Erfurt. Der Erfurter Verein Ukrainische Landsleute organisiert Hilfstransporte in die Ukraine. Reporterin Elena Rauch und Reporter Casjen Carl begleiten einen Hilfskonvoi an diesem Wochenende und berichten im Liveticker.

Unsere Reporter berichten vom Konvoi

Elena Rauch und Casjen Carl gehen mit auf die Reise.
Elena Rauch und Casjen Carl gehen mit auf die Reise. © Funke Thüringen

Unsere Reporterin Elena Rauch und unser Reporter Casjen Carl begleiten den Hilfs-Konvoi, der am Freitagabend startet. Hier lesen sie über das Wochenende ihre Eindrücke über die Situation vor Ort, die Lage der Geflüchteten und der Helfer.

Sonntag, 6. März

2 Uhr: Ankunft in Erfurt

Wir sind in Erfurt angekommen, Klingeln an der Haustür der Gastgeber. Ella Wolkowa wird erwartet. Jetzt heißt es zu sich kommen, nach drei Tagen Flucht. Sie sieht unendlich erschöpft aus. Ich weiß nicht, ob ich schlafen kann, sagt sie noch. Hinter ihr liegt Kiew.

Samstag, 5. März

20.10 Uhr: "Jetzt hat mich der Krieg zum zweiten Mal vertrieben"

Wir haben inzwischen Katowice passiert, es bleiben 600 Kilometer. Ella erzählt von den letzten Tagen in Kiew, den Nächten auf dem Boden im Flur, um mindestens hinter zwei Wänden zu schlafen. Dazu rät der Zivilschutz wegen der Einschläge. Die 39-Jährige stammt aus Donezk, verließ die Stadt vor sieben Jahren. "Jetzt hat mich der Krieg zum zweiten Mal vertrieben", sagt sie. In Erfurt wird sie erst einmal bei Mitgliedern des Ukraine-Vereins unterkommen. Was sie in Erfurt erwartet? Die Frage bleibt offen. "Ich komme ja nicht wegen Erwartungen, sondern wegen des Krieges." Sie fürchtet sich vor der Sprachlosigkeit, "Ich kann kein Deutsch", sagt sie noch und schaut in die Nacht, die sie in ein Land bringt, das sie nicht kennt.

17.54 Uhr: Fast pausenlos spucken Busse halbe Familien aus

Nahezu pausenlos werfen Busse halbe Familien aus. Die Männer wollen oder dürfen das Land nicht verlassen. So stehen Mütter mit oft mehreren Kindern auf dem Platz. Überall stehen Menschen die warten, andere laufen scheinbar ziellos über den Platz. Sie suchen, Bekannte oder ein Weiterkommen. Wie auch immer.

16.50 Uhr: Przemysl, Ex-Supermarkt Tesco - Polen sorgen bewundernswert für Flüchtlinge

Tesco klingt nach Supermarkt, es ist ein Umschlagplatz der Suchenden und Ratlosen. Hier kommen sie an, die roten Busse der Feuerwehr, die die Menschen an der Grenze aufsogen. Auf dem riesigen Platz kommen Reisebusse an, Ausländer bieten freie Fahrt und Unterkunft in Orten an, die für die meisten Ukrainer eine andere Welt und so völlig fremd sind. Frankreich, Deutschland, Niederlande, Tschechien und sogar Estland und Finnland sind im Angebot.

Die Hilfsbereitschaft ist überwältigend, doch die meisten scheinen keine Kraft zu haben, sich zu entscheiden in welche fremde Gegend sie fliehen sollen, wo sie doch möglichst nah an ihrer Heimat sein wollen. Am liebsten in Polen. So suchen viele nur den schnellen Lift nach Warschau, Poznan oder Wroclaw. Hier leben schon viele Ukrainer.

Der Kontakt zu Menschen, die mit nach Erfurt wollen, läuft über einen Ukrainer aus Erfurt, der ebenfalls auf die Ankunft von Angehörigen wartet. Er kündigt zwei Frauen und ein Baby an. Die 39-jährige Ella, die eigentlich aus Donezk stammt und nach sieben Jahren in Kiew nun auch geflohen ist, steht bald am Auto. Doch die Mutter mit ihrem Kind ist unauffindbar. Dennoch soll vorsorglich ein Kindersitz ran. Wir laufen über den riesigen Platz und schauen in beheizbare Zelte, die extra für Mütter mit Kindern eingerichtet wurden. Die Polen sorgen bewundernswert für die Flüchtlinge. Wir schauen von Stand zu Stand, finden weder ein Zeichen zu der Frau noch einen Sitz. Am Ende heißt es, sie hat es nicht geschafft über die Grenze zu kommen.

