Berlin. Wie weiter in der Flüchtlingsfrage? Bei „Maybrit Illner“ forderte ein CSU-Politiker Härte – und brachte einen Grünen in Bedrängnis.

Eine erste Einigung, aber nicht die große Lösung: Der Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt ist ein Beispiel für Politik in kleinen Schritten. Dabei ist das Thema Migration längst wieder mit Wucht auf die Agenda gerückt, nicht zuletzt wegen den Fluchtbewegungen aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Wie damit umgehen? Das Thema beschäftigte am Donnerstagabend auch die Runde im ZDF bei „Maybrit Illner“.

„Maybrit Illner“ – Das waren die Gäste:

  • Omid Nouripour, Grünen-Parteivorsitzender
  • Stephan Weil (SPD), niedersächsischer Ministerpräsident
  • Manfred Weber (CSU), Partei- und Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei
  • Birgit Glorius, Fluchtforscherin
  • Miriam Lau, „Zeit“-Journalistin
  • Heiko Teggatz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft

In einer Sache war sich die Runde gleich zu Beginn einig: Die Kommunen brauchen mehr Hilfe, um die Aufgaben zu schultern. „Meine Befürchtung ist, dass die Zahlen in diesem Jahr steigen werden“, warnte Stephan Weil, SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen. Bei den Hilferufen von Kommunen und Ländern gehe es nicht nur um Geld, sondern auch um Personal und Unterkünfte.

„Illner“ zu Flüchtlingsgipfel: Das Geld sitzt nicht mehr locker

In den Sätzen schwang Kritik an der Einigung des Flüchtlingsgipfels mit. Statt eines „atmenden Systems“, bei dem der Bund seine finanziellen Hilfen anhand der tatsächlichen Flüchtlingszahlen anpasst, wurde dort eine Aufstockung der Hilfen um eine Milliarde Euro für 2023 vereinbart.

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Dass das Geld nicht locker sitzt, hat mit der veränderten Lage des Bundeshaushalts zu tun. „Das Geld ist alle“, sagte die ZEIT-Journalistin Mariam Lau. Die Zeiten, in denen man auf Probleme einfach finanzielle Mittel werfen konnte, seien vorbei.

Soweit die in der Runde akzeptierte Problembeschreibung. Dissens gab es darüber, wie damit umgegangen werden sollte. Manfred Weber vertrat den Standpunkt, dass Europa abgeriegelt werden müsse. „Wir brauchen Entschiedenheit an der Außengrenze“, forderte der CSU-Politiker und EVP-Chef. Schon dort müsse geklärt werden, wer als Flüchtling und Asylbewerber kommen dürfe. Zugleich warf Weber den Grünen vor, die dazu notwendigen Schritte zu blockieren.

EVP-Chef Manfred Weber und die Migrationsforscherin Birgit Glorius im Talk bei Maybrit Illner.
EVP-Chef Manfred Weber und die Migrationsforscherin Birgit Glorius im Talk bei Maybrit Illner. © ZDF/Jule Roehr | ZDF/Jule Roehr

Das brachte Omid Nouripour auf den Plan, der sich allerdings nicht richtig effektiv wehrte. Statt etwa darauf hinzuweisen, dass Flüchtlingsabkommen à la Türkei die EU in hohem Maße erpressbar machen, verwies der Grünen-Chef darauf, dass nicht die Anzahl der Menschen das Problem sei – sondern die Dauer der Verfahren. Auch sei das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten stark überschätzt, befand Nouripour. Kommentar zum Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt: Fatales Gezerre um Geld

„Illner“: Forscherin äußert sich zu Abschottung Europas

Das überzeugte nicht so richtig, auch weil nicht klar wurde, wie die Grünen das Problem stattdessen in den Griff kriegen möchten. Dabei können durchaus kritische Fragen zu den „harten Instrumenten“ gestellt werden, die auch von Teilen der Ampel favorisiert werden. Die Migrationsforscherin Birgit Glorius etwa warnte vor zu viel Abschottung: das Gros der 100 Millionen weltweit Geflüchteten werde von Ländern des globalen Südens aufgenommen, die sehr genau registrierten, dass die EU versuche, sich rauszuziehen. Diesen Staaten müsse man etwas anbieten.

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Mariam Lau konkretisierte das. Flüchtlingsabkommen etwa könnten dann funktionieren, wenn die Staaten für die Rücknahme der Menschen zum Beispiel Visaerleichterungen für die eigenen Bürger erhalten würden. Das müsse auf Augenhöhe verhandelt werden.

„Illner“: Das Fazit

Diese Ausgabe von „Maybrit Illner“ machte deutlich, dass die Lage durchaus heikel ist – auch wenn derzeit wesentlich weniger Menschen über das Mittelmeer flüchten, als 2015. Von einer Lösung ist Europa nach wie vor weit entfernt: Denn selbst wenn Asylverfahren künftig an den Außengrenzen stattfänden – ein EU-weiter Schlüssel zur Verteilung der Bleibeberechtigten ist nach wie vor Zukunftsmusik.

Die Politik muss das Probleme lösen, bevor die Zahlen steigen. Auch aus Gründen des sozialen Friedens: „Jedem ist klar, welches Verhetzungspotential in dem Thema steckt“, warnte die Journalistin Lau.

Zur Ausgabe von „Maybrit Illner“ in der ZDF-Mediathek.