischen Wissenschaft und Facility Management“, gesteht sie lachend. Sonderausstellungen kuratieren sie oder ihre Mitarbeiter eher nebenher, aber mit Eifer; zur Zeit läuft eine poetische Fotoschau zweier Gegenwartskünstler mit regionalem Bezug. Und nächstes Jahr soll unbedingt das Themenjahr „Jüdisches Leben in Thüringen“ um einen Sondershäuser Beitrag bereichert sein.

Klar könnte eine Großstiftung mit zusätzlichen Betriebsmitteln das Museum flottmachen helfen. Aber um den Preis einer Selbstaufgabe, gar mit der Pflicht, die Sammlungen zu übertragen, käme das partout nicht in Frage. Da sind sich Schäfer und Grimm völlig einig. Lieber arbeiten sie sich allein ab an ihrer herkulischen Aufgabe.