Przemysl, Ex-Supermarkt Tesco
Przemysl, Ex-Supermarkt Tesco © Casjen Carl | Casjen Carl

16 Uhr Ankunft in in Przemysl

Auf dem Bahnhof treffen sich die, die zumindest eine Vorstellung haben, wie es für sie jetzt weitergehen soll. Hier treffen wir den 78-jährigen Ewgeni, der sein Leben lang als Chirurg in Lwiw gearbeitet hat. Aus seinem Mantel lugt ein Hündchen hervor.

Jewgeni mit seinem Hund Lucky. Der 78-Jährige will aus der Ukraine fort in die USA zu seinem Sohn.
Jewgeni mit seinem Hund Lucky. Der 78-Jährige will aus der Ukraine fort in die USA zu seinem Sohn. © Casjen Carl | Casjen Carl

Es heißt "Lucky", ausgerechnet. Mehr als 50 Jahre lang lebte er in der westukrainischen Stadt. Sie sind gegangen, weil der Präsident dazu aufgefordert hat, das Land und die Stadt zu verlassen, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Sie fahren nach Krakau, wo sie ins Flugzeug steigen werden, um nach Chicago zu fliegen, wo sein Sohn lebt.

Krystyna ist Bürgermeisterin im kleinen Ort Kunkowce. Sie schenkt seit 7 Uhr Essen aus. Täglich wechseln die Freiwilligen aus de Gegend sich ab.
Krystyna ist Bürgermeisterin im kleinen Ort Kunkowce. Sie schenkt seit 7 Uhr Essen aus. Täglich wechseln die Freiwilligen aus de Gegend sich ab. © Casjen Carl | Casjen Carl

Andere, wie eine Familie Charkiw wissen nur, dass sie westwärts wollen. Soweit wie möglich. Eigentlich sollen wir hier drei Leute treffen, die mit nach Erfurt fahren. Drei Flüchtlinge. Aber da kommt der Anruf aus Erfurt, der Treffpunkt ist an einem Supermarkt. Wir setzen uns ins Auto.

15.54 Uhr: Große Kundgebung gegen Krieg auch in Erfurt

In Erfurt gibt es am Samstagnachmittag eine große Demonstration gegen den Krieg in der Ukraine. Hier lesen Sie weitere Einzelheiten.

12 Uhr: Absurd anmutende Szene an der polnisch-ukrainischen Grenze

Medyka ist ein kleiner Ort. Schmale Straßen mit Einfamilienhäusern. Er ertrinkt derzeit in Autos und Menschen. Die einzigen scheinbar gelassenen Menschen sind die Polizisten, die unglaublich ruhig und freundlich die gesamte Situation lenken. Vom 24. zum 25.Februar ging es los, erzählt ein Polizist, es begann ein nicht endender Menschenstrom. Nun, nach einer kurzen Pause als die Ukraine die Abfertigung auf ihrer Seite aussetzte, ist der Flüchtlingsstrom wieder angeschwollen. „Seit zwei Tagen kommen die Menschen rund um die Uhr. Vor allem Frauen mit Kindern.“

Das sind die zwei Mädchen an der Grenze, die völlig ratlos in ihre nächste Zukunft schauen.
Das sind die zwei Mädchen an der Grenze, die völlig ratlos in ihre nächste Zukunft schauen. © Casjen Carl | Casjen Carl

So auch zwei noch sehr jugendlich wirkende Frauen, die offensichtlich hilflos auf dem Gehweg stehen. Abwechselnd reichen sie sich ein Baby hin und her. Zweieinhalb Monate alt, wie sie später sagen. Ihre Lage ist schier aussichtslos. Es gibt einen Bekannten in Warschau, sie können kein Polnisch, haben auch keine Adresse. Und selbst beim freundlichsten Hilfsangebot schauen sie nur ratlos, haben Angst vor allem.

Der Supermarkt „Biedronka“ hat nichts mehr von seinem niedlichen Namen – Marienkäfer. Er ist inzwischen Wärmestube und Notversorgung. Der Umsatz wird aber eher lau sein, Freiwillige bieten Essen und Getränke in jeder Form an. Doch alles sieht nicht nach Essen aus sondern nach nicht Hungern.

Absurd mutet die Szene vor dem Markt an. Zwei Männer spielen Gitarre. Doch niemand hört zu, nur Reporter nehmen die Bilder mit. Ein paar Meter weiter schließlich ist die ziemlich kaputte Straße erreicht, die zum Grenzübergang führt. Und tatsächlich nähern sich von dort in geringen Abständen kleine Grüppchen. Mütter mit Kindern.

