Jena. Über „Ausweg oder Sackgasse?“ sprechen am Donnerstag in Jena unter anderem Bodo Ramelow, Martin Kranz und Jonas Zipf.

Von einer polarisierten Thüringer Kulturbranche spricht Johanna Sittel, wenn es um eine Haltung zum Digitalen geht. Eine Expertenbefragung und Recherchen ergaben demnach einen „bunten Blumenstrauß an Einschätzungen“, so die Soziologin unserer Zeitung gegenüber. Fürs Zentrum Digitale Transformation Thüringen (ZeTT) an der Uni Jena interviewte sie 2020 sieben Vertreter der extrem heterogenen Branche: Intendanten, Agenten, Veranstalter, Kuratoren, Kinobetreiber. Ergebnis: Zwar spielt digitale Infrastruktur längst eine große Rolle, beim Kartenverkauf, in der Bibliotheksausleihe oder bei der Filmvorführung. Jenen Trend, den die Corona-Pandemie stark beschleunigte, sieht man jedoch skeptisch: das Internet als Veranstaltungsort.

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„Das Erleben von Kultur basiert auf direkter Interaktion, die digital nur schwer herzustellen ist“, heißt es deshalb im zugespitzten Zehn-Thesen-Papier des ZeTT. Adäquate digitale Formate müssten ohnehin „erst entwickelt, eingeübt und verfestigt werden“. Unklar ist demnach etwa, wie sich damit Geld überhaupt verdienen ließe.

Es gebe Stimmen, die in der aktuellen Entwicklung auch Chancen sehen, so Johanna Sittel. „Diese sind aber noch nicht ausdifferenziert.“ Zugleich sehen offenbar viele ihre Existenzen erst recht bedroht, die schon jetzt kaum noch wissen, wie es weitergehen soll: Künstler und Veranstalter ebenso wie Techniker, Caterer oder Sicherheitspersonal.

Kernfrage wird diskutiert

„Digitalisierung der Kultur: Ausweg oder Sackgasse?“ ist deshalb die Kernfrage, die das ZeTT am Donnerstag möglichst kontrovers diskutieren möchte. Im Jenaer Club Kassablanca richtet man ein Podium aus, das aufs Internet nicht verzichten kann; es wird als Livestream übertragen. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) trifft auf Hans Elstner von der Rooom AG, die von Jena aus „virtuelle Events“ organisiert, zudem auf Jonas Zipf für den Thüringer Kulturrat, Friederike Lüdde vom Theater Rudolstadt, Mathias Kaden vom Kulturamt Gera, Xenia Reich-Hemmerich für die unabhängigen Kulturstätten Jenas und den Weimarer Kulturmanager Martin Kranz.

Wie die Erhebungen und das Thesen-Papier soll sich die Diskussion aber auch der Kultur-Krise überhaupt widmen, die von Corona weniger hervorgebracht als vielmehr verschärft wurde. So geht es um Förderstrukturen, die laut Sittel dazu führen, „dass sich Ungerechtigkeitsgefühle einstellen“. Während bestimmte Veranstaltungen 2020 gar nicht mehr stattfinden durften, waren andere selektiv erlaubt. Dass öffentlich geförderte Festivals wie das Kunstfest Weimar oder die Erfurter Domstufenfestspiele ohne großes finanzielles Risiko einen klaren Vorteil hatten, habe gerade in den Subkulturen für Unmut gesorgt.

„Als Metal-Fan konnte ich monatelang nicht zum Konzert gehen. Wenn ich mich für Klassik interessiere, hatte ich zwischendurch mehr Möglichkeiten“, so Sittel.

Donnerstag, 4. März, ab 16 Uhr, im Internet: https://zett-thueringen.de.