Erfurt. Die Thüringer Schlösserlandschaft steht im öffentlichen Fokus. Das große bauliche Erbe im kleinen Freistaat beschäftigt Kommunen, Politiker, Historiker und Welterbe-Spezialisten.

Eher wenig Beachtung fanden bisher die Schlösser, Burgen und Gutsanlagen im privaten Besitz, mehr als 300 sollen es sein. Denkmalgeschützt allesamt, in unterschiedlichem Erhaltungs- und Nutzungszustand.

Auch sie sind Teil der Thüringer Geschichte, künden von Wirtschafts-, Herrschafts- und Siedlungsstrukturen und von den tiefen Eingriffen durch die Bodenreform 1945, als Grundbesitz über 100 Hektar entschädigungslos enteignet wurde. Aus Herrenhäusern wurden Flüchtlingsunterkünfte, Kinder- oder Altenheime, Schulen oder Verwaltungsbauten. Viele verfielen.

Austausch und Vernetzungvon Sanieren und Nutzern befördern

Ein Teil der Anlagen wurde nach der Wende von den Alteigentümern zurückerworben. Andere sind heute im Besitz von Enthusiasten, die zwar keine Adelsvorfahren im Stammbaum haben, sich aber in Gegend und Gebäude verliebten und ausreichend Energie und Finanzen für schier endlose Sanierungsarbeiten aufbrachten.

„Die Schlösser und Herrenhäuser sind ein Schatz und eine dauerhafte Herausforderung“, sagt Florian Kirfel-Rühle. Der Architekt, der mit seiner Familie in Schloss Bedheim lebt und arbeitet, ist Vorsitzender der Interessengemeinschaft „Private Burgen, Schlösser und Gutsanlagen in Thüringen“.

Der Ende 2019 gegründete Verein will Austausch und Vernetzung befördern: Wie packt man die Sanierung, welche Nutzung ist denkbar, wo sind Netzwerkpartner? Der Dialog mit staatlichen Denkmalbehörden gehört ebenso dazu wie der Kontakt zu Forschungseinrichtungen oder die touristische Erschließung. Kontakte zu Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen sind geplant, um historische Forschungen voranzutreiben.

Intensiv wird diskutiert, wie die Häuser in die Region ausstrahlen, zum Beispiel durch Zimmervermietung oder Hofcafés, Konzerte, Lesungen, Herbst- und Weihnachtsmärkte. Corona habe dazu geführt, dass viele Menschen ihr Augenmerk auf die nähere Umgebung richten, der ländliche Raum gewinne wieder mehr Bedeutung, sagt Sabine Ortmann.

Als außerordentliches Mitglied ist die Kunsthistorikerin und Denkmalpflegerin Vize im Vorstand. „Die Schlösser und Gutsanlagen in privater Hand prägen die Kulturlandschaft ebenso wie die Residenzschlösser, sie stehen mit ihnen im historischen Kontext. Höchste Zeit, sie in den Blick zu nehmen.“