Berlin. Toxische Beziehungen sind Gift für Körper und Seele. Auf diese Anzeichen sollte geachtet werden, um der Abhängigkeit zu entkommen.

Kopfschmerzen bei zu viel Stress, Herzklopfen bei Angst oder Appetitlosigkeit bei Trauer – der Körper ist oft ein Spiegel dessen, was dem Unterbewusstsein bereits klar ist, dem Verstand aber noch nicht. Sie können Anzeichen für psychische Erkrankungen sein, aber auch für toxische Beziehungen, die nicht nur seelisch, sondern oft auch körperlich krank machen. Ein Diplom-Psychologe und eine psychologische Psychotherapeutin erklären, wie sich eine toxische Beziehung auf die Beteiligten auswirkt.

Was macht eine toxische Beziehung mit der Psyche?

Dass toxische Beziehungen nicht gesund sind, lässt sich schon am Namen klar erkennen. „Toxisch“ bedeute schließlich „giftig“ oder „schädlich“, betont auch Christian Hemschemeier. Der Name beschreibe eine dysfunktionale Beziehung zwischen einem mauernden und einem abhängigen Partner, erklärt der Hamburger Psychologe und Autor der Buches „Die neue Dimension der Liebe“. Der abhängige Partner sei geradezu liebessüchtig, denke also zwanghaft über die Beziehung nach und setze Manipulation und andere destruktive Verhaltensweisen ein, um seine eigenen Bedürfnisse durchzusetzen.

Toxische Beziehungen durchlaufen laut Hemschemeier oft zunächst eine „Lovebombing-Phase“. In dieser Phase schwebe der Betroffene auf Wolke sieben und glaube mit jeder Faser seines Körpers, den oder die Richtige gefunden zu haben. „Wie bei einer Droge kann man kurzfristig die Widrigkeiten des Alltags vergessen“, so der Psychologe.

Typischerweise komme es aber nach etwa drei Monaten zum Zusammenbruch, wenn die Liebe durch Abwertung ersetzt und das Selbstwertgefühl des Partners durch den toxischen Anteil untergraben werde. Von da an schwanke die Beziehung zwischen immer kürzeren „Highs“ und immer mehr „Lows“, was die Betroffenen stark belaste, sagt Hemschemeier.

Wie wirkt sich eine toxische Beziehung auf die Gesundheit aus?

Auch Verena Düttmann, psychologische Psychotherapeutin bei der Online-Therapieplattform HelloBetter, beobachtet: „Das Wechselspiel von Verletzungen und anschließenden intensiven Versöhnungen kann leidenschaftlich und anziehend sein – regelrecht süchtig machen. Solche Hochs können sich dann besonders hoch anfühlen, weil die Tiefs in toxischen Beziehungen besonders tief sind.“

Die Folgen für die Betroffenen sind hart: „Sie verlieren nach und nach das Vertrauen in ihr eigenes Urteilsvermögen“, sagt Düttmann. Ständige Anfeindungen und Manipulationen könnten zudem das Selbstwertgefühl schwächen, Ängste und Depressionen auslösen sowie das Vertrauen in andere Menschen beeinträchtigen, meint die Expertin.

Psychische Gewalt in toxischen Beziehungen wird oft nicht erkannt

Psychologe Christian Hemschemeier rät Opfern solcher psychischen Gewalt deshalb dringend, sich Angehörigen oder Freunden anzuvertrauen und bei schweren Fällen die Beziehung zu beenden. Dazu müsse die toxische Beziehung aber erst einmal als solche erkannt werden.

Das sei nicht immer einfach: Im Gegensatz zu körperlicher Gewalt äußere sich psychische Gewalt meist subtiler. „Es gibt oft eine innere Blindheit dafür – sonst wäre man schon längst aus der toxischen Beziehung raus. Die Verleugnung ist extrem hoch“, sagt Hemschemeier.

