Kloster Veßra. Eine Woche lang arbeiteten acht Künstlerinnen unterschiedlicher Herkunft auf dem Gelände von Kloster Veßra. Zu sehen sind ihre Arbeiten bis Februar.

Die Bildhauerin Franziska Pertig hat ihre Freiluftwerkstatt gleich neben der Klosterruine aufgeschlagen. Mit einem Presslufthämmerchen zeichnet die Suhlerin Linien in weiß-roten Sandstein. Pertigs Skulptur zeigt Ranken, die sich aus dem Stein winden und befreit Blüten treiben. „Grenzen machen die Menschen ärmer. Nur wer sich von Beschränkungen löst, kann sich frei entfalten“, sagt die 30-Jährige.

Pertig ist eine von acht Künstlerinnen, die sich beim ersten Internationalen Sommer-Symposium im Hennebergischen Museum Kloster Veßra eine Woche lang dem Thema „Grenzen: denken und überwinden“ stellten. Initiative und Thema seien auch eine Antwort auf einen Neonazi, der in der Nachbarschaft zum Museum gerade ein Rechtsrockkonzert organisierte, so Museumsleiterin Uta Bretschneider. Die Auswirkungen waren am Auftaktwochenende des Symposiums unmittelbar zu erleben. Tausende Polizisten hatten das Gebiet weiträumig abgesperrt und scharfe Kontrollen auch viele Museumsbesucher er- und abgeschreckt.

Der Zaun mit der Inschrift „Darf der das“ von Anja Callam setzt sich mit dem benachbarten Nazigasthof auseinander.
Der Zaun mit der Inschrift „Darf der das“ von Anja Callam setzt sich mit dem benachbarten Nazigasthof auseinander. © Hanno Müller

Die Münchner Holz-Künstlerin Anja Callam inspiriert die Auseinandersetzung zu ihrem Projekt „Defence (Verteidigung) – eine Provokation und Umfriedung“. Der dreiteilige Zaun, den die gebürtige Dresdnerin als Dreieck im Klosterhof aufstellt, ist dem des benachbarten Nazigasthofes nachempfunden. In die Holzlatten sägt Callam die Worte „Darf der das?“ „Zäune sollen schützen, sie grenzen aber auch ab und aus“, sagt die junge Frau. Undurchlässig stünden sie für Isolation, Spießertum und geistige Armut.

„Grenzen werden gedacht, gezogen, ideologisch aufgeladen, verstärkt und bewacht, überwunden und eingerissen. Sie unterteilen uns in ,Wir‘ und ,die Anderen‘. Sie wirkend trennend, verletzend, bisweilen tödlich“, sagt Uta Bretschneider. Wie sich unterschiedliche Künsterinnen damit auseinandersetzen, sei eine Einladung an unsere Besucher, über das Jetzt und Hier nachzudenken. Die „Unsichtbare Grenze“ der mazedonischen Performerin Irene Paskali verbindet zwölf Eisenstangen mit weißem Fahnenstoff, dessen im Wind flatternden Enden Durchlässe freigeben.

Die Russin Alica Khaet wurde von Hennebergischen Handschriften zur Reflexion über die Grenzen des Ichs angeregt.
Die Russin Alica Khaet wurde von Hennebergischen Handschriften zur Reflexion über die Grenzen des Ichs angeregt. © Hanno Müller

Die Bildhauerin Alla Krasnitski versteht ihre Skulptur „Flucht“ einer Mutter mit Kind als Gleichnis für die Belastungen von Frauen und ihren Aufbruch in ein sicheres Leben. Regine Hawellek aus Kassel fügt Lindenbohlen zum Dornröschenturm zusammen, die Dornen schützen die Schlafende – und halten sie vom Leben fern.

Grafikerin Alica Khaet mit russische Wurzeln ließ sich zu ihren ironischen Zeichnungen von Rollenbildern zwischen Frau und Mann auf Hennebergischen Handschriften inspirieren. „Wer bin ich – als Frau, Russin oder hier lebende Künstlerin?“ fragt die 31-Jährige. Wer „ich“ sage, beschränke sich bereits selbst. Alle Arbeiten sind bis Februar zu sehen.