Erfurt. Die Nutzung von Krankenkassendaten kann zu einer Verringerung der Kranken- und Todesfälle führen. Das geht aus einer Barmer-Modellrechnung hervor.

Wer soll zuerst gegen das Corona-Virus geimpft werden? Um Risikogruppen zu schützen und den Anstieg der Neuinfektionen zu bremsen, legte die Coronavirus-Impfverordnung eine Impfreihenfolge fest. Aktuelles zur Corona-Pandemie in Thüringen lesen Sie in unserem Blog

Die dafür definierten vier Bevölkerungsgruppen sind dem Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg) aber noch zu ungenau. Die Wissenschaftler entwickelten eine eigene Impfstrategie, nach der sich schwere Covid-19-Verläufe und Todesfälle besser verhindern lassen sollen.

Impfbereitschaft in Thüringen deutlich gestiegen

Robert-Koch-Institut (RKI) und Ständiger Impfkommission (Stiko) gehen bei ihren Empfehlungen von knapp 20 relevanten Vorerkrankungen aus, die nach derzeitiger Studienlage Einfluss auf Covid-19-Verläufe haben.

Laut bifg sind in der Krankheitsliste aber keineswegs schon alle relevanten Vorerkrankungen erfasst. Statt dessen setzt das Berechnungsmodell der Gesundheitsforscher auf den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich, kurz Morbi-RSA. In der Klassifikation des Morbi-RSA wird nach 360 Krankheiten bzw. 495 Krankheitsgruppen sowie 40 Alters- und Geschlechtsgruppen unterschieden.

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Für das Barmer-Modell wurden personenbezogene Alters-, Diagnose- und Medikationsdaten aller Versicherten aus dem Jahr 2019 mit wiederum konkreten Covid-19-Verläufen in diesem Jahr verglichen. In die Statistik sei zudem medizinische Expertise aus Befragungen von Fachleuten eingeflossen. So ließ sich eine deutlich feinere Zuordnung von 66 Vorerkrankungen zu schweren Krankheitsverläufen herstellen.

Personenbezogene Daten sind tabu

Beim bifg ist man sich sicher, das sich mit dem Modell nicht nur das Hospitalisierungs-, Beatmungs- und Sterberisiko verringern lässt. Die Berechnungen könnten angesichts knapper Impfstoffe auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Impfstrategie und zur Erreichung der Impfziele insgesamt leisten.

Todesraten ließen sich mit weniger Impfstoff reduzieren. Das Problem: personenbezogene Daten sind bislang tabu. Es brauche also eine gesellschaftliche Übereinkunft darüber, dass die Krankenkassen nach dem vorgestellten Modell hochgradig gefährdete Gruppen identifizieren und diese Daten an die Impfzentren weitergeben dürfen. Letztere müssten dann die Betreffenden in der entsprechenden Reihenfolge einladen.

Die bifg-Forscher wollen ihr Modell nicht als Kritik an RKI und Stiko, sondern als optimierende Ergänzung verstanden wissen. In Deutschland gibt es über 100 gesetzliche Krankenkassen. Aktuell bilden deren Daten die Grundlage für die Versendung der Berechtigungsscheine für FFP-2-Masken an Risikogruppen. Um andere Kassen auch beim Impfmodell mit ins Boot zu holen, wurden die Algorithmen frei verfügbar ins Internet gestellt.