Weimar. Eine Gesprächsrunde am Nationaltheater in Weimar widmet sich der Frage, wie die Spielpläne der Zukunft aussehen könnten.

Das bekannte Repertoire, sagt Weimars Operndirektor Hans-Georg Wegner, schrumpft enorm. „Die Leute kennen noch 15 Opern. Das waren mal 50 – und früher noch viel mehr.“ Er sieht darin eine Hoffnung. Für eine Uraufführung wie Ludger Vollmers „The Circle“, diesen Samstag im Deutschen Nationaltheater Weimar (DNT), muss man demnach nicht mehr Erklärungsaufwand betreiben als für Bellinis „La Sonnambula“ (1831) oder Strawinskys „The Rake‘s Progress“ (1951).

Wegner glaubt, dass es in Zukunft in der Oper mehr neue Musik geben wird: „Zumal die musikalische Sprache nicht mehr so schräg sein muss.“ Aber das scheint ohnehin nicht des Pudels Kern zu sein, wenn man auf die Gesprächsrunde der Zeitschrift „Opernwelt“ blickt; die fragte jetzt im DNT nach dem Spielplan der Zukunft. Noch hört man wohl, so der Komponist Moritz Eggert, die Komponisten könnten nicht mehr komponieren; sie berührten nicht mehr. „Das stimmt einerseits auch“, so Eggert, „andererseits aber auch nicht.“ Das Publikum kenne einfach nur die Werke nicht: weil sie auf Spielplänen selten oder gar nicht vorkommen.

Und Wegner hört im Publikum oft genug, mit der Musik könne man ja durchaus etwas anfangen. Die Oper habe aber verlernt, Geschichten zu erzählen. „Die Krise der neuen Oper ist eine Krise des Librettos.“

Eggert verlangt mehr Zeitgenössisches

Das sieht Regisseurin Lydia Steier offenbar ähnlich. Sie fand „perfekt“ beschrieben, was Hellmut Seemann einwarf: „Es muss die Menschen ergreifen“, so der Präsident der Klassik-Stiftung. Man müsse Stoffe suchen, „wo man gerne auch mal lacht, aber vor allem doch weinen muss!“ Die Frage müsse sein: „Was würden die Menschen gern wie eine Erschütterung ihres Lebens als Stoff erleben?“

Dabei würden heute überall spannende Opern geschrieben, so Eggert, in Norwegen, Finnland, England, Frankreich. Vieles werde wieder vergessen. Das sei aber egal. Im 19. Jahrhundert hätten auch zu 95 Prozent zeitgenössische Opern auf dem Programm gestanden. „Wir kennen aus dieser Zeit nur noch die Crème de la Crème de la Crème de la Crème.“

Eggert verlangt mehr Zeitgenössisches. Zugleich liebt er traditionelle Stücke, die er so spielen lassen würde, „wie sie ursprünglich intendiert waren“. Von „total freakigen Projekten“ zu klassischen Stoffen, wie sie Steier unter anderem forciert, hält er nicht so viel: „Ich will Stücke sehen!“

Die Zukunft, legte die Runde nahe, liegt derweil in einer doppelten Infrastruktur. Jene des Opernhauses gilt’s laut Seemann zu bewahren. Sie sei der Schwamm, der alles aufnehme, aber „nicht der eigentliche Ort, wo die neue Oper entsteht“. Da sieht er eher kleine Festivals am Zug: für eine freie Form, die er letztlich so versteht wie Moritz Eggert. Wenn der von Oper redet, blickt er auf deren Anfänge: auf die Florentiner Camerata, in der im 16. Jahrhundert alle Künste zusammengekommen waren.

Für neue Opern sei „ein experimenteller Raum vielleicht besser“, glaubt auch Lydia Steier. Ihr schwebt kein Guckkasten vor, eher ein Immersionsraum, wo es Rotwein gibt.

Derweil entstehen neue Opern für alte Infrastruktur, und für Ensembles, die für Belcanto und großen Orchesterapparat ausgebildet wurden.