Erfurt. Würste am Baum, Weihnachtslieder zu Ostern und andere Überraschungen: Der TA-Kulturtalk nähert sich dem Fest.

In den Geschäften weihnachtet es schon seit Wochen gewaltig, auf den Adventskränzen wurde der Countdown eingeleitet, kein Zweifel, da kommt etwas auf uns zu. Für den gemeinsamen Kulturtalk von Salve TV und Thüringer Allgemeine höchste Zeit, sich dem Unausweichlichen zu stellen. Gäste im Studio: Die Weimarer Autorin Annette Seemann und der Leiter des Landesmusikarchivs, Christoph Meixner.

Ein launiges Gespräch über die globalisierende Wirkung von Weihnachten, U-Boote und Würste als Baumschmuck, den Ursprung des Weihnachtsbaums und was darunter gesungen wird, warum der Nikolaus inzwischen dem Weihnachtsmann zum Verwechseln ähnlich sieht... Auch über die entscheidende Frage des Thüringer Beitrags zur weihnachtlichen Weltkultur.

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Und da gilt es zunächst, einige Ernüchterung auszuhalten. Dafür sorgt Annette Seemann, die sich für ihr Buch „Lichterglanz und Tannengrün“ tief in die Kulturgeschichte des Weihnachtsbaums begeben hat. Es war nicht der Weimarer Hofbuchhalter Hoffmann, der vor mehr als 200 Jahren den ersten Weihnachtsbaum öffentlich aufstellen ließ und ihm damit zum Durchbruch verhalf. Dafür, beteuert die Autorin, habe sie keinerlei Beleg in Hoffmanns Nachlass gefunden. Es war auch nicht der königliche Gemahl Albert von Sachsen- Coburg und Gotha, der den Baum auf die britischen Inseln brachte. Der hatte im königlichen Haus schon Jahrzehnte zuvor seinen festen Platz.

Den Ursprung selbst führt sie auf das Elsass zurück, genauso wie später die Weihnachtskugeln, die aus Ermangelung von Äpfeln von Glasbläsern gefertigt wurden. Leider nicht in Lauscha, jedenfalls nicht erstmalig, wie es eine der vielen Mythen erzählt. Christoph Meixner setzt noch eines drauf: Die gern zitierte Geschichte, wonach der Weimarer Johannes Daniel Falk mit „O du fröhliche“ einen der bekanntesten Weihnachtshits geschrieben habe, müsse zumindest relativiert werden. Die Melodie war im Ursprung ein Marienlied aus Italien und der Text ein Alldreifeiertagslied, dass neben Weihnachten auch Ostern und Pfingsten zum Einsatz kam.

Doch kein Grund zur Enttäuschung, es gibt in Thüringens Nachlässen genügend Zeugnisse für das Weihnachtsland Thüringen. Christoph Meixner hat zwei aus dem Musikarchiv mitgebracht: Über 400 Jahre alte Liederbücher aus den Kirchengemeinden von Neustadt an der Orla und aus Udestedt. Darin finden sich Marienlieder, deren lateinische Texte mit deutschen Weihnachtszeilen kombiniert werden. Ein, wie er findet, interessanter Beleg dafür, wie einst in Thüringen Weihnachten gefeiert wurde.

Mit einem Baum, an dem statt Glanz und Glitter Äpfel und Oblaten hingen. Ein Hinweis auf eine ursprüngliche Symbolik: Die Früchte des Paradieses und die Oblaten, die an die Leiden Christi erinnern. Später, als elsässische Bäcker und Fleischergesellen in ihren Zunftstuben Weihnachtsbäume aufstellten, kamen Devotionalien ihres Handwerkes an den Baum. Auch Würste? Auch Würste, bestätigt Annette Seemann. Oder winzige U-Boote in den Jahren der Aufrüstung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Weihnachten, das instrumentalisierte Fest – auch das hat eine lange Geschichte.

Autorin Seemann erklärt, warum sich der Name unseres Lieblingsfestes ausgerechnet im Deutschen nicht auf die Geburt Jesu bezieht. „wîhenaht“ – das Wort taucht zum ersten Mal in einem Text des mittelalterlichen Dichters Spervogel auf. Wohl mit der Absicht, den Begriff „nox sancta“ zu verdeutschen.

Früher war nicht nur mehr Lametta, früher war auch mehr Besinnung – darüber war sich die Runde einig. Christoph Meixner erinnert an die Zeit, als im Advent noch Fasten angesagt war und mit Heiligabend die eigentliche Festzeit überhaupt erst begann. Der Weihnachtsbaum blieb bis Februar stehen, während heute schon nach der Bescherung die Luft raus ist. Mehr Stille vorher, dann hätte man auch mehr vom Fest.

Die Sendung

  • Der Kultur-Talk ist eine Gemeinschaftsproduktion von Thüringer Allgemeine und Salve TV. Die Sendung wird am heutigen Mittwoch, 18.15 Uhr, zum ersten Mal bei Salve TV ausgestrahlt und danach mehrfach wiederholt. Der regionale Fernsehsender Salve TV ist über Kabelanschluss in 70 Thüringer Orten empfangbar, darunter Erfurt, Weimar, Jena und Eisenach.
  • Im Internet kann man den Talk hier sehen.

Notenbuch aus dem 17. Jahrhundert aus der Kirchengemeinde von Neustadt an der Orla, das im Landesmusikarchiv bewahrt wird.