Großbartloff. In sozialen Medien kursiert ein Video, das den brutalen Angriff auf eine Frau zeigt. AfD-Politiker Stefan Möller setzt das Video in einen anderen Kontext – und rudert zurück, als die Polizei Details zum Täter nennt.

„In jedem funktionierenden Rechtsstaat würde der Typ abgeschoben.“ Stefan Möller, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, hat am Donnerstag bei Twitter ausgeholt.

Mit dem eingangs zitierten Satz kommentiert er ein Video, das einen Mann zeigt, der auf offener Straße eine Frau verprügelt. Was steckt hinter der Auseinandersetzung? Handelt es sich hierbei um einen Flüchtling, was Möller wohl suggerieren will, der auf eine Frau einschlägt? Dass der Mann abgeschoben werden könnte, lässt sich aus dem von Möller weiterverbreiteten Handy-Video überhaupt nicht erkennen – lediglich, dass es sich um einen farbigen Mann handelt, der hier brutal Gewalt ausübt, ist auf dem Video deutlich sichtbar. In welcher Beziehung er zu der Frau steht? Ebenfalls zu dem Zeitpunkt unklar, an dem Möller das Video verbreitet und darüber auch nicht aufklärt.

Polizei kann den Schläger ermitteln

Die Hintergründe stellen sich nach Recherchen dieser Zeitung so dar: Die Sequenz ist offenbar am Mittwochabend beim Kurznachrichtendienst eingestellt worden und zeigt in 1 Minute und 16 Sekunden, dass ein Mann auf offener Straße mehrfach auf eine Frau einschlägt, die davon weinend zu Boden geht. Ob sich die Szene tatsächlich in Großbartloff im Eichsfeld zugetragen hat, wie Online dargestellt wird, das lässt das Video zunächst offen. Die Polizei konzentriert ihre Ermittlungen allerdings seit Donnerstag auf die Hauptstraße in dem Ort und geht davon aus, dass das Video authentisch ist. Das Video sei bereits sichergestellt, schreibt das Online-Team der Thüringer Polizei am Donnerstagnachmittag auf Twitter. Via Facebook bittet die Polizei später darum, das Video nicht weiterzuverbreiten, äußert aber: „Wir können die Aufregung um dieses Video gut nachvollziehen.“

Bekannt ist der Polizei, um wen es sich bei dem Mann handelt, der da eine Frau so malträtiert. In der Online-Stellungnahme heißt es, dass der Mann nach einem weiteren Vorfall am Mittwoch in Gewahrsam genommen wurde und daraus aber wenig später wieder entlassen werden musste. Auf Initiative der Geschädigten würden gegen den Mann mehrere Maßnahmen aus dem Gewaltschutzgesetz laufen – konkreter wird die Polizei online noch nicht.

Mann und Frau lebten mehrere Jahre zusammen

Aus Ermittlerkreisen erfährt diese Zeitung Details. Der Mann sei ein 42-jähriger Franzose und habe mit der 41-jährigen Deutschen ein gemeinsames Kind, das sich aber bei einer Pflegefamilie befände. Beide hätten mehrere Jahre zusammen gelebt und eine Beziehung gehabt. Immer wieder soll es dabei zu Auseinandersetzungen und häuslicher Gewalt gekommen sein. Vor etwa vier Wochen aber habe das Amtsgericht Heiligenstadt ein Kontaktverbot erlassen.

Offenbar sei das aber am Dienstag ignoriert worden. Die Frau soll sich zu einer Feier in Großbartloff befunden haben, der Mann sei am späten Abend dazu gestoßen sein. Beide hätten in dem Dorf übernachtet und dann am Mittwochmorgen mit dem Bus nach Leinefelde fahren wollen – sodann kam es auf offener Straße zu dem tätlichen Eklat. Die alarmierte Polizei registrierte den Sachverhalt, ließ das eigentlich getrennte Paar aber gemeinsam im Linienbus nach Leinefelde fahren. Wenig später die nächste Auseinandersetzung, Beamte musste zum Leinefelder Busbahnhof ausrücken. Wieder hatte der Mann gegen die Frau tätlich ausgeholt. Die Folge: Bis Mittwochabend kam der Mann in Gewahrsam. Am Donnerstag befand er sich aber wieder auf freiem Fuß.

Ermittler zu Möller: Seine Darstellung entspricht nicht der Wahrheit

Im Internet reagieren die Nutzer schockiert ob der Brutalität, die der Mann bei dem Übergriff an den Tag legt. Aber es gibt auch Unverständnis für den Handy-Filmer, der statt zu helfen lieber die Kamera draufgehalten habe. Auffällig dabei: Man hört zwar Täter und Opfer, aber nicht den Filmer in der Sequenz. Außerdem ist die Aufnahme sehr ruhig und kaum verwackelt. Ob der Filmer sich wegen unterlassener Hilfeleistung schuldig gemacht hat, das prüft die Polizei derzeit aber offenbar noch nicht. Die Polizei erklärt online zu dem Umstand, dass wohl zeitgleich zur Erstellung des Videos Anzeige erstattet wurde.

Einer der Ermittler kritisiert AfD-Politiker Möller: „Seine Darstellung entspricht nicht der Wahrheit.“ Möller hatte bei seiner Verbreitung via Twitter all die Hintergründe aus dem Spiel gelassen und behaupte, dass der Mann statt einer Abschiebung noch Taschengeld und einen Sozialarbeiter bekomme, ohne das in irgendeiner Form zu belegen. Er bedauert das nicht, gesteht gegenüber unserer Zeitung am Donnerstagabend aber ein, dass seine Einschätzung „wohl falsch“ gewesen sei. Einen französischen Staatsbürger abzuschieben, das sei nicht möglich.

„Ich bin davon ausgegangen, dass es sich um einen Asylbewerber handelt“, sagt er. Er habe darstellen wollen, dass die Abschiebehindernisse in Deutschland einfach zu groß seien – daran ändere aus seiner Sicht auch der Umstand nichts, dass es sich im konkreten Fall offenbar um ein streitendes Paar gehandelt habe.