Erfurt. Mein Weg zur Kunst: Als einzige Erfurter Künstlerin, die mit dem Werkstoff Porzellan arbeitet, thematisiert Nadine Wottke provokante Inhalte wie Sexualität und Pornographie.

„Puppe errötet“ heißt eine der Plastiken. 31,5 Zentimeter hoch, aus Porzellan und Bisquit, mit Rotstift bemalt. Und Teil einer Serie. Nadine Wottke schickte darin 2010 eine Sexpuppe auf „Bildungsreise“. Mal pumpt sich diese selbst auf, mal gibt sie sich stoisch, in antikem Faltenwurf, mit Latex behandschuht. Solche „Schlüsselwerke“ markieren eine Transformation in Wottkes Künstlerleben: von vordergründiger Provokation mit Porzellan und Pornografie hinab in Seelentiefen, zu „psychische Akten“ oder „Psychogrammen“.

Eher zufällig, aber wohl intuitiv war sie ihrem Material begegnet. In einem Fachkurs stieß die Weimarer Kunststudentin einst aufs Porzellan und kam nicht mehr davon los. Dabei ist es ein sensibles, „wirklich anstrengendes Material“. Es darf nicht zu hoch brennen, muss ganz korrekt trocknen, verzeiht keine Unsauberkeit, verlangt viel Geduld und noch mehr Zeit.

Spiel mit sexuellen Motiven

Nadine Wottke gehört zu den wenigen freien Künstlerinnen, die den Werkstoff Porzellan heute für sich entdeckt haben.
Nadine Wottke gehört zu den wenigen freien Künstlerinnen, die den Werkstoff Porzellan heute für sich entdeckt haben. © Nadine Wottke

Die Referenz an barocke Porzellankunst ist offensichtlich. Wottke reizt „diese Spannung, etwas von dem Zierlichen, Koketten ins Zeitgenössische zu holen“. Ihre formal strengen Vitrinenfiguren stattet sie mit Brüchen im Material aus: Edelstahl-Prothesen, Latex, Ed-Hardy-Tattoos. In die Verletzlichkeit, ja Zerbrechlichkeit des Porzellans hat sie ihr Thema übersetzt: das Spiel mit sexuellen Motiven, das den Menschen in all seinen Facetten beschreibt. Die Provokation spielt für Wottke selbst keine Rolle mehr. „Die Wirkung ist aber immer noch da, weil die Bilder nicht alltäglich sind.“ Ein erigierter Penis aus Porzellan zum Beispiel.

Die gebürtige Arnstädterin zählt sich „zu den Wendekindern, die plötzlich vor unstrukturiert-offenen Welten standen.“ Sie bewarb sich dann ausschließlich auf ein Kunst-Abitur, „zum Ärger meiner Mutter“. Die Frage, wer sie eigentlich ist und sein will, trieb sie an.

Die Frage nach dem Lebensunterhalt kam viel später, aber nach dem Studium sofort. Die Bauhaus-Universität hat sie nicht auf den freien Kunstmarkt vorbereitet. „Mit Biss und Glück“ (sowie einem Stipendium der Thüringer Kulturstiftung) gelang dennoch der Einstieg in dieses „Rattenrennen“. Zudem setzte Wottke auf „artverwandte Nebenjobs“, als Kunstdozentin und Kursleiterin etwa.

Den „inspirierendsten Nebenjob überhaupt“ fand sie 2019 als Mitarbeiterin für Maske, Requisite und Kostüm im Puppentheater. Dort, im Waidspeicher Erfurt, stattete sie jüngst ihr erstes Stück für Kinder aus: „Vier Märchen von Himmel und Erde“. Eine große Herausforderung, denn ihr Leitfaden dafür war all das, was ihr der Kunstmarkt verbietet: niedlich, liebreizend, zart und süß zu sein. Der Gedanke liegt nahe, wann wohl das Porzellan das Puppentheater erobert und, nun ja, vielleicht auch erröten lässt. Aufgrund des Materials wäre das ziemlich schwierig und jedenfalls aufwendig. Aber im Kopf hat Nadine Wottke diese Idee tatsächlich schon mal komplett durchgespielt.

Zur Person

  • Nadine Wottke
  • Jahrgang 1978. Geboren in Arnstadt. Studium an der Bauhaus-Universität Weimar. Lebt in Erfurt.
  • Beruf: Bildende Künstlerin.
  • Der größte Wunsch: Ich liebe die Kraft der Inspiration. Die Vorstellung, diese wäre eines Tages nicht mehr da, ist keine gute. Inspiration ist das Fundament meiner Talente.
  • Informationen und Kontakt: www.nadine-wottke.de und vor allem www.instagram.com/nadinewottke