Berlin. War Mann trotz unauffälliger Samenprobe unfruchtbar, standen Ärzte oft vor einem Rätsel. Forscher aus Deutschland haben es nun gelöst.

Unfruchtbar trotz unauffälliger Spermaprobe: Mediziner stehen in diesen Fällen oft vor einem Rätsel. Jetzt haben Forschende aus Deutschland eine Ursache für unerklärliche Unfruchtbarkeit beim Mann entdeckt. Schuld ist in vielen Fällen ein kleiner Defekt.

Jedes sechste Paar kann auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen. In jedem zweiten Fall liegt die Ursache beim Mann. Doch die Suche danach ist oft problematisch. Denn bei vielen unfruchtbaren Männern liefert die Samenanalyse völlig unauffällige Werte: Anzahl, Aussehen und Beweglichkeit der Spermien sind unauffällig.

Die Folgen können weitreichend sein. Denn ohne spezifische Diagnose für die Unfruchtbarkeit gibt es auch keine auf wissenschaftliche Erkenntnisse abgestimmte Kinderwunschbehandlung. Betroffene Paare berichten daher oft von gescheiterten Behandlungsversuchen. „Dies ist frustrierend, zeitaufwändig, teuer und vor allem mit einer wiederholten Behandlung der Frau verbunden“, schreiben die Forschenden in ihrer Studie, die in der Fachzeitschrift „Journal of Clinical Investigation“ erschienen ist.

Unfruchtbarkeit: Forschende hatten schon lange eine Vermutung

Warum aber können Männer trotz scheinbar normaler Samenprobe keine Kinder zeugen? Ein Team aus Münster konnte eigenen Angaben zufolge jetzt eine der Ursachen dafür aufspüren. Dabei habe sich eine Annahme bewahrheitet, die die Reproduktionsmediziner um Prof. Timo Strünker schon lange hatten.

Der Untersuchung zufolge gibt es bei sonst unauffälligen Spermienwerten in vielen Fällen einen fehlerhaften Ionenkanal, kurz „CatSper“, der den Kalziumhaushalt der Spermien reguliert. In der Folge bleiben die Spermien in der Hülle der Eizelle stecken und können diese nicht befruchten.

Bereits vor Jahren hatten die Mediziner nachgewiesen, dass Spermien mithilfe von „CatSper“ Botenstoffe wahrnehmen können, die von der Eizelle ausgeschüttet werden. Diese aktivieren den Ionenkanal, woraufhin Kalzium in den Spermienschwanz einströmt. Das wiederum lässt laut den Angaben dessen Schlagmuster verändern. Eine Voraussetzung dafür, dass sich die Spermien durch die feste Eihülle bohren können.

Schnelltest bringt innerhalb von 60 Minuten eine Ergebnis

Um ihre Vermutung zu belegen, entwickelten die Forschenden einen Test, mit dem sie die Aktivität von „CatSper“ in Spermien bestimmen konnten. Sie führten diesen bei fast 2300 Männern durch, die trotz unauffälliger Probe keine Kinder zeugen konnten. Dabei stellte sich heraus: Etwa jeder hundertste unfruchtbare Mann mit unauffälliger Samenprobe wies einen Funktionsverlust von „CatSper“ auf.

Eine defekte Funktion des Ionenkanals und die daraus resultierende fehlende Hyperaktivierung sei damit nach bisherigem Kenntnisstand die häufigste Ursache für eine ungeklärte männliche Unfruchtbarkeit. Genetische Veränderungen, die eine der Komponenten des Ionenkanals betreffen, seien oft der Auslöser, sagt Reproduktionsgenetiker Prof. Frank Tüttelmann laut Mitteilung der Uni Münster.

 Schlagmuster eines Spermiums vor (l.) und nach (r.) „CatSper“-Aktivierung.
 Schlagmuster eines Spermiums vor (l.) und nach (r.) „CatSper“-Aktivierung. © Uni Münster/AG Strünker | Uni Münster/AG Strünker

Deshalb scheitern bei „CatSper“-bedingter Unfruchtbarkeit auch einige Kinderwunschbehandlungen: die Insemination zum Beispiel, also das Einbringen der Spermien direkt in die Gebärmutter unmittelbar vor dem Eisprung, oder auch die klassische In-vitro-Fertilisation, also die Befruchtung der Eizelle im Reagenzglas. „Bei beiden Methoden müssen die Spermien die Eizelle nämlich selbstständig befruchten“, so Timo Strünker. Betroffenen Männern oder Paaren konnte der Kinderwunsch, wie die Studie zeigt, nur mit der sogenannten ICSI-Methode erfüllt werden, bei der ein Spermium direkt in die Eizelle injiziert wird.

Unfruchtbarkeit beim Mann: Unnötige Behandlungen vermeiden

„Wir halten den CatSper-Activity-Test für relativ einfach und nützlich; er könnte zusammen mit der Samenanalyse durchgeführt werden, um Patienten mit defekter CatSper-Funktion zu identifizieren“, heiß es in der Studie. „Es ist nur ein winziger Teil einer Samenprobe notwendig, so Timo Strünker auf Anfrage.

Die Kosten seien überschaubar, „so im Bereich von 100 Euro, um mal eine Größenordnung zu nennen“, so der Mediziner weiter. Das Testergebnis liege in 60 Minuten vor. „Ist der Test positiv, sprich zeigt er an, dass CatSper defekt ist, dann ist das der Anlass für eine weiterführende genetische Diagnostik, um das Ergebnis abzusichern und auch die Ursache zu klären.“

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„Unsere Studie ermöglicht, künftig eine CatSper-bedingte Unfruchtbarkeit frühzeitig zu erkennen und eine evidenzbasierte Auswahl der notwendigen Kinderwunschbehandlung zu treffen“, resümiert Prof. Dr. Sabine Kliesch, Chefärztin der Abteilung für Klinische und Operative Andrologie des CeRA. „Damit können wir für die Paare das medizinische Risiko minimieren und gleichzeitig die Erfolgsaussichten maximieren.“

Wenn eine „CatSper“-bedingte Unfruchtbarkeit beim Mann frühzeitig nachgewiesen wird und so Kinderwunschbehandlungen, die eigentlich zum Scheitern verurteilt sind, vermieden werden können, hat das auch wirtschaftliche Vorteile. Timo Strünker: „Das kann den Paaren Kosten im vierstelligen Bereich sparen“, sagt Strünker.