Jena. Der 10. Oktober ist in diesem Jahr Welthospiztag. Ein Tag, um die Einrichtungen, ihre ehrenamtlichen Helfer und die wichtige soziale Aufgabe mehr ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.

Lutz Hempel sitzt in der geräumigen Wohnküche des Jenaer Hospizes, verfolgt die Mittagsvorbereitungen, genießt die Geschäftigkeit an diesem zentralen Ort der Einrichtung. Der 67-Jährige hat eine unheilbare Lungenkrankheit, das Atmen fällt ihm schwer. Er hat gute und schlechte Tage. „Laut Prognose der Ärzte müsste ich längst tot sein. Aber ich bleib gern noch ein bisschen auf dieser Welt“, sagt der Mann aus Gera, der seit Januar in der Einrichtung ist. Damit ist er der Gast mit der längsten Aufenthaltsdauer. Der Durchschnitt liegt bei 21 Tagen, die kürzeste Verweildauer in Jena bei zwei Stunden. Der Tod ist hier allgegenwärtig, aber nicht alles bestimmend. Dafür sorgt ein professionelles und sympathisches Team aus Pflegefachkräften, Köchen, Psychologen, Leitung, Hausmeister und Reinigungskräften.

Blick in einen grünen Innenhof, der 2019 eröffneten Einrichtung.
Blick in einen grünen Innenhof, der 2019 eröffneten Einrichtung. © Ulrike Kern | Ulrike Kern

Das neue ebenerdige Gebäude in Jena-Lobeda, das umgeben ist von Hochhäusern, ist eine Oase mit großem Garten, mit liebevoll bepflanzten Innenhöfen, hellen Räumen, mit farbenfrohen Bildern an den Wänden, zwei Hauskatzen, die durch die Gänge tigern und wohlriechenden Düften in der Luft. Alles sei hier darauf ausgerichtet, ein letztes liebevolles Zuhause für schwerkranke und sterbende Menschen zu sein, erklärt die Geschäftsführerin Christiane Klimsch. Zwölf Betten stehen im stationären Bereich zur Verfügung – alles Einzelzimmer mit Zustellbett für Angehörige und Zugang zur eigenen Terrasse, auf die sogar das Patientenbett problemlos gefahren werden kann.

Letzte Wünsche sollen erfüllt werden

Anders als in einem Krankenhaus oder Pflegeheim geht es im Hospiz nicht um Heilung, sondern um Schmerzlinderung und Sterbebegleitung. Wer hierher einzieht, dem soll in den verbleibenden Augenblicken seines Lebens noch eine schöne Zeit geschenkt und letzte Wünsche erfüllt werden. „Manchmal ist es ein letzter Blick von oben auf die Stadt, ein Besuch im Café, ein besonderes Essen oder eine letzte Fahrt in die eigene Wohnung“, erzählt die Geschäftsführerin. Oft werde auch der Wünschewagen genutzt. Das gehe nur mit einem spezialisierten und engagierten Team, mit 150 ehrenamtlichen, speziell ausgebildeten Helfern und mit Spenden. Um die anspruchsvolle Arbeit zwischen Leben und Tod und die nötige Unterstützung von außen immer wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, wird jedes Jahr seit 2006 der Welthospiztag begangen – dieses Jahr am heutigen Sonnabend. Allerdings können aufgrund der Pandemie keine Aktionen oder Veranstaltungen durchgeführt werden, daran erinnern, welcher Verantwortung und Herausforderung sich alle Mitarbeiter im Umgang mit zum Teil auch jungen Sterbenden jeden Tag stellen, kann man dennoch.

