Erfurt. Das „Clara“ in Erfurt mit Koch Arne Linke ist aktuell das einzige Sterne-Restaurant in Thüringen.

Der Herr hatte für zwei Personen unter dem Namen Müller reserviert, kam aber allein ins Restaurant „Clara“, fragte nach der Bestellung für Meier und bezahlte schließlich mit der Kreditkarte als Walter.

Geschützte Feinarbeit: Arne Linke mit Handschuhen bei der Zubereitung von Garnelen. Foto: Sascha Fromm
Geschützte Feinarbeit: Arne Linke mit Handschuhen bei der Zubereitung von Garnelen. Foto: Sascha Fromm © zgt

Arne Linke lacht. „Ich bin überzeugt, das war ein Tester von Michelin“. Das ist der berühmteste Gastronomieführer der Welt, dessen Zutaten für den Erfolg jahrzehntelange allgemeine Kriterien und anonyme Inspektoren sind. Jedes Jahr werden die besten Restaurants des Landes samt ihrer Köche in einem roten Buch mit Sternen aufgeführt.

Thüringen war in den vergangenen Jahren zumindest mit zwei Lokalen vertreten – nun 2019, hat es nur das „Clara“ im Erfurter Kaisersaal samt Arne Linke in den Michelin geschafft.

Er ist 33 Jahre und stammt gebürtig aus Hamburg. Seit Oktober ist er in Thüringen, hat im Herbst als Nachfolger von Johannes Wallner die Küchenleitung im „Clara“ mit seinen rund 25 Plätzen übernommen. Seine Stationen führten ihn unter anderem schon an die Töpfe der Sterneköche Christian Rach, Robert Stolz, Matthias Diether und Jens Rittmeyer. Bei Letzterem, in Portugal, hat er nach eigener Aussage am meisten gelernt.

Jetzt, in Erfurt, dauert mancher Arbeitstag von 10 bis 23.30 Uhr. Um die folgende Nachtruhe zu genießen, greift er da auch schon mal zu Ohropax. Der härteste Tag sei stets der Dienstag, sagt Linke. „Da kaufen wir immer groß ein, um später mit regionalen Produkten frisch kochen zu können“. Vier (72 Euro) bis sieben Gänge (108 Euro) umfasst das monatlich wechselnde Menü, das mit einem Besuch der Gäste in der Küche und einer Plauderei mit Arne Linke beginnt. Eine Haube oder Kochmütze hat er dabei nie auf dem Kopf, „höchstens mal ein Käppi“. Das passt zur neuen Lässigkeit, die Deutschlands Köche seit einiger Zeit verkörpern. „Früher sind sie an den Tisch gegangen, um sich feiern zu lassen, heute geht man dorthin, um möglichst wie ein Entertainer die Gerichte zu erklären.“ Wohl auch eine Folge der vielen unterhaltsamen Kochsendungen im Fernsehen.

Den Wunsch, berufsmäßig am Herd zu stehen, hatte Arne Linke erstmals mit 16. „Da war ich in den USA bei meiner Oma. Deren Nachbar ist ein Zwei-Sterne-Koch, für den ich aus Neugier mal kochen durfte.“ Er war begeistert, bescheinigte Talent, „gab mir aber zugleich den Tipp, wegen des Stresses kein Koch zu werden.“

Blickfang: Arne Linke zaubert ein Dessert. Er wird auch beim Genussgipfel am 18. Mai im Kaisersaal dabei sein. Foto: Sascha Fromm
Blickfang: Arne Linke zaubert ein Dessert. Er wird auch beim Genussgipfel am 18. Mai im Kaisersaal dabei sein. Foto: Sascha Fromm © zgt

Arne Linke ignorierte den Ratschlag, begann nach seiner Rückkehr zeitnah eine Ausbildung. Zuletzt war er in Ilsenburg im 5-Sterne-Landhotel „Zu den Rothen Forellen“ tätig. Als er dort in einer Anzeige las, dass das „Clara“ einen Küchenchef sucht, bewarb er sich eiligst und wurde von Kaisersaal-Chef Thomas Günther nach einem Gespräch in Erfurt auch sofort als gute Wahl befunden.

Dass das „Clara“ mit ihm – zum sechsten Mal in Folge – mit einem Stern versehen wurde, hatte er bei einer Klausurtagung in Blankenhain erfahren. „Seitdem kennen mich einige Leute mehr“, erzählt er und streicht sich dabei über den flaumigen Bart am Kinn.

