Weimar. Barbara Sukowa und Martine Chevallier glänzen in dem stillen Kinofilm „Wir beide“.

Eine zärtlich-leidenschaftliche Nacht der Liebe, wie es schon so manche gegeben haben muss in den letzten zwanzig Jahren. Und dann ein sanftes inniges Wecken am nächsten Morgen. Nina schwebt im Nachtgewand aus der Wohnung.

An deren Tür klingelt sie wenig später, obwohl sie ja einen Schlüssel hätte. Madeleine öffnet und begrüßt freundlich-distanziert die nette und adrette Nachbarin. Man siezt sich.

Sie sind inzwischen nicht mehr allein. Einer besichtigt die Wohnung, die Madeleine verkaufen will, um mit Nina nach Rom zu gehen.

„Deux“ heißt dieser Film im französischen Original: Zwei. Zwei Frauen, die jeweils zwei Leben führen, ein öffentlich-unverbindliches und ein privates voller Intimität. Eines davon muss eine Lüge sein. Und letztlich also doch beide?

Im Zentrum von „Wir beide“, dem französischen Langspielfilmdebüt des italienischen Regisseurs und Autors Filippo Meneghetti, stehen, um es mit Nina zu sagen: „zwei alte Lesben“. Niemand außer ihnen weiß davon. Und niemanden würde es vermutlich interessieren, abgesehen von Madeleines erwachsenen Kindern, die glauben, ihr toter Vater sei der Mutter einzige große Liebe gewesen. Dabei hasste sie ihn wohl.

Dies ist ein außergewöhnlicher Liebesfilm, einer auch der stummen Schreie. Und mit solchen beginnt er: im alptraumhaften Prolog, in dem zwei Mädchen auf einer Parkallee Verstecken spielen und die eine dabei wirklich verschwindet.

Und verstummen wird alsbald auch Madeleine. Eben noch hatte sie sich in Lügen verstrickt, ihren Kindern gegenüber, dann mehr noch Nina gegenüber. Nun, da es eskalierte, ereilt sie ein Schlaganfall.

Damit beginnt die eigentliche Erzählung: in großer Nähe, plötzlich so fern. Der Hausflur zwischen den beiden Wohnungen der Frauen, der diese bislang verband und weitete, ist nun wie eine Barriere, die überwunden werden will. Die Lebenslüge fällt auf das innige Paar zurück. Weil niemand von der Beziehung weiß, darf keine stattfinden. Nina muss sich jetzt in jene Wohnung schleichen, durch die sie schwebte.

Mit Barbara Sukowa und Martine Chevallier hat Filippo Meneghetti die ideale Paarung für seinen Film gefunden. Sukowas Nina, eine Deutsche, ist die energische und verzweifelte Kämpferin für diese Liebe, die zwischenzeitlich aussichtslos geworden scheint. Chevalliers Madeleine, ihrer Artikulation beraubt, lässt es leise im Inneren immer mehr brodeln. Etwa dann, wenn die Kamera auf ihre Augen zufährt, während Nina mit Madeleines Tochter Anne (Léa Drucker) über die „Liebe“ der Eltern redet.

Das ist ohnehin, und das ist eine seiner Stärken, ein sehr stiller Film, voller Stillleben auch, die die Kamera in langen Fahrten in den Wohnungen einfängt: als Sinnbilder von Verlorenheit und Einsamkeit.

Musik kommt kaum vor, und wenn doch, dann sehr verhalten. Umso deutlicher erklingt dann immer wieder jenes Lied, das zum Leitmotiv der Sehnsucht wird: der italienische Schlager „Chariot“.

„Du wirst mit mir zusammenleben“, heißt es darin, übersetzt. Diese Gewissheit trägt vor allem die Sukowa durch die Geschichte, und die Sukowa trägt diese Gewissheit.

Sie raucht in diesem Film auch häufiger: so wie sie es vor acht Jahren bei Margarethe von Trotta tat, als Hannah Arendt, und doch ganz anders. Dort war sie die lässige, ganz selbstverständliche Kettenraucherin, hier ist das ein vergleichsweise nervöser, hektischer Vorgang.

Ein kleines Detail nur, gewiss. Aber es steht für das große Einfühlungsvermögen, das „Wir beide“ auszeichnet, auf allen Ebenen.

Zum Kinostart ab heute (6. August) im Lichthaus Weimar. Demnächst ist der Film auch in Jena und Gera zu sehen.