Wer nicht von Bekannten, Freunden und Verwandten abgeholt wird, nimmt schließlich einen der Busse von Feuerwehr oder Polizei, die fast im Viertelstundentakt Menschen nach Przemysl fahren. Weg von dem Ort, an dem man es schwer länger aushält.

9.30 Uhr: Hilfsgüter werden heute noch nach Lwiw gebracht

Ein Hilfstransporter von einer Schule aus Finowfurt organisiert.
Ein Hilfstransporter von einer Schule aus Finowfurt organisiert. "We too help Ukraine - School Finowfurt" ("Auch wir helfen der Ukraine - Finowfurt Schule") steht hier in großen schwarzen Buchstaben. © Elena Rauch

Die Fahrzeuge wurden schnell entladen. Sie sollen noch heute per Lkw nach Lwiw gefahren werden, der Fahrer heißt Wjatschelaw. Als die Ukraine angegriffen wurde, war er gerade mit einer Ladung in Polen unterwegs, half seitdem in der Sammelstelle. Aber jetzt will er wieder nach Hause und nimmt Hilfsgüter mit. Was die nächsten Tage für ihn und seine Familie bringen, weiß er nicht. "Slawa Ukraine!" Sagt er zum Abschied. "Ruhm der Ukraine!"- diese Worte sind, seit der Krieg ausbrach, der patriotische Gruß. Die Helfer aus dem KKH Erfurt haben sich bereits auf den Rückweg gemacht, wir fahren nun zum Grenzübergang nach Medyka.

7.45 Uhr: Transport erreicht Umschlagplatz in Tomaszow Lubelski

Am Umschlagplatz in einem Gewerbegebiet am Stadtrand von Tomaszow Lubelski.
Am Umschlagplatz in einem Gewerbegebiet am Stadtrand von Tomaszow Lubelski. © Elena Rauch

Der Transport erreicht den Umschlagplatz in einem Gewerbegebiet am Stadtrand von Tomaszow Lubelski. Bis zur Grenze sind es noch 22 Kilometer. Die Thüringer sind nicht die Einzigen an diesem Morgen, ein Tschechischer Transporter wartet bereits und vor dem Ort stehen zehn Lkw aus Deutschland und acht aus Norwegen, erklärt Oleksander Iwanyuk. Der Ukrainer arbeitet im knapp 100 Kilometer entfernten Lwiw für die Handelsfirma, die seit Kriegsbeginn das zentrale Spendenlager verwaltet. Das Problem derzeit: Weil Männer zwischen 18 und 60 nicht aus dem Land dürfen, fehle es an Fahrern, die die Lkw mit der Hilfe von Polen aus in die Ukraine bringen. Wir hoffen trotzdem auf schnelle Entladung unserer Fracht, weil wir noch Kontakt zu den Flüchtlingen suchen wollen.

3.30 Uhr: Noch 230 Kilometer bis zum Ziel

Wir haben die Stadt Krakau passiert, noch etwa 230 Kilometer bis zum Ziel. Auf den Anzeigetafeln, die sonst Staus anzeigen, stehen Hotlines für die Ukraine-Hilfen. Die Sachsen wollen auf dem Rückweg auch Flüchtlinge mitnehmen, müssen aber dafür mit dem Erfurter Vereinsbüro Kontakt aufnehmen. Iwan Strjapko koordiniert die Kontakte über Freiwillige an der polnischen Grenze. Als wir am Abend in Erfurt losfuhren, hatten sich bereits zwei Familien gemeldet, die gern nach Thüringen mitgenommen werden wollen. Unklar ist aber zur Stunde, wann sie es über die Grenze schaffen. Sie haben unsere Handynummer und wir sind voller Hoffnung.

Freitag, 4. März

23.45 Uhr: Tankstopp

Bei einem Tankstopp verlieren wir die Transporter vom KKH. Dafür finden wir auf dem Parkplatz vor einem Gasthaus überraschend unsere Sachsen wieder, die wir schon seit zwei Stunden vermissen. Einen Konvoi fahren ist Übungssache. Die Besatzung aus Eibenstock verteilt Brötchen der Stadtverwaltung. Zwei jungen Männer parken, ihr mattschwarzer Audi ist bis zum Dach mit Paketen vollgestopft. Tom und Peter kommen aus Pasewalk, die Spenden haben sie spontan unter Freunden und Bekannten gesammelt, jetzt wollen sie zur Grenze. Kurz überlegen sie, sich uns anzuschließen, weil sie an der Grenze keine polnischen Ansprechpartner haben. Sie entscheiden sich aber dagegen und sind sich sicher, die Sachen loszuwerden und einen Ort zu finden, wo sie den Samstag über anpacken können. Dann müssen sie zurück, die Arbeit ruft.