Die Freude über die Auszeichnung ist immer noch da, „doch nun ist natürlich auch Druck dazu gekommen. Mir ist schon bewusst, dass die Gäste jetzt etwas Besonderes erwarten“.

Er sieht den Beruf des Kochs in der Gesellschaft ungenügend gewürdigt, nicht nur des Geldes wegen, oft fehle die Anerkennung insgesamt. „Mir geht es im Clara gut, aber viele Kollegen verdienen wenig, haben kaum freie Tage, dabei leisten sie eine Menge in oft engen Räumlichkeiten“, bricht er eine Lanze für sie. Und appelliert zugleich an die Gäste, dass sie auch bereit sein müssen, für erbrachte Leistungen und gehobene Produkte entsprechend zu zahlen. „Die Billigkultur ist schlimm“, so Arne Linke, der gern anderswo essen geht.

Überraschend antwortet er auf die Frage nach seinen eigenen Lieblingsgerichten mit „Döner“ oder „Labskaus“. Neuerdings wären auch noch „Thüringer Klöße“ hinzugekommen. Er gesteht, selbst nicht unbedingt auf eine gesunde Ernährung zu achten, der Genuss als solcher sei wichtiger. Schlanksein scheint für ihn jedenfalls kein Muss. Arne Linke, der mit seiner Freundin – einer Konditorin – in Erfurt wohnt, gibt zu: „Die Kleidergröße ist in den letzten Jahren gewachsen“.

Wenn er am Herd als Künstler wirbelt, dann sind ihm Gewürze wichtig. Im Gegensatz zu Sättigungsbeilagen. „Ich probiere viel aus, versuche schon, mit möglichst wenig Kohlenhydraten, Zucker und Fett auszukommen.“ Auch wenn das bei Soßen, die er liebend gern zubereitet, schwer ist. Neue Wege gehen und die Gäste dabei mitnehmen – das hat Arne Linke bei seiner Kulinarik als Ziel. Man müsse mit der Zeit gehen, wobei er den meisten Trends nur bedingt etwas abgewinnen kann. „Die sind nach fünf Jahren meist wieder vorbei. Aber man sollte nicht so hochnäsig sein, dass man sich vor diesen Menschen und den speziellen Wünschen verschließt.“

Detail, Desert . Foto: Sascha Fromm
Detail, Desert . Foto: Sascha Fromm © zgt

Die Gerichte von Arne Linke sehen oft wundervoll aus. Um in der Sterne-Küche mitzuspielen, muss jede Deko bis ins kleinste Detail sitzen. „Aber die Gäste sollen immer noch erkennen, was sie bei uns essen“. Keule muss also weiter Keule sein.

Er holt sich gern eine Meinung der Gäste ein, „kommuniziert dafür auch eng mit dem Service“, analysiert jedoch nicht jeden Teller, der in die Küche zurückkommt.

Sein bestes Essen hat er mal in München bei Jan Hartwig, einem Drei-Sterne-Koch, gegessen. „Das ist Champions League“, sagt er. Und ergänzt: „Aber, wer nicht mehr besser werden will, hört ja irgendwann auf gut zu sein“.

Die Thüringer Spitzenklasse kommt bald zu ihm. In den Kaisersaal, zum Genussgipfel. Dieser findet am 18. Mai statt, exklusive Karten gibt es im Veranstaltungsort und im Ticketshop Thüringen.

Eine Bestellung von einem Herrn Müller, Meier oder Walter liegt angeblich bisher noch nicht vor.

Die Bewertung durch Michelin

  • Der Michelin-Führer kürt die besten Restaurants in der Spitzengastronomie. Er vergibt seit 1926 Sterne für die Küche.
  • Die Bewertung ist fast romantisch. Ein Stern bedeutet: „Eine Küche voller Finesse – einen Stopp wert.“ Zwei Sterne: „Eine Spitzenküche – einen Umweg wert.“ Drei Sterne: „Eine einzigartige Küche – eine Reise wert.“
  • Die Inspektoren des Guide Michelin kommen mehrfach unangekündigt und probieren die Menüs. Alle Tester sind fest angestellt, zahlen für die Gerichte und bewerten nach einheitlichen Maßstäben.
  • Bewertet werden beim Testen die Qualität der Produkte, die fachgerechte Zubereitung sowie der Geschmack, die persönliche Note und das Preis-Leistungs-Verhältnis.
  • Der Guide-Michelin listet 309 Top-Restaurants in seiner aktuellen Deutschland-Ausgabe auf.
  • Genau genommen gibt es also keinen Sternekoch, sondern eine Sterneküche.