Frankfurt. Der Mann, der einen kleinen Jungen und seine Mutter in Frankfurt vor einen ICE stieß, schweigt zu der Tat. Was bis jetzt bekannt ist.

Zu seinem Motiv sagte er nichts, mit einem Alkoholtest war der Täter einverstanden. Ergebnis: Null Promille. Es gibt auch „keine Anhaltspunkte“ für einen sonstigen Drogeneinfluss. Aber warum hat der Mann am Montag im Frankfurter Hauptbahnhof eine Mutter und ihr Kind vor einen einfahrenden Zug geworfen? Was wir bisher wissen – und was nicht.

Frankfurter Zugunfall: Was wissen wir über den Täter?

Er ist 40 Jahre alt, in Eritrea geboren. Er lebt in der Schweiz, im Kanton Zürich, ist verheiratet und hat drei Kinder. Angeblich hält er sich bereits seit 2006 in Europa auf. Er fuhr schon vor einigen Tagen mit dem Zug von Basel nach Deutschland. Was er in Frankfurt wollte, ist unklar.

Wie die Schweizer Polizei twitterte, hatte der Mann eine sogenannte Niederlassungsbewilligung. Diese wird Ausländern in der Schweiz nach einem Aufenthalt von fünf oder zehn Jahren im Land ausgestellt. Niedergelassene haben damit laut dem Staatssekretariat für Migration ein unbeschränktes Aufenthaltsrecht.

Was ist über das Motiv des Täters bekannt?

Nichts. Angaben zu seiner Person machte der Mann freiwillig. Kein Wort war ihm jedoch über das Tatmotiv zu entlocken.

Es bleibt das große Rätsel. „Die Tat spricht dafür, dass man an eine psychische Erkrankung denkt“, erklärte die Oberstaatsanwältin Nadja Niesen.

Der Mann wird nun untersucht, letztlich geht es um die Frage, ob er überhaupt schuldfähig ist. Im Laufe des Tages wird er dem Haftrichter vorgeführt. Dem Mann aus Eritrea wird Mord vorgeworfen. Ihm droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Wer sind die Opfer?

Es gibt drei Opfer, zwei Frauen und ein Kind. Das Kind war acht Jahre alt und chancenlos, als der Mann aus Eritrea den Jungen auf das Gleis schubste. Der Junge wurde von einem ICE überrollt und starb am Unglücksort. Seine Mutter konnte sich auf einen Fußweg zwischen zwei Gleisen rollen. Sie überlebte und steht unter Schock.

Mutter und Kind kommen aus dem Hochtaunus-Kreis. Mehr wollten die Ermittler zunächst nicht über die Opfer verraten. Das dritte Opfer, eine 78 Jahre alte Frau, konnte sich wehren – sie erlitt nur leichte Verletzungen an der Schulter. Auch sie steht unter Schock.

Die Tat wurde von mehreren Menschen beobachtet und auch auf Video festgehalten. Ein Polizeibeamter, der privat zufällig vor Ort war, nahm die Verfolgung des Täters auf und ihn in der Nähe des Hauptbahnhofes fest.

Gibt es Zusammenhänge zu anderen Taten?

Bislang gibt es „keinerlei Anhaltspunkte“ für Verbindungen zur Tragödie im hessischen Wächtersbach. Dort war in der vergangenen Woche ein Landsmann des Täters, ebenfalls ein Mann aus Eritrea, angeschossen worden.

Just die Häufung von Straftaten in den letzten Wochen hat in Berlin Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) veranlasst, seinen Urlaub zu unterbrechen und sich mit den Chefs der Sicherheitsbehörden zu beraten.

Zuletzt hatte es auch Drohungen gegen Vertreter der Linkspartei gehen, Bombendrohungen gegen Moscheen sowie eben den rassistisch motivierten Angriff auf einen Eritreer im hessischen Wächtersbach.

Wie laufen die Ermittlungen?

Sie stehen erst am Anfang. Erst mal werden alle Beweise ausgewertet, Zeugen vernommen und Informationen aus der Schweiz geholt. Der Fall ist eindeutig – bis auf das Motiv.

Hundertprozentige Sicherheit an deutschen Bahnhöfen unmöglich

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hält hundertprozentige Sicherheit an deutschen Bahnhöfen für unmöglich: „Wir können keine hundertprozentige Sicherheit herstellen. Wenn sich jemand unauffällig verhält und zur Tat entschlossen ist, dann kann ihn niemand daran hindern.“ Durch mehr Polizisten und intelligente Videoaufklärung auf den Bahnhöfen könne das Sicherheitsgefühl der Reisenden zwar erhöht werden. Auch sei es möglich, auffällige Personen leichter zu identifizieren. Bei vollkommen unauffälligen Tätern greife aber beides nicht.

Wendt sprach sich zudem gegen Vorschläge aus, die 6500 deutschen Bahnhöfe durch bauliche oder technische Maßnahmen an den Bahnsteigen sicherer zu machen. So sei es in den meisten Bahnhöfen aus Platzgründen gar nicht möglich, Reisende erst dann an die Gleise zu lassen, wenn der Zug halte. „Da gibt es gar keine Wartezonen.“ Auch die Idee, nur Menschen mit gültiger Fahrkarte auf den Bahnsteig zu lassen, biete keine große Sicherheit. Wer zur Tat entschlossen sei, würde sich dann vermutlich einfach eine Karte kaufen. Der Einbau von stabilen Sperren, wie es sie teilweise in anderen Ländern gibt, sei wiederum zu teuer und zu aufwendig. „Das ist alles kurzfristig nicht durchführbar“, sagte Wendt.

Wendt äußerte die Erwartung, dass demnächst wieder mehr Bundespolizisten auf den Bahnhöfen präsent seien. Nachdem in den vergangenen Jahren viele Polizeidienststellen an Bahnhöfen teilweise oder ganz geschlossen worden seien, rechne er nun mit der vom Bundesinnenministerium bereits angekündigten Aufstockung der Bundespolizei.