So ziemlich jeder, der nicht Virologe oder Politiker ist, scheint alles besser zu wissen. Und das Schlimmste: Ich kenne manche dieser Leute.

Das ist schon blöd. Ich meine, wenn man Helmut Schmidt (Schmidt!) heißt, in der SPD (SPD!) ist und dann noch im Stadtrat von Korbach (Korbach!). Ein Städtchen im Hessischen, etwa 23.000 Einwohner, an guten Tagen fast 24.000. Keine Sturmflut weit und breit, auch Beschlüsse zu Nato-Atomraketen sind hier eher selten gefragt. Aber Helmut Schmidt heißen. Doch da winkt ein Hauch von, nun ja, Außenpolitik. Schließlich, wir sind hier Hessen und das da drüben, das ist Thüringen. Und jetzt wollen ein paar Leute im Rathaus diesen neuen Weg „Thüringer Straße“ nennen.

Und da nennt der Stadtrat Helmut Schmidt (SPD) die Dinge beim Namen. So und so, „Thüringer Straße“, das geht gar nicht, „ausgerechnet noch Thüringen“, wo sich doch dieser FDP-Mann von den AfD-Leuten zum Ministerpräsidenten wählen ließ. Diese Argumentation sei „geschmacklos“ sagte Jochen Rube (Überraschung: FDP) und sie „diskreditiert die Thüringer“.

Recht hat der Mann, lange nichts so Überzeugendes aus der FDP gehört. Jetzt haben sie die Straße nach der dort ansässigen Firma benannt, was natürlich in der Ordnung ist, denn die bezahlt schließlich, anders als das blöde Thüringen, brav ihre Steuern in Korbach. Dabei, sie sollten fein stille sein, diese Hessen.

Sie missbrauchen unser schönes Land schließlich als Mülldeponie. Ihren schlimmsten geistigen Schrott laden sie hier ab, ausgerechnet im grünen Herzen mussten sie ihren braunen Müll entsorgen und jetzt haben wir hier den Salat. Will sagen, den Höcke. Den, der sich das ausgedacht hat. Und wegen dem tun sie uns nun in Verschiss.

Dabei, der bleibt wirklich ein Vogelschiss in der Thüringer Geschichte. Aber eigentlich habe ich mich über den letztens gar nicht so sehr geärgert, man hört ja kaum was von ihm. Was mich ärgert, das ist der ganz gewöhnliche, ganz normale Proll. Der Mittelstands-Medien-Proll, der umstandslos bereit ist, dem anderen eins in die Fresse zu geben, medial. „Das ist keine Drohung, das ist ein Versprechen!“, tönte einer über seine Ankündigung, den Arzt, der ihn gegen seinen Willen impfen würde, umzubringen. Immerhin, er kann schreiben und lesen, denn den nach Kerl klingenden Satz hat er irgendwo abgeschrieben.

„Die SA des Merkel-Regimes“ nannte ein anderer die Polizei und er würde, füge ich hinzu, gewiss gern mit erhobenen Fahnen und fest geschlossenen Reihen gegen dieses Regime marschieren. Das sind Leute, die Höcke und dem Thüringer Bundes-Proll Brandner fröhlich-deutsch applaudieren. Die sind, denke ich so still bei mir, einfach blöd, bisschen Bodensatz, bisschen Mob ist immer dabei. Aber die sind es nicht, die mich so irritieren.

Wir haben jetzt zwei Wochen Maskenpflicht, die anderen Einschränkungen schon etwas länger. Und da höre ich, auch in meinem Umfeld, manche Menschen reden, beinahe als wäre das der Mai ’45, als hätten wir die letzten Wochen in geschlossenen Bunkern verbracht, mit Notration drinnen, Wächtern draußen und Bombern oben. Als wäre es erwiesen, dass Merkel und Ramelow nun George Orwell umsetzen; der Staat, der, warum auch immer, jetzt dabei ist, mit Fleiß den Mittelstand zu vernichten und so gut wie alles andere auch.

Ein wenig erinnert das Raunen an „Die Protokolle der Weisen von Zion“, nur dass wir es dieses Mal nicht sind, immerhin. Und das sind keine dummen Leute, die derlei verbreiten, sie gehören zum Mittelstand, sie haben studiert, sie haben qualifizierte Berufe, es geht ihnen gut. Und das ist, was mich so ratlos macht, so, in gewisser Weise, traurig: Die Bereitschaft, nach ein paar schwierigen Wochen das Denken einzustellen mit der Begründung, man wolle selber denken.

Die absolute, die unerschütterliche Selbstgewissheit, mit der an diesen Mittelstands-Stammtischen aus breiter Brust die tief verinnerlichte Überzeugung verbreitet wird, jeder, der hier sitzt und nicht Virologe oder Politiker ist, der wisse es besser. Und das sind manchmal Leute, die ich kenne. Nun scheint die Meinung mehrheitsfähig, wie sinnlos die Maßnahmen waren, um eine Katastrophe zu verhindern, erkenne man schon daran, dass diese Katastrophe gar nicht eingetreten ist. Und deshalb lockern wir jetzt auf Teufel komm raus.