Studien weisen zudem darauf hin, dass bestimmte Formen psychischer Gewalt in Beziehungen teilweise sogar als normal angesehen werden. So haben etwa Forscher und Forscherinnen um Keeley Abbotta von der Birmingham City University untersucht, welche Erfahrungen Teenager in England bisher mit romantischen Beziehungen gemacht haben und was sie von Partnerschaften erwarten. Dabei stellte sich heraus, dass die 13- bis 18-Jährigen zwanghaftes Kontrollverhalten wie das Überwachen des Handys oder das Bestimmen über sozialer Kontakte fälschlicherweise als Zeichen von Liebe, Fürsorge und beschützendem Verhalten interpretierten.

Toxische Beziehungen sind von Hochs und Tiefs geprägt.
Toxische Beziehungen sind von Hochs und Tiefs geprägt. © Shutterstock/ Prostock-studio | Unbekannt

Körperliche Symptome einer toxischen Beziehung

Auch wenn Betroffene eine toxische Beziehung nicht immer als solche erkennen, gibt es laut der Experten neben seelischen auch körperliche Auswirkungen, die als Warnsignal verstanden werden können. Das zeigt auch eine Studie der Ohio State University aus dem Jahr 2005, selbst wenn es darin nicht direkt um toxische Beziehungen geht.

Wie reagiert der Körper auf toxische Menschen?

US-Forscher stellten damals durch mehrere Experimente fest, dass bereits ein halbstündiger Streit zwischen 42 Ehepartnern ausreichte, um deren Immunabwehr zu verlangsamen. So heilten kleine Hautwunden nach einem konfliktreichen Gespräch einen Tag langsamer als nach stressfreien Sitzungen. Grund dafür sei der hohe Stress und die emotionale Belastung, den Konflikte mit sich bringen, schlussfolgern die Wissenschaftler.

Weitere mögliche Symptome sind laut Psychotherapeutin Düttmann:

  • Schlafstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Geschwächtes Immunsystem

Wie wirkt sich eine toxische Beziehung auf die Gesundheit aus?

Dass ein toxisches Umfeld auf Dauer zu Schlafstörungen führen könne, bestätigt auch Psychologe Hemschemeier. Auch Appetitlosigkeit und Antriebslosigkeit können laut dem Experten eine Folge sein. Allerdings gibt der Experte zu bedenken, dass hinter solchen Symptomen auch andere körperliche oder psychische Erkrankungen stecken könnten. Deshalb sollten diese in jedem Fall ärztlich abgeklärt werden, so Hemschemeiers Empfehlung.

  • Lesen Sie auch:Liebe wie eine Droge? So heftig kann der „Entzug“ sein

Toxische Beziehung verarbeiten: Das raten Experten

Ist eine toxische Beziehung als solche erkannt und diese beendet, kommt es nach Einschätzung der Experten aber nicht immer unmittelbar zu einer Verbesserung der belastenden Symptome. Der Schmerz nach einer toxischen Beziehung halte lange an, stellt Hemschemeier fest. Schließlich könnten Betroffene nach einer solch dysfunktionalen Beziehung nicht einfach den Reset-Knopf drücken.

Stattdessen würden Betroffene nach toxischen Beziehungen oft Verhaltensmuster des toxischen Partners übernehmen, berichtet der Psychologe. „Das Opfer der einen Beziehung kann der Täter der nächsten sein.“ Eine konsequente Aufarbeitung der Beziehungserfahrungen sei daher Voraussetzung für die Traumabewältigung nach einer toxischen Beziehung, so der Experte.

Im Mittelpunkt sollte dabei auch die Wiederherstellung des eigenen Wohlbefindens stehen, erklärt Düttmann. Hilfreich seien hier etwa regelmäßige Bewegung, Entspannungsübungen und ausreichend Schlaf, aber auch ganz alltägliche Dinge wie beispielsweise das Anschauen einer Serie oder das Treffen mit Freunden. „Sich selbst wieder wichtig zu nehmen, kann das Selbstwertgefühl stärken und widerstandsfähiger gegen Belastungen machen“, so Düttmann.

Auch Psychologe Hemschemeier betont, dass Betroffene lernen müssen, „weniger auf Fremd- als auf Selbstliebe zu setzen“. Wenn der Weg alleine nicht zu schaffen sei, könne auch eine Psychotherapie helfen, rät er. Es gehe darum, das Erlebte besser zu verstehen und hilfreiche Strategien zu erlernen, um die inneren Wunden zu heilen.