Erfurt. Die 5. Thüringer Gesundheitskonferenz in Weimar fordert ein patientenorientiertes Gesundheitssystem.

Mehr als der Hälfte der Thüringer fällt es schwer, gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und umzusetzen. Das geht aus einer Studie des Nationalen Aktionsplanes Gesundheitskompetenz (NAG) hervor, den die Bielefelder Professorin und Aktionssprecherin Doris Schaeffer am Donnerstag bei der 5. Thüringer Gesundheitskonferenz in Weimar vorgestellt hat.

In eindringlichen Worten mahnte die Expertin einen grundlegenden Wandel hin zu einem patientenorientierten Gesundheitswesen an. Vor allem ältere und beeinträchtigte Menschen fänden sich in der unübersichtlichen Versorgungslandschaft kaum zurecht, verstünden Beipackzettel von Medikamenten und Therapieanweisungen nicht oder hätten Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, die ihrer Gesundheit förderlich sind.

Neben dem Alter spielten dabei Faktoren wie geringe Bildung, niedriger Sozialstatus, Migrationshintergrund und vorhandene chronische Krankheiten eine große Rolle. „Es besteht kein Mangel an Informationen, sondern an deren Verständlichkeit und Nutzbarkeit“, so Schaeffer. Der Wandel zum aufgeklärten und mündigen Patienten, von dem oft die Rede sei, habe sich in der Realität breitenwirksam nicht durchgesetzt.

Im Dschungel von mittlerweile 1,2 Millionen Apps fänden sich auch Ärzte kaum zurecht, sagte Schaeffer. So täten sich Patienten nach wie vor schwer damit, ob sie eine Zweitmeinung einholen sollten oder nicht, welchen Krankheitsinformationen aus dem Internet oder den Medien sie trauen können oder was die Vor- und Nachteile verschiedener Behandlungsmöglichkeiten sind. Vor allem für Schwerkranke bleibe der Haus- oder Facharzt die entscheidende Autorität. Umso wichtiger sei eine zielgruppenorientierte und altersgerechte Kommunikation.

Konkret nannte Schaefer das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), mit dessen gut gemeinten Gesundheitsinformationen viele Menschen nichts anfangen können. Internetportale oder bedrucktes Papier allein reichen nicht aus. „Nötig sind vor allem praktische mündliche Beratungen und Erklärungen in Praxen und Kliniken“, sagte die Wissenschaftlerin.

Im Rahmen eines Modellprojektes habe der NAG versucht, Pflegeberater vor Ort in Hausarztpraxen einzusetzen. Allerdings sei das Projekt am starren Bereichsdenken in Deutschland gescheitert.

Die Thüringer Gesundheitskonferenz startete 2015 mit dem Ziel, möglichst viele Akteure im Gesundheitswesen miteinander zu vernetzen. Inzwischen gehören ihr fast 80 Ärztevertretungen, Krankenkassen, Gesundheits- und Sozialverbände sowie Patientenorganisationen an.

Das Hauptthema in diesem Jahr ist die Gesundheitskompetenz. Individuelles Gesundheitswissen und -handeln dürfe nicht von Bildung, Herkunft, Alter oder sozialem Status abhängig sein, sagte Thüringens amtierende Gesundheitsministerin Heike Werner (Die Linke) in Weimar. „Es ist an uns, zielgruppenspezifische Angebote, verständliche Informationen und echte Orientierungshilfen in unserem Gesundheitssystem zu schaffen und alle Personengruppen einzubeziehen“, so Werner.

Laut Constanze Rossmann, Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin an der Universität Erfurt, muss es dabei auch um die Förderung von Medienkompetenzen gehen, welche die Menschen befähigen, Gesundheitsinformationen kritisch zu hinterfragen und sich so vor negativen Medieneffekten zu schützen.

Einer von vier Workshops in Weimar widmete sich der leichten Sprache und fand auch in Derselben statt. Jahresthema 2020 wird die „Psychische Gesundheit“ sein.