Weimar. Katrin Sass hat zu 30 Jahre friedliche Revolution und Mauerfall ein neues Programm. Pfingsten ist Premiere im Spiegelzelt.

Katrin Sass steckt mitten in den Vorbereitungen für ihr Pfingstprogramm im Köstritzer Spiegelzelt: „So oder so ist das Leben“ ist der Titel für die drei Abende. Es wird ein Blick zurück im 30. Jahr des Mauerfalls: Schlager mit Augenzwinkern und Kinderlieder hat sie im Programm, Einspieler von Politikern und spitzzüngige Kommentare, die sie auf der Bühne entwickelt. Begleitet wird sie von einem neuen Musiker: dem Pianisten Bene Aperdannier. Den hat sie aus dem Westen – und folglich werden ihm die Lieder zunächst weniger bekannt sein als dem Publikum, das DDR-Erfahrung hat.

Schon im vergangenen Jahr war Katrin Sass im Spiegelzelt – und wenn sie nun erneut nach Weimar kommt, darf sich das Publikum „auf ein lustiges, ein leichtes Programm“ freuen. Als sie im vergangenen Jahr „Unsre Heimat“ anstimmte, wurde aus dem Publikum ein großer Chor. Als sie dem Weimarer Publikum jedoch den Spiegel vorhielt und sagte: Wir fahren Mercedes und meckern trotzdem, das klatschen nur wenige...

Nun also gibt es einen Rückblick – nicht nur auf das Jahr 1989, sondern auch auf davor und danach: „Ich habe nicht vor. Menschen zu beschämen – weder Ost noch West“, sagt sie. „Das Leben ist so kurz; wir sollten es uns nicht ununterbrochen schwer machen“, betont Sass.

Die große Unzufriedenheit vieler Menschen heutzutage beschäftigt sie: „Wenn man mit der Gegenwart nicht zufrieden ist, dann blickt man zurück. Das ist wie mit einer alten Liebe. Aber es gab ja einen guten Grund, warum die alte Liebe zerbrochen ist – und warum wir sie nicht mehr wiederhaben wollen“, erklärt sich die Schauspielerin und Sängerin manchen Unmut. „Uns hier geht es weit und breit am besten – und darum meckern wir wohl am meisten.“

Sie frage sich dann: Womit sind diese Menschen denn unzufrieden? Die Rentenangleichung komme. Statt Arbeitslosigkeit gibt es jetzt Fachkräftemangel. „Und Angela Merkel tritt nicht im Europa-Wahlkampf auf – aber das ist dann auch wieder nicht recht...“ Es sei doch keine Lösung, aus der eigenen Unzufriedenheit heraus AfD zu wählen und zu sagen, man tue dies, damit „die da oben mal zur Vernunft kommen...“ Katrin Sass nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es etwa um Parteien geht, die aus ihrer Sicht in der rechten Ecke stehen – und sie schaut über den Tellerrand. „Wenn man sieht, was gerade in Österreich vor sich geht und in vielen Teilen der Welt passiert, kann man nur sagen: Es ist grausam, was viele Leute gutheißen und wollen.“ Wenn die Schauspielerin und Sängerin diese Haltung bis zu Ende denke, „dann wird mir schlecht“. Ihr kommt das neue Lied von Herbert Grönemeyer in den Sinn. In Fall der Fälle singt er: Kein Millimeter nach rechts. „Gut, dass es Leute gibt, die richtig Stellung beziehen“, sagt Katrin Sass.

Sie würde jenen, die sich benachteiligt fühlen, gern zeigen, wie es denen geht, die nicht wiedervereinigt wurden. „Wir haben ein großes Glück gehabt. Wer es nicht glaubt, soll mal nach Ungarn gehen, zu den Tschechen, dahin, wo der große Bruder nicht an der Seite war.“

Aus ihrer Sicht ist vor 30 Jahren „ein Wunder passiert“. Womöglich unterscheidet sie von vielen, dass sie sich ganz intensiv „nach dieser Freiheit gesehnt“ hat. Aber auch die Zeit davor ist wichtig im Sinne des Satzes von Peter Sodann: Ich möchte sie nicht wiederhaben, aber ich möchte sie auch nicht missen. „Das ist Zeit unserer Entwicklung, unserer Kindheit und Jugend. Egal, was passiert ist, diese Zeit hat uns geprägt“, stellt Sass im Rückblick auf die DDR fest. „Wenn ich höre, dass Menschen sagen, wir seien auf der falschen Seite geboren worden, sage ich mittlerweile: Nein, wir sind auf der richtigen Seite geboren. Denn wir können über beide Seiten reden. Wir haben eine Erfahrung, die so viele andere nicht haben. Und da es so gekommen ist, wie es jetzt ist, bin ich glücklich, beide Seiten erlebt zu haben.“

Nicht teilen kann sie den immer wieder gehörten Satz, man habe den einstigen DDR-Bürger ihre Identität genommen. „Ich lasse mir meine Identität nicht nehmen. Mir hat man gar nichts genommen. Höhen und Tiefen habe ich vor und nach 1989 erlebt.“ Sie habe auch schon gehört, dass Menschen sagen: Das Land ist untergegangen. Katrin Sass findet das falsch: „Es gibt uns doch – nur ohne Mauer. Und ich kann von mir sagen: Ich bin noch immer der Mensch von damals. Es ist nur vieles dazugekommen, aber das hat mit der Reife und dem Alter zu tun und nicht mit Ost oder West.“ Diese Sichtweise versuche sie „mit einem Lächeln auf der Bühne“ im Spiegelzelt rüberzubringen.

Katrin Sass will träumen, aber nicht unzufrieden sein: „Wenn man hat, wovon man immer träumte, gehen die Träume immer weiter“, weiß sie. Ihr ist in diesem Zusammenhang Dankbarkeit und Demut wichtig. Dankbar ist sie für 70 Jahre ohne Krieg, dankbar für eine friedliche Revolution... Zugleich versucht sie, ihre Träume zu verwirklichen. Das kann – wie jetzt – ein aktualisiertes und auf einen Anlass zugeschnittenes Bühnenprogramm sein. „Ich will diese Zeit vor 30 Jahren auf eine andere Ebene bringen, damit wir gemeinsam lachen können.“ Für sie steckt in diesem Rückblick Ambivalenz: „Wir hatten eine furchtbare Zeit, wir hatten ein wunderbare Zeit.“

Träume verwirklichen heißt für Katrin Sass auch Freiheit genießen und im Sommer beruflich nichts zu machen, um draußen sein zu können. Am liebsten am Wasser. So oder so ist das Leben – ihr Leben.

Katrin Sass, Köstritzer Spiegelzelt in Weimar, Pfingstsonntag, Pfingstmontag und Dienstag, 11. Juni, jeweils 20 Uhr