Salman Rushdies neuer Roman „Quichotte“, ist eine sehr eigenwillige Hommage an „Don Quijote“, den berühmten Ritter von der traurigen Gestalt.

Quichotte als Ritter zu Pferde, der mit Schild und Lanze gegen Windmühlen kämpft – das war einmal. Heute reist er als Pharmavertreter im Auto durch Amerika und bekommt es mit Fake-News zu tun. Sein Ziel: das Herz der Talkshow-Königin Miss Salma erobern! In der Einsamkeit des Highways wünscht er sich einen Sohn auf den Beifahrersitz – Sancho, eine Kopfgeburt.

Dies ist, kühn verkürzt, der Plot in Salman Rushdies neuem Roman „Quichotte“, einer sehr eigenwilligen Hommage an „Don Quijote“, den berühmten Ritter von der traurigen Gestalt. Wie dessen geistiger Vater, der spanische Dichter Miguel de Cervantes (1547–1616), lässt ihn auch der aus Indien stammende und in den USA lebende Rushdie absurde Abenteuer bestehen, wobei die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit zunehmend verschwimmen.

Die Ursache ist beim modernen Quichotte, der eigentlich Mr. Smile heißt und mit Medikamenten handelt, eine andere. Dieser Mann ist TV-süchtig, und gerade im Fernsehen sind Schein und Sein schwer voneinander zu trennen. Ob Talkshow, Soap, Comedy, Liebes-, Vampir- oder Zombie-Serie, Tier-Doku, Science-Fiction, Baseball, Wrestling oder Schönheitswettbewerb, in seinen langen Motelnächten zieht Mr. Smile alles in sich hinein. Am liebsten aber die Sendung mit der reizenden Talkmeisterin Salma, und so wächst in Quichotte die Passion für die gottgleiche, geistreiche, millionenfach bewunderte indische Schönheit, derer er sich mit Taten würdig erweisen will.

Allerdings verbindet Smile mit Salma weit mehr als den herkömmlichen Don Quijote mit dem Bauernmädchen Dulcinea. Beide haben – wie auch der Autor – indische Wurzeln, und wer Rushdie kennt, ahnt, dass sein Highway-Ritter stark autobiografisch grundiert ist und sowohl der indischen als auch der US-amerikanischen Gesellschaft den Spiegel vorhält.

„Quichotte“ ist Roadmovie, hinreißende Groteske und boshaft-witzige Satire auf Trump-Land. Allerdings führt Rushdies überbordende und mitunter sehr ausschweifende Erzähllust dazu, dass man als mit der indischen Kultur wenig vertrauter Leser leicht den Überblick verlieren kann. Immer, wenn der Autor seine Protagonisten aus den Augen lässt, wachsen einem die zahllosen Nebenepisoden, Ex- und Diskurse über den Kopf. Trotzdem weiterlesen! Es winkt ein überraschender, traumhaft poetischer Schluss.

Salman Rushdie: Quichotte. Roman, C.Bertelsmann Verlag, München, 464 Seiten, 25 Euro