Erfurt. Thüringens KV-Chefin Annette Rommel über Zumutungen und Herausforderungen.

Seit Monaten operiert das Gesundheitswesen wegen der Corona-Pandemie im Ausnahmezustand. Die Corona-Pandemie fordert alle Bereiche.

Gestritten wird immer mal wieder, ob Kliniken oder niedergelassene Ärzte die Hauptlast bei der Pandemiebekämpfung tragen. Die Grünen fügen dem nun noch eine weitere Note hinzu. Im neuen Grundsatzprogramm beklagen sie nicht nur finanzielle Fehlanreize zulasten des Patientenwohls. Gefordert wird auch eine völlig neue Krankenhausfinanzierung, um stationäre und ambulante Versorgung künftig zusammen denken, planen, finanzieren und durchführen zu können.

Soll also die Behandlung künftig in eher kliniknahen Versorgungszentren stattfinden, wie es viele Krankenhaus-MVZ auch in Thüringen schon vormachen? Braucht es keine Kassenärztliche Vereinigung (KV) mehr, die sich um die Belange der ambulanten Haus- und Fachärzte kümmert?

Thüringens KV-Chefin Annette Rommel widerspricht. "Ich bin überzeugt, dass sowohl der stationäre als auch der ambulante Sektor spezielle Aufgaben haben, wie man auch an der Pandemie deutlich sieht", sagt die praktizierende Landärztin. Es müsse aber mehr Vernetzungen geben, in denen beide Bereiche sektorenübergreifende Aufgaben des anderen übernehmen und auch Pflege und andere Gesundheitsberufe einbezogen werden.

Wichtige Instrumente dafür würden die zunächst freiwillige elektronische Patientenakte (ePA) ab Januar sowie der Dienst Kommunikation im Medizinwesen (KIM).

Den Sektoren-Streit in Sachen Pandemie-Bewältigung hält Rommel für überflüssig. Vorwürfe etwa der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Kliniken hätten in vielen Regionen Aufgaben der Ambulanten übernehmen müssen, seien haltlos. "Kliniken behandeln die Covid-19-Patienten mit schweren Verläufen. Im ambulanten Bereich werden die Menschen diagnostiziert, beobachtet. Hier entscheidet sich, wer wo wie betreut werden muss. Als KV sind wir aktiv eingebunden in die Organisation von Abstrichstellen, Fieberambulanzen, Infektsprechstunden und Corona-Impfungen. Jeder hat seine Aufgabe, das ist hilfreich für alle Beteiligten", sagt die KV-Vertreterin.

In Bayern, wo die KV vom Land aus der Corona-Versorgung rausgehalten werde, funktioniere bei der Koordination von Tests, Laboren und Informationen vieles nicht.

Probleme sieht Rommel insgesamt bei der sektorübergreifenden Administration. Bürokratisches Gewusel müsse dringend abgebaut werden. Schon jetzt sei aber ein Ungleichgewicht zwischen den Sektoren unverkennbar. Über die MVZ dränge der stationäre massiv in den ambulanten Bereich. Die Bedarfsplanung lasse sich so aber nicht abschaffen.

Abgesehen von einigen offenen Augenarzt-, Neurologen und Hautarztstellen könne sich Thüringen mehr Ärzte nicht leisten. Die eine oder andere Zumutung gebe es auch in Sachen Notfallreform, hier verhindere aber gerade die Pandemie den weiteren Fortgang.

"Die Notaufnahme ist nicht die bessere Arztpraxis. Wir müssen auch hier noch enger zusammenarbeiten. Hausärzte sind und bleiben als Diagnostiker, Therapeuten, Psychotherapeuten und sozialer Dienst eine wichtige Schaltstelle im Gesundheitswesen", so die KV-Chefin.

Das sehen auch die Grünen auf Landesebene so. Deren gesundheitspolitische Sprecherin Babette Pfefferlein verweist auf die Vermittlerrolle unter anderem bei der Weiterbildung. "Darauf können wir in Thüringen auf keinen Fall verzichten, ganz im Gegenteil. Wir brauchen diese Strukturen, um weiterhin ambulante und stationäre Versorgung zu vernetzen, gerade im Hinblick auf die Krankenhausstruktur in Thüringen. Zukunftsfähige Konzepte können gar nicht ohne Beteiligung der KV an den Start gehen und wir sind froh, die Vereinigung als stabile Partnerschaft an unserer Seite zu haben. Wir Grüne in Thüringen planen daher auf keinen Fall, die KV abzuschaffen", versichert Pfefferlein.