Berlin. Der Nato-Gipfel endet ohne klares Signal an die Ukraine. Dennoch habe Putin eine Niederlage erlitten, analysiert FDP-Politiker Baum.

Eine „klare, geeinte und positive Botschaft“ hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vom Gipfeltreffen des Verteidigungsbündnis in Vilnius an die Ukraine senden wollen. Und tatsächlich soll die Ukraine ein Teil der Nato werden – aber nicht jetzt.

Auf diesen Konsens konnten sich die Staats- und Regierungschefs beim Nato-Gipfel einigen. Stattdessen stellten sie der Ukraine eine Nato-Mitgliedschaft für die Zeit nach dem Ende der russischen Invasion in Aussicht. Falls bestimmte Bedingungen erfüllt seien. Wie blickt man aus der Ukraine auf diesen Ausgang der Gespräche, wollte Sandra Maischberger am Mittwochabend von Alexander Rodnyansky in der ARD wissen?

"Maischberger": Das waren die Gäste

  • Alexander Rodnyansky, Berater des ukrainischen Präsidenten
  • Gerhart Baum (FDP), ehemaliger Bundesinnenminister
  • Per Steinbrück (SPD), ehemaliger Finanzminister und Kanzlerkandidat
  • Béla Rethy, ZDF-Sportkommentator
  • Susanne Gaschke, Journalistin (Neue Züricher Zeitung)
  • Gregor Peter Schmitz, Stern-Chefredakteur

Der wirtschaftspolitische Berater von Wolodymyr Selenskyj sprach von einem gemischten Gefühl. Zwar begrüße die ukrainische Regierung das klare Bekenntnis zum Nato-Beitritt, nur sei der Ukraine-Krieg eben leider nicht vorbei. „Es geht darum, dass man die europäische Friedensordnung nicht ewig alleine verteidigen will. Und das tun wir gerade mit unserem Blut“, so der ukrainische Präsidentenberater.

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„Unsere Männer sterben an der Front und Europa profitiert davon, dass wir den Aggressor weiter abhalten.“ Deswegen gebe es nach dem Nato-Gipfel auch „eine gewisse Enttäuschung“. Auch interessant: Putin wird jetzt noch gefährlicher – Nato in großer Sorge

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Ukraine in der Nato: Verteidigungsbündnis stellt Forderungen

Anders sah es der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum von der FDP. Vilnius sei ein wichtiges Hauptsignal, da dort das eingetreten sei, was Putin „ums Verrecken“ nicht gewollt hatte: „Die Ukraine gehört zum Westen. Das ist unumkehrbar.“

Ex-Bundesinnenminister Gerhard Baum bei
Ex-Bundesinnenminister Gerhard Baum bei "Maischberger". © IMAGO / Horst Galuschka

Auch Stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz bewertete den Nato-Gipfel als Erfolg für Kiew. Besonders das amerikanische Angebot der Ukraine, nach Kriegsende dieselben Sicherheitsgarantien zu gewähren wie Israel, sei ein „ungeheures Versprechen“. Immerhin gebe es kaum eine engere strategische Partnerschaft wie die zwischen den USA und Israel.

Natürlich sei man um jede Unterstützung dankbar, betonte Rodnyansky. Generell tritt der Präsidentenberater sehr ausgewogen auf. Auch für die Bedingungen, an welche die Aufnahme der Ukraine in die Nato geknüpft sind, zeigte er Verständnis. Als konkrete Beispiele werden im Abschlussbericht der Nato „zusätzliche erforderliche Reformen im Bereich der Demokratie und des Sicherheitssektors“ genannt.

Natürlich müsse es Standards innerhalb der Nato geben, bekräftigte Rodnyansky. Allerdings läge die Ukraine laut dem Demokratieindex der Economist Intelligence Unit in diesem Bereich bereits weit vor der Türkei. Einem offiziellen Mitglied der Nato.

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Streubomben für die Ukraine: Meinungen über geächtete Munition gehen auseinander

Gleichzeitig vermutete er hinter der Entscheidung der Staats- und Regierungschefs auch eine Hinhaltetaktik. Man hätte weiterhin Angst, Russland zu provozieren. „Man fürchtet sich vor einem Riesen, den es eigentlich gar nicht gibt.“ Der Vormarsch der Ukraine zeige, dass Putin geschwächt sei. Und auch der Putschversuch von Jewgeni Prigoschin sei wie eine „erste Zensur gewesen. Es ist zu erwarten, dass das Regime weiter bröckeln wird“, meinte Rodnyansky. Mehr zum Thema: Ukraine in die Nato? Chancen und Risiken – einfach erklärt

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Ein weiterer Schritt in diese Richtung könnte auch die Ankündigung der USA sein, der Ukraine Streubomben zu liefern. Eine äußerst umstrittene Waffe, die von Deutschland geächtet wird, und auch in der Runde von Maischberger zu sehr unterschiedlichen Reaktionen führte.

Während Susanne Gaschke von der Neuen Zürcher Zeitung darauf verwies, dass Russland zuerst Streubomben eingesetzt hätte, fürchtete Stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz durch ihren Einsatz Putins Propagandamaschine noch weiter anzuheizen.

Keine Streubomben einzusetzen, wäre auch die Präferenz von Gerhart Baum. Doch der ehemalige Bundesinnenminister fand sehr deutliche Worte für die Brisanz der Situation. „Das Schicksal der Ukraine ist das Schicksal der freien Welt“, betonte er. „Wenn wir nachgeben, verlieren wir alle“.