Berlin. Bei schwierigen Entscheidungen können bestimmte Methoden helfen. Experten verraten die Tricks – und warum das Umfeld oft daneben liegt.

  • Schwierige Entscheidungen setzen manche enorm unter Stress
  • Dabei gibt es Strategien und Tricks, Dinge selbstbewusst zu entscheiden
  • Zwei Psychologen beantworten die wichtigsten Fragen

Wir treffen Tag für Tag unzählige Entscheidungen: Was ziehe ich heute an? Welchen Bus zur Arbeit nehme ich oder soll ich doch besser Rad fahren? Es gibt Entscheidungen, die uns sehr leicht von der Hand gehen. Gleichzeitig gibt es aber solche, die uns schlaflose Nächte bescheren. Zwei Experten erklären, warum uns manche Abwägungen im Alltag so schwerfallen und wie wir erfolgreich und selbstbewusst Entscheidungen treffen. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen.

Entscheidungen treffen: Wieso tun sich manche Menschen dabei leichter?

Eine Antwort darauf hat der Berliner Psychologe und Heilpraktiker Nicolas J. Harazim. „Wenn bestimmte Grundvoraussetzungen gegeben sind wie Aufmerksamkeit, Konzentration, vorausschauendes Denken und keine psychischen Krankheiten vorhanden sind, dann sind die Menschen gute Entscheider, die sich regelmäßig aktualisieren“, sagt er.

Damit sind Menschen gemeint, die regelmäßig ihr Handeln an die Gegebenheiten des Lebens anpassen. Wichtig sei, etwas Neues auszuprobieren. Besonders, wenn man merkt, dass alte Verhaltensmuster nicht zum Erfolg führen.

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Schwierige Entscheidungen besser treffen: Welche Fragen muss ich mir stellen?

„Im ersten Schritt geht es darum, sich klarzumachen, wer man überhaupt ist“, sagt Harazim. Was die eigenen inneren Wünsche sind und was von außen verlangt wird. Erst dann sollte man sich passende Hilfsapps oder Tools heraussuchen, um eine Wahl zu treffen.

Schwierige Entscheidungen bringen uns ins Grübeln und auch manchmal zur Verzweiflung. Bestimmte Werkzeuge können helfen, Klarheit zu schaffen.
Schwierige Entscheidungen bringen uns ins Grübeln und auch manchmal zur Verzweiflung. Bestimmte Werkzeuge können helfen, Klarheit zu schaffen. © Getty Images/iStockphoto | Deagreez

Michael Pusler betont einen weiteren entscheidenden Punkt. Er ist Leiter des Masterstudiengangs Psychologie an der Hochschule Fresenius in München und lehrt unter anderem das Fach „Entscheidungspsychologie“. Wichtig sei, sich nicht unnötig selbst durch zahlreiche Hindernisse zu belasten. „Oft neigen wir dazu, uns in Entscheidungssituationen selbst zu überfordern, da wir nichts falsch machen wollen“, sagt Pusler. „Es ist relevant, dass wir die Anzahl an Alternativen reduzieren und uns nicht zu viele Optionen offenhalten.“

Welche Methoden erleichtern mir die Entscheidung?

Pusler empfiehlt Techniken, die man zu Hause leicht anwenden kann. Damit könne man den Entscheidungsprozess besser vorantreiben. Die sogenannte Pre-Mortem-Methode kann helfen, mögliche Fallstricke, Risiken und unerwartete Herausforderungen bereits frühzeitig zu erkennen, bevor die Entscheidung getroffen wird. Pusler rät diese Praktik besonders Menschen, die dazu neigen, blauäugig an Dinge heranzugehen.

„Wie der Name Pre-Mortem schon sagt, geht es darum, den ,Tod‘ bildlich gesprochen bereits vorher ,zu sterben‘, um den Tod nachher‘ zu vermeiden“, sagt Pusler. Ein solcher „Tod“ kann beispielsweise das Scheitern bei einer wichtigen Prüfung sein. Es geht dabei natürlich nicht um das wirkliche Sterben.

