Pößneck/Erfurt. Nach dem ersten bestätigten Coronavirus-Fall in Thüringen ergreifen Behörden nötige Maßnahmen. Vereinzelt gibt es Hamsterkäufe aber keine Panik.

Die Coronavirus-Epidemie hat Thüringen erreicht: Am Montagabend um 21.46 Uhr bestätigte das Thüringer Gesundheitsministerium den ersten nachgewiesenen Fall im Freistaat. Dabei handelt es sich um einen 57-jährigen Mann, der sich offenbar Anfang Februar bei Ski-Ferien in Italien infiziert hat. Der Mann wird derzeit in einem Saalfelder Krankenhaus behandelt.

Das Gesundheitsamt des Saale-Orla-Kreises hat mit Vorsichtsmaßnahmen begonnen. Dazu gehört die Ermittlung möglicher Kontaktpersonen. Da zu ihnen auch zwei Personen aus dem Gymnasium „Am Weißen Turm“ in Pößneck zählen, hat der Krisenstab des Landkreises vorsorglich eine Schließung dieser Schule bis einschließlich Freitag angeordnet. Davon betroffen sind nach Angaben von Sprecherin Mandy Käßner 511 Schüler. Eine Notbetreuung für die Jüngsten sei gegeben.

Landratsamt richtet Bürgertelefon ein

Zusätzlich hat das Landratsamt in Schleiz ein Bürgertelefon unter der Nummer 03663/488 888 geschaltet, an das sich Bürger mit ihren Fragen und Sorgen wenden können. Der Krisenstab des Saale-Orla-Kreises hat ferner verfügt, bis auf Weiteres in diesem Landkreis alle öffentlichen Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmern abzusagen. Das betreffe Kulturveranstaltungen ebenso wie Tagungen oder Jahreshauptversammlungen etwa von Feuerwehren oder Jägern.

„Es geht um unser aller Sicherheit“, sagt Landrat Thomas Fügmann (CDU) und appelliert an die Vernunft jedes Einzelnen, „die Gefahr der Ansteckung soweit wie möglich zu minimieren“.

Abgesagt wurden am Dienstagnachmittag in Abstimmung mit dem Thüringer Fußballverband alle für das kommende Wochenende angesetzten Fußballspiele im Saale-Orla-Kreis sowie solche unter Beteiligung von Mannschaften und Schiedsrichtern aus der betroffenen Region. Der Pößnecker Schwimmverein TC submarin stellte das Training ein. „Wir wollen kein Risiko für unsere Mitglieder eingehen“, teilt der Vorstand mit.

Erste Hamsterkäufe, aber keine Panik

Wegen der Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Corona-Virus haben einige Betriebe ihre Teilnahme am Tag der Berufe in Mittelthüringen, der am heutigen Mittwoch stattfinden sollte, abgesagt. Die Agentur für Arbeit bittet die angemeldeten Schüler, in ihre E-Mails zu schauen und zu prüfen, ob der geplante Betriebsbesuch stattfinden kann oder nicht.

Dem Thüringer Handelsverband zufolge gibt es bislang keine spürbaren Auswirkungen des Coronavirus auf den Konsum in Deutschland, wie Geschäftsführer Knut Bernsen sagt. Es habe in bestimmten Teilsegmenten des Angebotes eine leicht erhöhte Nachfrage gegeben, die aber nicht zu leeren Regalen geführt habe. Stichprobenartige Recherchen von Reportern dieser Zeitung haben indes zum Teil ein anderes Bild ergeben: Vor allem Mehl, Zucker, Nudeln, Getreideflocken und Toilettenpapier waren demnach an einzelnen Orten so gut wie ausverkauft. Teils hatten sich auch die Regale mit Konservendosen und die Kühltruhen merklich geleert. So waren in Erfurt am Dienstag einfache Fertiggerichte in einigen Märkten nahezu vollständig ausverkauft. In anderen Läden sind Engpässe hingegen nicht zu beobachten.

