Suhl. Auf der Autobahn 71 krachen während eines Hagelschauers bei Meiningen etwa 60 Fahrzeuge ineinander. 32 Menschen werden verletzt. Mehr als 100 Retter sind stundenlang im Einsatz.
Der Anblick gleicht einer Formel-1-Rennstrecke nach einem der berüchtigten Startunfälle. Den Weg versperren herumliegende Fahrzeugteile, verbeulte und ramponierte Autos. Ausgelöste Airbags, geborstene Scheiben, Blutspuren auf Sitzen, herumliegende Räder und zwischen den Wracks immer wieder Menschen, Familien, Kinder, die erschüttert auf ihre Autos schauen. Das Trümmerfeld auf der Autobahn 71 zwischen Suhl und Meiningen ist kaum zu überblicken.
Gegen 12.20 Uhr bricht am Sonntag der Horror über dem Autobahnabschnitt herein. Auf Höhe des Rastplatzes Dolmar verwandeln Hagelkörner die Fahrbahn in eine Eisfläche. Plötzlich wird es spiegelglatt, die Fahrzeuge sind unbeherrschbar. Immer wieder krachen Richtung Süden weitere Autos beim Versuch zu bremsen oder auszuweichen ineinander oder bleiben in der Leitplanke hängen. Wer unbeschadet zum Stehen kommt, wird zumeist noch von hinten erwischt.
Drei Schwerverletzte ins Krankenhaus geflogen
Den eintreffenden Rettungskräften bietet sich ein Bild der Verwüstung, denn auch auf der Gegenfahrbahn Richtung Dreieck Suhl haben sich vier Unfälle mit mehreren Fahrzeugen ereignet. Die Rettungskräfte der Feuerwehr und der Notdienste müssen sich mühsam zwischen den Schrottautos hindurch ihren Weg zu den zahlreichen Verletzten bahnen. Jeder einzeln Wagen muss kontrolliert werden, um zu prüfen, ob Menschen vielleicht Hilfe benötigen.
Feuerwehrleute schleppen schwere Technik wie Hydraulikscheren zum Öffnen verklemmter Türen durch die Trümmerlandschaft. Nur so können sie bei einigen der verunglückten Fahrzeuge ins Innere gelangen, um Verletzte zu bergen.
32 Verletzte bei Massenkarambolage auf A71
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Angesichts des Ausmaßes löst die zuständige Rettungsleitstelle Katastrophenalarm aus. Sechs Menschen sind schwer verletzt. Drei von ihnen müssen mit Rettungshubschraubern in Kliniken geflogen werden. Zudem registrieren die Rettungskräfte weitere 26 Leichtverletzte. Der Katastrophenschutzzug baut auf der Autobahn Rettungszelte für die medizinische Erstversorgung und die Betreuung der Betroffenen auf.
Polizei schätzt den Schaden auf rund 600.000 Euro
Bereits kurz nach dem Unfall wird der Autobahnabschnitt komplett in beide Richtungen gesperrt. Eine Umleitung wird eingerichtet. Laut Informationen der Polizei hält sich der Stau in Grenzen.
Die Helfer müssen sich indes auch um die mehr als Hundert Menschen kümmern, die zwar unverletzt sind, aber deren Autos zumeist nicht mehr fahren können. Alle Betroffenen bekommen Schilder umgehängt. Sie sind damit registriert. Zwischen 16 und 17 Uhr beginnen Abschleppfirmen mit dem Bergen der Unglücksfahrzeuge. „Diese werden erst einmal auf einen Sammelplatz transportiert“, erklärt Stefan Haak von der zuständigen Autobahnpolizeiinspektion. Dorthin werden dann auch die Besitzer der Autos gefahren.
Anschließend müssen sie mit den Abschleppunternehmen und ihrer Versicherung alles weitere klären. Auch wie sie aus der Gegend zu ihrem eigentlichen Reiseziel gelangen. Viele Unglücksfahrzeuge hatten kein Thüringer Nummernschild. Die Polizei schätzt den Schaden auf rund 600.000 Euro. Das Klären der Unfallursache und welche Versicherung was zu bezahlen hat, dürfte Wochen dauern. Um für die Ermittlungen einen kompletten Überblick zu haben, fertigte der Polizeihubschrauber Luftaufnahmen von der Unfallstelle.
Im März hatten Rettungskräfte so ein Szenario trainiert
Etwa 25 Polizisten und rund einhundert Helfer, Notärzte, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute sind an diesem Sonntag im Einsatz, um alle Verletzten zu bergen, aber auch, um die Betroffenen zu betreuen und um die Autobahn wieder frei zu bekommen. Gegen 20 Uhr konnte die Polizei den Verkehr in beide Richtungen wieder freigeben.
Erst diesen März haben die Retter nur wenige Dutzend Kilometer vom Unglücksort entfernt, im Autobahntunnel „Berg Bock“, trainiert, wie nach einem Unfall eine Vielzahl von Verletzen zu bergen, zu versorgen und in die umliegenden Kliniken zu transportieren sind. Diese Erfahrungen kamen ihnen und den Betroffenen nun zugute.