Michael Pusler leitet den Masterstudiengang Psychologie an der Hochschule Fresenius in München und unterrichtet unter anderem das Lehrfach „Entscheidungspsychologie“. 
Michael Pusler leitet den Masterstudiengang Psychologie an der Hochschule Fresenius in München und unterrichtet unter anderem das Lehrfach „Entscheidungspsychologie“.  © privat | Privat

„Damit wird vielmehr gedanklich durchgespielt, was im schlimmsten Fall passieren könnte. Dann kann man geeignete Maßnahmen entwickeln, um diesen ,Worst Case‘ zu verhindern.“ Dadurch würden die Chancen steigen, dass die Entscheidung erfolgreich ist und zum gewünschten Ergebnis führt.

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Ein weiteres Hilfsmittel ist laut Pusler der von Frederic Vester entwickelte Papiercomputer. Beispiel: die Berufswahl. Erst mal müssen Sie laut dieser Entscheidungshilfe überlegen, was Ihnen in Ihrem zukünftigen Beruf wichtig ist. Das könnten Dinge wie Gehalt, Arbeitsstunden oder Arbeitsatmosphäre sein. Diese Aspekte werden in eine Spalte untereinander geschrieben. Die gleichen Aspekte notieren Sie noch mal in einer Zeile nebeneinander, sodass eine Art Tabelle entsteht. Bei angenommen vier Aspekten hätten Sie eine Tabelle mit vier Zeilen und vier Spalten, somit 16 Wechselwirkungen.

Bei diesen Wechselwirkungen müssten Sie nun bewerten, wie stark sich die jeweiligen Aspekte miteinander vereinbaren lassen. Zum Beispiel der Wunsch, viel Geld zu verdienen und gleichzeitig nur 20 Stunden zu arbeiten. Sind alle Kombinationen bewertet, trägt man Punkte in die passenden Felder ein: Je besser zwei Aspekte zusammenpassen, desto mehr Punkte ergeben sich. Diese Übersicht hilft besonders bei komplexen Entscheidungen, um zu überprüfen, ob sich ein Wunsch überhaupt mit einem anderen vereinbaren lässt. Im Ergebnis erhält man somit Hinweise, was für einen persönlich wichtig ist, worauf man seine Entscheidungen zuallererst stützen sollte.

Bauch oder Kopf: Auf was kann ich mich eher verlassen?

„Wenn Sie in einem bestimmten Bereich schon Erfahrung gesammelt haben, sich gut auskennen, dann sagt Ihnen Ihr Bauchgefühl in 80 bis 90 Prozent der Fälle recht zuverlässig, was die ,richtige‘ Entscheidung ist“, so Michael Pusler. Jedoch betont Harazim, dass es wichtig sei, beides mit in den Entscheidungsprozess einzubeziehen – sowohl den Verstand als auch das Bauchgefühl.

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Entscheidungsfindung: Wie stark sollte man sein Umfeld mit einbeziehen?

„Freunde und Familie sollten erst am Ende des Entscheidungsprozesses mit einbezogen werden“, sagt Harazim. Zunächst soll man sich selbst klar darüber werden, welche eigenen Wünsche man verfolgt. „Wenn man das für sich selbst nicht weiß, ist es besser, mit einer neutralen Person wie einem Therapeuten darüber zu sprechen, der einem dann Impulse geben kann.“

Nicolas J. Harazim praktiziert als Psychologe und Heilpraktiker in Berlin.
Nicolas J. Harazim praktiziert als Psychologe und Heilpraktiker in Berlin. © privat | Privat

Familie und auch die Freunde hätten möglicherweise Klischeevorstellungen. Dies könnte zu Antworten führen, die auf oberflächlichen Annahmen fußen, etwa: Du warst doch bisher nie besonders sportlich. Was möchtest du denn in einem Tanzkurs? „Somit wird das volle Potenzial nicht ausgeschöpft“, sagt er.

Falsche Entscheidung getroffen: Wie gehe ich am besten damit um?

Pusler rät dazu, die Entscheidung zu korrigieren – falls dies noch möglich ist –, und nicht an sich selbst zu zweifeln. „Man sollte akzeptieren, dass Entscheidungen auch anders ausgehen können als geplant. Das heißt jedoch nicht, dass man grundsätzlich entscheidungsunfähig ist“, sagt der Studiengangsleiter.

Psychologe Harazim gibt noch einen weiteren Tipp: Gerade, wenn etwas schiefgelaufen ist, sollte man sich die Entscheidungen im Leben vor Augen führen, die im Nachhinein richtig waren. Man könne schauen, was man seinerzeit möglicherweise anders gemacht hat. Durch diesen Vergleich können wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden – die auch helfen, zukünftige Entscheidungen besser zu treffen.