Heiligenstadt. Allein die orange, mehr als 600 Meter lange Linie auf dem Pflaster der Wilhelmstraße am Donnerstagabend war schon Kunst.

Über zwei Stunden hatten die Organisatoren der ersten Aktion „Kunst im Schaufenster“ gebraucht, sie zu kleben. Und die kleinen Abzweige führten die Gäste direkt zum nächsten Kunst-Hot-Spot in Schaufenstern der Wilhelmstraße.

Locker, wie nebenbei, kontrovers, konform, nonkonform – in der Hand ein Eis, versunken in der Betrachtung, flanierend, im Gespräch. „Genau das wollten wir erreichen“, sagt Gideon Haut, Chef des Literaturmuseums „Theodor Storm“ mit einem Lächeln.

Kunst im Schaufenster

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„Den Dialog.“ Über Kunst miteinander ins Gespräch zu kommen, zu diskutieren, auch einfach klar sagen zu können: „Damit kann ich nichts anfangen“ – all das war am Donnerstagabend in der Heiligenstädter Wilhelmstraße möglich. Ursprünglich war der Gedanke für diese Aktion der, Kunst aus dem Museum hinaus in die Innenstadt zu bringen, Menschen die Hürde eines Eintritts zu ersparen, die Befangenheit vor Kunst zu nehmen.

Das gelang. Gleich mehrere Genres vereinigten sich auf dem Wilhelm. Bildende Kunstwerke wie die Installationen von Christoph Haupt oder Andrea Conradi sorgten für Diskussionsstoff. „Transorte“ hat Christoph Haupt seine Idee genannt. Die liegende, leuchtende und sich selbst reflektierende Straßenlaterne ist Teil seiner Diplom-Arbeit an der Weimarer Bauhaus-Universität.

Andrea Conradi hat ungezählte Stunden zugebracht, aus Naturwolle und reinen Naturstoffen ein Zelt zu häkeln. Ein Wohnraum, eine Zuflucht im „unendlichen Nichts“. Literarisches gab es ebenso zu sehen. Gleich zwei Schaufenster hat das Stormmuseum ausgestattet. Einmal mehrere verschiedene Buchausgaben von Storms „Regentrude“; darüber flackerte die DDR-Verfilmung.

Gleich daneben gab es Puppentheater und Figuren von Heide Liesaus zu bewundern. Musik spielte am Donnerstag auch eine große Rolle. Ramm Tamm Tilda aus Erfurt präsentierten eine humorvolle Mischung aus Jazz, Swing, Weltmusik und heißen Rhythmen. Zwei Rapper – selbst im Schaufenster – unterhielten und verblüfften die Gäste, indem sie aus wahllosen Wörtern, die auf einem Bildschirm auftauchten, flüssige, sinnvolle, nachdenkliche und auch humorvolle Texte im Rhythmus des Beats präsentierten.

Eintauchen in besondere Klangwelten konnten die Passanten bei Teresa Werner und Kain Klar. Auf orangen Stühlen mit Kopfhörer durften die Gäste Musik und Sounds lauschen, die rein durch mathematische Algorithmen erzeugt werden. Dazu gab es ein Abc der Sprachkunst – wieder flüssige sinnhafte Sätze, bei denen nahezu jedes Wort mit demselben Buchstaben begann.

„Unser Weg für diesen Abend war mitunter steinig“, sagte Gideon Haut. Sein großer Dank geht nicht nur an die Künstler, die sich regelrecht in das Projekt hineingekniet hatten, sondern auch an die Stadt für die Unterstützung und vor allem an die Inhaber, die die leeren Schaufenster zur Verfügung stellten. Und der Dialog der Gäste untereinander und mit den Künstlern kam von ganz allein. „Es wird wiederholt“, hieß es am Ende.

Das Literaturmuseum Theodor Storm hatte gleich zwei Schaufenster belegt und zeigte das Schattentheater von Rosi Lampe und Handpuppen, gefertigt von Heide Liesaus und ihren Schülern. Immer neue Einblicke boten künstlerische Momente.

Silvana Tismer