22.45 Uhr: Polnische Grenze überquert

Wir überqueren die polnische Grenze in Görlitz. Der Verkehr ist dicht, aber er fließt. Viele Kleintransporter sind unterwegs zur Grenze und Konvois wie unserer, erkennbar an den ukrainischen Farben in den Fensterscheiben. Die Nummernschilder weisen auf ganz Deutschland, Fahrzeuge aus der Schweiz, den Niederlanden, Dänemark, usw. Auf einer Brücke über der Autobahn hängt die polnische Flagge neben der Ukrainischen. Es scheint so, als habe der halbe Kontinent eine Hilfsbrücke gebaut, um den Ukrainern beizustehen. Wenn sie einmal Kinder hat, will sie ihnen nicht sagen müssen, sie hätte damals nichts getan: So erklärte kurz vor der Abfahrt die junge Erfurter Notfallsanitäterin Jennifer Schneider, warum sie mit Hilfsgütern durch die Nacht fährt. Im Büro treffen wir einen Aserbaidschaner, der seit zwei Jahren mit seiner Familie in Erfurt lebt. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl musste er als Soldat dort drei Monat lang arbeiten. Als er am Morgen von den russischen Angriffen auf das Atomkraftwerk in Saporoshje hörte, war er fassungslos.

21.40 Uhr: Rasthof „Auerswalder Blick“

Erster kurzer Stopp. Dem Erfurter Konvoi in Richtung Ukraine schließen sich drei Transporter aus dem sächsischen Eibenstock an. „Mein Bürgermeister hat gesagt, ,Streetworker‚ fahr nach Polen und hole Leute‘“, erzählt Michael Scholz. Da hat er den Bus genommen. Sigrid Clauß berichtet, dass ihre Tochter den Verein in Erfurt gefunden hatte. Gerne schloss man sich dem Organisationsnetz an. Geladen haben die drei Fahrzeuge was die Einwohner des kleinen Ortes bei Aue in einer Woche zusammengetragen hatten. Arztpraxen, die Diakonie, Ladenbesitzer und viele Einwohner spendeten. Und auch die Rückkehr sei vorbereitet, erzählt Siegfried Gruner, der früher an der Erdgasleitung, der Trasse, gearbeitet hat. Es stehen möblierte Wohnungen bereit. Ihm schnüre es das Herz zu, wenn er sich vorstellt, dass an den Orten, die er so gut kennt, Krieg herrscht. Dann geht es vorbei an Transportern mit der Aufschrift „Stop Putins War“ zurück auf die Autobahn. Diese ist voll an diesem Freitagabend.

Das Team steht am Freitagabend in den Startlöchern.
Das Team steht am Freitagabend in den Startlöchern. © Casjen Carl

18.45 Uhr: Hilfskonvoi startet in Erfurt

Der Hilfskonvoi startet mit einem Auto und zwei Transportern, die unter anderem mit Spenden aus dem KKH Erfurt gefüllt sind. Am Steuer sitzen Mitarbeiter des Krankenhauses. Bei Chemnitz sollen zwei weitere Fahrzeuge dazustoßen. Bis nach Przemysl sind es knapp 1000 Kilometer.

Lieferungen von Erfurt und Arnstadt in die Ukraine

Nahrungsmittel, Medikamente, Decken, Schlafsäcke… In der Turnhalle, die Erfurt dem Verein Ukrainischer Landsleute vor zwei Tagen bereitstellte, türmen sich die Kisten mit Hilfsgütern. Die Bereitschaft der Thüringer zu helfen, reißt nicht ab.

Zwei Kleintransporter fahren vor, bis zum Dach vollpackt mit Spenden aus der Gemeinde Drei Gleichen, am Steuer Cora und Thomas Schröter. Viel Ausrüstung für Nothilfe ist dabei, Firmen haben ganze Bestände ihrer Verbandskästen abgegeben, Einwohner auch der Nachbargemeinde haben gesammelt, Babynahrung gekauft, Isomatten, warme Decken.

