Erfurt. Im Sommeratelier der Kunst- und Designschule Imago finden die Kurse im Garten der Ursulinenschwestern statt

Ein paar Striche, die Farbe verschmieren und schon entsteht auf dem Blatt Papier ein Baum. Ute Herre bückt sich und pflückt das Blütenblatt einer Schöllkrautpflanze. Sie reibt das gelbe Blatt über das Papier, die Farbe vermischt sich mit der schwarzen Kreide – ein Schatteneffekt, der für die um sie sitzenden Kinder neu ist.

Sie alle haben im Klostergarten der Ursulinenschwestern Platz genommen. „Wir freuen uns sehr, dass wir im Klostergarten sein dürfen“, sagt Stephanie Lutz von der Kunstschule Imago. Jedes Jahr finden die Zeichenkurse des Sommerateliers an einer anderen Örtlichkeit in Erfurt statt, so im letzten Jahr im Park des Espachcafés.

„Dadurch lernen die Kinder auch neue, schöne Orte unserer Stadt kennen.“ Die Kurse, die sonst in den Imagoräumen stattfinden, werden nun, gutes Wetter vorausgesetzt, draußen abgehalten. Bei den Schwestern und der Leiterin der Bildungsstätte fand Imago Gehör.

Und so ziehen die Kursteilnehmer mit Klappstuhl und Zeichenunterlage in diesen Wochen von der Kunstschule in den etwa drei Gehminuten entfernten Garten. „Das hier ist ein wahres Kleinod“, sagt Stephanie Lutz begeistert und zeigt auf die Wiese, die Beete und die Bäume. Mitten in der Innenstadt befindet sich diese grüne Oase der Ruhe. Hier können nicht nur die Gedanken schweifen, sondern entstehen auch neue Ideen für die Künstler.

„Wir haben im Garten logischerweise andere Lichtverhältnisse als in unseren Räumen“, meint Kursleiterin Sabine Cozacu. Gemeinsam mit Dozentin Ute Herre kümmert sie sich unter anderem um die Grundschüler. Einige kommen seit sie eingeschult wurden in die Imago, für sie ist der Kursnachmittag ein fester Termin.

Schule des Sehens

Doch in einem Klostergarten zu zeichnen, das ist für alle neu.

An diesem Tag geht es um die Bäume. Zunächst klären die Kursleiterinnen die groben Unterschiede zwischen Laub- und Nadelbäumen. Danach suchen sie sich mit Daumen und Zeigefinger, die sie aneinander halten (siehe Foto) einen passenden Ausschnitt aus. „Gleich einen gesamten Baum zu zeichnen würde zu schwierig werden“, meint Ute Herre. „Das hier ist eine andere Form der Schule des Sehens.“ Aus der Fülle der Eindrücke sich auf einen Ausschnitt zu konzentrieren, falle vielen Kindern schwer.

„Und auch die Erfahrung, dass ein Vogel eben einfach wegfliegt, während man ihn zeichnet, ist immens wichtig. Denn dann muss dieser Moment, dieser Anblick des Tieres gespeichert und weitergezeichnet werden.“ Das sei schon ein großer Unterschied zum Zeichnen im Raum, in dem manchmal ein Vogelpräparat in der Mitte des Tisches Modell steht – ohne wegzufliegen.

Die Kinder nehmen den neuen Kursort begeistert an, entdecken Pflanzen, Insekten. Es ist ein bisschen wie Sachkundeunterricht – allerdings ganz freiwillig. Für vier Wochen finden die Kurse Malerei und Grafik im Klostergarten statt.