Berlin. Vier von zehn Frauen finden laut einer Studie masturbieren schöner als Sex mit einem Mann. Warum das so ist und was es bedeutet.

Diese Antwort dürfte so manchen Mann verstören: Auf die Frage, ob sie masturbieren oder mit ihrem Partner schöner finden, antworteten vier von zehn deutschen Frauen schlicht: masturbieren. Das hat der japanische Sextoy-Hersteller Tenga in seinem jährlichen Lustreport herausgefunden, der am 6. Mai veröffentlicht wird und unserer Redaktion exklusiv vorliegt.

In Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut PSB befragte Tenga mehr als 10.000 Männer und Frauen in neun Ländern zum Thema Sex und Masturbation. Die Forscher fanden heraus, dass annähernd jeder Erwachsene in Deutschland masturbiert oder schon einmal masturbiert hat (89 Prozent).

Im „Tenga-Lustreport 2019“: Masturbation als Stresskiller

Außerdem interessant: Das Thema Masturbation, bisher eigentlich eines der letzten Tabus, scheint die Schmuddelecke zu verlassen. Die Forscher ließen die Deutschen unterschiedliche Methoden der Stressbewältigung gewichten, hier landet Masturbation als Stresskiller auf Platz 6, noch vor Sport oder Bücher lesen. Laut Lustreport zählt für die Hälfte aller Befragten Selbstbefriedigung zu ihrer persönlichen „Self-Care“ – oder gar als eine Form von Therapie.

Self-Care, zu Deutsch Selbstfürsorge, nennen Psychologen den sorgsamen Umgang mit den eigenen Bedürfnissen, Gefühlen und Ressourcen. Ein absoluter Trend-Begriff, unter dem Hashtag #selfcare findet man allein auf Instagram mehr als 14 Millionen Postings – meist inklusive Schaumbad- oder Schokoladen-Foto. Und jetzt also Masturbation?

Self-Care: Darum ist Selbstbefriedigung wie Therapie

Dass für die Deutschen Selbstbefriedung tatsächlich unter „Self-Care“ falle, sei neu, sagt Volker Wittkamp. Der Urologe hat das Aufklärungsbuch „Fit im Schritt“ geschrieben und hat die Tenga-Forscher bei ihrer Studie beraten. „In unserer schnelllebigen Zeit ist es für viele Menschen wieder wichtiger geworden, sich Zeit für sich zu nehmen“, erklärt Wittkamp das Phänomen.

Trends wie Yoga und Meditation würden dabei helfen, die eigenen Bedürfnisse bewusster wahrzunehmen und sich dann auch nach ihnen zu richten, statt sie in den Hintergrund zu drängen. „Deshalb finde ich es nur konsequent, dass Masturbation auch als „sich Zeit nehmen für die eigenen Bedürfnisse“ gesehen wird“, sagt er.

Deshalb macht Solo-Sex mehr Spaß

Doch warum haben ausgerechnet Frauen beim Solo-Sex mehr Spaß als mit dem Partner? Schließlich kamen diverse Sex-Studien bisher zu dem Schluss, dass Frauen nicht annähernd so viel masturbieren wie Männer. Bei einer You.gov Umfrage von 2016 gaben immerhin fast ein Viertel der Frauen an, das nie zu tun. Demnach sehen Frauen Selbstbefriedigung eher als „Ersatzsexualität“. Der Tenga-Report zeigt jedoch: Stimmt alles nicht. Es ist gerade andersherum: Mehr Frauen in Beziehungen (84 Prozent) praktizieren Selbstbefriedung als Männer (78 Prozent).

„Dass Frauen Selbstbefriedigung schöner finden als Sex, überrascht mich nicht wirklich“, sagt Sheila de Liz. Die Gynäkologin will Frauen über ihren Körper und ihre Sexualität aufklären und hat das Buch „Unverschämt – Alles über den fabelhaften weiblichen Körper“ geschrieben.

Eine Gynäkologin klärt auf: Das muss jede Frau wissen

„Selbstbefriedung ist unkompliziert und frei von der Psychodynamik, die mit Sex einhergehen kann“, sagt sie. „Außerdem kann Sex wirklich zeitraubend sein – das meine ich im Ernst“. Man sei müde, wolle vielleicht „nicht soviel Gymnastik“ haben und eventuell Diskussionen mit dem Partner vermeiden. „Außerdem muss man nicht kommen, wenn man merkt, dass es an dem Tag aus welchen Gründen auch immer nicht klappt – da kann man einfach abbrechen ohne jemandem Rechenschaft abzulegen, oder sich schuldig zu fühlen weil der andere sich doch so viel Mühe gegeben hat“, sagt die Gynäkologin. Und das kommt schließlich öfter vor, als manch ein Mann vielleicht denkt. Im Tenga-Report berichten fast die Hälfte der Frauen, die Solo-Sex praktizieren, dass sie nicht immer dabei zum Orgasmus kommen.

Orgasmus ist selten beim Sex mit dem Partner

Allerdings sei ein Orgasmus beim Sex mit dem Partner für die meisten Frauen noch seltener – zumindest, wenn es um den reinen Geschlechtsverkehr gehe, sagt Sheila de Liz. „Nur 20 bis 30 Prozent der Frauen können ohne zusätzliche Stimulation beim herkömmlichen vaginalen Sex zum Höhepunkt kommen“, sagt die Expertin. Wenn der Mann also eher penetrativen Sex bevorzugt, sei das Ganze für die Frau nicht so befriedigend – kein Wunder also, wenn sie dann auf Solo-Sex setzt.

Ein Akt, der auch für Frauen dringend enttabuisiert werden müsse, findet die Gynäkologin. „Selbstbefriedung ist auch für Frauen super wichtig – das baut Stress ab, entspannt, und lässt einen seine eigene Sexualität erkunden“, sagt de Liz. „Frauen erleben sich so als sexuelles Wesen“, sagt sie. Das sei sehr wichtig, weil es konträr zu dem stehe, was unsere Kultur im Subtext für Frauen bereithalte: „Eine Sexualität, die angewiesen ist auf dem Mann, und die dafür da ist, den „eheliche Pflichten“ nachzukommen“.