Cora und Thomas Schröter aus der Gemeinde Drei Gleichen sammeln seit dem Wochenende Medizin und anderes Hilfe und fahren am Freitag mit zwei Transportern vor. Der Inhalt geht mit einem Sattelzug direkt in die Ukraine
Cora und Thomas Schröter aus der Gemeinde Drei Gleichen sammeln seit dem Wochenende Medizin und anderes Hilfe und fahren am Freitag mit zwei Transportern vor. Der Inhalt geht mit einem Sattelzug direkt in die Ukraine © Casjen Carl

Innerhalb von zwei Tagen waren die Fahrzeuge voll, die Ladung eines ersten Transporters ist schon in der Ukraine, erzählen sie. Und sie selbst holen am Nachmittag eine ukrainische Mutter mit ihren drei Kindern aus einer Notunterkunft ab. „Wir haben Platz, die Betten sind schon bezogen.“

Thomas Schröter (links) mit Hilfsgütern aus der Gemeinde Drei Gleichen.
Thomas Schröter (links) mit Hilfsgütern aus der Gemeinde Drei Gleichen. © Casjen Carl

Alexander Kugler aus Arnstadt packt Kartons mit Medikamenten aus dem Kofferraum, seine Frau hat die Schränke ihrer Arztpraxis ausgeräumt. Die Kuglers stammen aus der Ukraine, ihre Enkeltochter lebt in Odessa. Sie telefonieren jeden Tag, sie haben Angst um sie, aber die 21-Jährige, sagt er, will bleiben. Jeder ukrainische Helfer hier, hat auch seine eigene Geschichte, mit der er klarkommen muss in diesen dramatischen Tagen.

Am Abend startet der nächste Konvoi zur polnisch-ukrainischen Grenze

Vereinschef Vasyl Vitenko kann kaum das Handy aus der Hand legen, am Abend startet hier der nächste Konvoi zur polnisch-ukrainischen Grenze nach Przemyśl. Vieles muss kurzfristig entschieden, manches umgeplant werden und es muss schnell gehen. Die Menschen in der Ukraine brauchen die Hilfe.

Viel Zeit für Fragen bleibt nicht, vor der Halle parkt ein Lastwagen, der so schnell wie möglich mit seiner Ladung starten soll. Eine ukrainische Autonummer, der Fahrer stammt aus Kiew. Als in der Ukraine die ersten russischen Geschosse einschlugen, war er für seine Spedition gerade in Deutschland unterwegs. Fast eine Woche saß er hier fest, aber das Angebot der deutschen Partner zu bleiben, schlug er aus. Wie könnte ich, fragt er, wenn ich am Telefon die Angst in der Stimme meines Sohnes höre.

Situation vor Ort ändert sich schnell

Über das Netzwerk des Vereins Ukrainische Landsleute e. V. kam er nach Erfurt, wo sein Fahrzeug beladen wird. Ziel ist ein großes Zwischenlager in Iwano-Frankiwsk im Westen, wo viele Flüchtlinge aus den umkämpften Gebieten ausharren, und wo es sehr bald auch Engpässe bei den Grundnahrungsmitteln befürchtet werden, sagt er. Blickt auf die Ladefläche, schüttelt den Kopf, als könne er noch immer nicht begreifen, was er in jetzt in die Ukraine transportiert. Und warum.

Auch im Erfurter Büro des Vereins läuten unentwegt Handys, Daniel Fuhrmann organisiert seit dem Morgen die Konvois. „Krieg heißt, was heute Morgen ist, kann heute Abend schon nicht mehr so sein“, sagt er. Gerade hat er neueste Information aus Ostpolen erhalten. Demnach stockt derzeit der Weitertransport in die Ukraine, weil die Grenze gerade dicht ist. Aber, wie gesagt, es kann sich alles jederzeit ändern. Hilfsgüter an die Sammelstellen zu schaffen, das geht also ungebremst weiter. Und auch eingespielt.

Hilfe nicht auf eigene Faust organisieren

Diffiziler sei, so Fuhrmann, aber die Mitnahme von Gästen, wie er sagt, nach Thüringen. Und bitte alle, die spontan Menschen von der polnisch-ukrainischen Grenze abzuholen, dies nicht auf eigene Faust zu tun, sondern unbedingt die Strukturen etwa über den Verein zu nutzen. „Bei uns laufen inzwischen Angebote aus ganz Thüringen ein“, berichtet Fuhrmann. So habe sich die Stadt Hildburghausen gemeldet. Dort seinen Wohnungen schon mit dem Nötigsten eingerichtet worden und sogar Willkommenspakete hinterlegt. Nur wenn man beim Verein, oder auch bei der Stadtverwaltung wisse, dass neue Flüchtlinge eintreffen, könne man auch für deren Unterkunft sorgen. „Stellen sie sich vor, Sie sind in einem fremden Land und stehen plötzlich da, wie bestellt und nicht abgeholt.“ Dann klingelt Fuhrmanns Handy. Aus Mühlhausen kommt der Anrufer. „Von dort geht ein weiterer Konvoi heute noch los.“ Da helfe er mit den Adressen und Strukturen.

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