Schicksale nicht mit nach Hause tragen

„Jeder, der hier arbeitet, ist mit ganzem Herz dabei“, lässt Christiane Klimsch nichts auf ihre Kollegen kommen und erzählt, dass das Team die größte Stütze ist, um den Tod zu akzeptieren, zu verarbeiten und die Schicksale nicht mit nach Hause zu tragen. „Es wird bei uns viel geweint, aber auch gelacht, gekocht, gefeiert, gelebt.“ Es gibt Bastelnachmittag, Kino- oder Spieleabende. Sogar Disco gab es schon und Lagerfeuer im Garten sowieso. Und Rituale. Wenn ein Gast verstirbt, wird für ihn eine Kerze am Eingang angezündet, er in seiner Kleidung und mit kleinen Symbolen im Bett aufgebahrt, so dass ein würdiger Abschied möglich ist. Der Name wird auf ein Holzherz geschrieben und später im Beisein der Angehörigen in einer Feuerschale verbrannt.

Getreu dem Jahresmotto „Heimat erleben“ bringt die OTZ in diesem Jahr einen besonderen Jena-Kalender für  2021 heraus: Vom Benefizprojekt profitiert das stationäre Hospiz in Lobeda. Die Fotos sind vom stellvertretenden Chefredakteur der OTZ, Tino Zippel.
Getreu dem Jahresmotto „Heimat erleben“ bringt die OTZ in diesem Jahr einen besonderen Jena-Kalender für 2021 heraus: Vom Benefizprojekt profitiert das stationäre Hospiz in Lobeda. Die Fotos sind vom stellvertretenden Chefredakteur der OTZ, Tino Zippel. © Tino Zippel Jena | Tino Zippel

Das Haus, das als stationäres Hospiz im Februar 2019 eröffnet wurde und auch den Ambulanten Hospiz- und Palliativdienst unter seinem Dach beherbergt, hat sein Einzugsgebiet in ganz Ostthüringen und ist entsprechend in der Region das einzige. Erst westlich von Jena nimmt die Dichte der Einrichtungen zu. Wer in ein Hospiz aufgenommen wird, ist genau geregelt und bedingt eine Arztverordnung. Anschließend prüft die Krankenkasse den Antrag und übernimmt 95 Prozent der Kosten. Die restlichen fünf Prozent muss der Hospizträger selbst über Spenden finanzieren. „Das sind 540 Euro pro Monat und Gast. Insgesamt 90.000 Euro pro Jahr, die wie einwerben müssen“, erklärt die Geschäftsführerin. Sie ist jenen Jenaer Firmen, Bürgern und Angehörigen unendlich dankbar, die den Förderverein oder die Stiftung finanziell unterstützen oder selbst ehrenamtliche helfen. Auch die OTZ unterstützt mit dem Jahreskalender „Heimat erleben“ für 2021 das stationäre Jenaer Hospiz. Der Kalender mit Landschafts- und Stadtaufnahmen von Jena – aufgenommen von dem stellvertretenden OTZ-Chefredakteur Tino Zippel – ist im Pressehaus Jena erhältlich. Zwei Euro des Erlöses pro Kalender gehen an das Hospiz. Alle Aufnahmen sind außerdem vom 26. Oktober bis zum 7. November 2020 in einer Ausstellung in der Goethe Galerie in Jena zu sehen. Die gezeigten Bilder, ausbelichtet auf Alu-Dibond, werden danach meistbietend und ebenfalls zugunsten des Jenaer Hospizes versteigert.

Bestimmungen zur Unterbringung

  • Es werden nur Menschen aufgenommen, die an einer schweren und unheilbaren sowie weit fortgeschrittenen Krankheit leiden.
  • Es darf keinerlei Bedarf mehr an einer Krankenhausbehandlung vorliegen und darüber hinaus keine Möglichkeit der ambulanten Versorgung im eigenen Haushalt oder bei der Familie.
  • In einem Hospiz aufgenommen werden kann der Patient nur durch eine ärztliche Verordnung des behandelnden Arztes. Aufgrund dieser Verordnung wird dann der Antrag gestellt. Ansprechpartner dafür sind die gesetzlichen Krankenkassen oder Pflegekassen.
  • Bevor die Aufnahme im Hospiz stattfinden kann, sollte die Erklärung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse vorliegen. Da hier im Normalfall die Zeit drängt, sind die gesetzlichen Krankenkassen darum bestrebt, die Bearbeitungszeit so kurz wie möglich zu halten, so dass eine schnelle Aufnahme in einem stationären Hospiz erfolgen kann.

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