Allerdings, so Bernsen, müsse man abwarten, ob die weitere Verbreitung des Virus in immer mehr Bundesländern die Konsumstimmung in der ganzen Bundesrepublik beeinflusst. Bei dem einen oder anderen Produkt kann es nach Einschätzung von Bernsen bei sich weiter ausdehnenden Quarantänezonen in den Lieferländern kurzfristig zu Engpässen kommen. „Grundsätzlich sind jedoch die Lieferstrukturen im Handel effizient und gut vorbereitet, so dass die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet ist“, versichert der Verbandschef.

In einigen größeren Warenhäusern bittet die Geschäftsleitung die Kunden derweil per Aufsteller um Geduld, weil Desinfektionsmittel ausverkauft seien und man auf die Nachbestellung warte. Entsprechende Hinweise finden die Thüringer auch an den Schaufenstern und Eingangstüren nahezu aller Apotheken. „Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel sind derzeit ausverkauft“, heißt es auf den Aushängen.

Arztpraxen und Krankenhäuser berichten von Diebstählen

Inzwischen gibt es erste Berichte, wonach es in Arztpraxen und Krankenhäusern zum Diebstahl von Schutzmasken oder Spendern mit Desinfektionsmittel kommt. In einer Klinik im Weimarer Land beispielsweise wurde eine ältere Besucherin dabei ertappt, wie sie aus einem Spender in der Eingangszone Desinfektionsmittel in eine mitgebrachte Flasche abfüllte.

Apotheker Lutz Gebert, Inhaber der Osterland-Apotheke in Schmölln, hält die Lage noch nicht für dramatisch. Gängige Desinfektionsmittel beruhten auf dem Propanol- oder auf Ethanol-Basis, zu finden letztlich auch im Schnaps. In einer Konzentration von etwa 70 Prozent wirkten sie gegen die meisten Viren desinfizierend, darunter auch gegen Corona. Apotheken könnten sie leicht herstellen – sofern sie noch an die Ausgangsstoffe kämen. Diese seien momentan allerdings auch vergriffen. Kürzlich seien neue Herstellvorschriften für Desinfektionsmittel erlassen worden, basierend unter anderem Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Bisher ist allerdings nicht abschließend geklärt, ob diese in den Apotheken hergestellten Mischungen unter das Arzneimittelrecht fallen oder der Biozidverordnung unterliegen, dann müssten sie erst als Biozide zugelassen werden. „Die Biozidverordnung wurde eigentlich vor einem Dreivierteljahr EU-weit verschärft. Geregelt ist dort, welche Stoffe als Desinfektionsmittel genommen werden dürfen. Demnach gibt es Propanol mit und ohne Biozidsiegel. Wegen des aktuellen Notstandes steht nun auch wieder die Verwendung von Propanol ohne Biozid-Siegel zur Diskussion. Eine amtliche Freigabe ist allerdings noch nicht erfolgt“, so Gebert. Wie viele Thüringer Apotheken dies nutzen, ist derzeit nicht bekannt.

Gründliches Händewaschen reicht zur Vorbeugung

Wer aktuell kein Desinfektionsmittel verfügbar habe, müsse aber nicht auf den guten Whiskey zurückgreifen, so Gebert. „Gründliches Händewaschen mit Seife hilft. Gründlich heißt aber auch, zwischen den Fingern und mit einer Einwirkzeit von 20 bis 30 Sekunden zu reinigen. Leider macht das kaum jemand“, sagt Gebert.

Der Apotheker rechnet aber fest damit, dass auch die Industrie die Produktion schnell hochfahren wird. Tatsächlich eng wird es derzeit bei Atemmasken, die wirklich schützen. Hier empfiehlt der Fachmann, das, was noch da ist, medizinischem Personal und Infizierten vorzubehalten, die den Schutz dringend bräuchten.