Erfurt. HNO-Arzt Frank Heinemann über die Ursachen von Hörschäden und deren Behandlung.

Wer schlecht hört, fühlt sich schnell ausgeschlossen, weil er nicht mehr richtig versteht, was sein Gegenüber sagt. Aber auch für Angehörige, Freunde und Kollegen der betroffenen Personen ist deren Schwerhörigkeit anstrengend, weil eine Unterhaltung oft schwierig ist.

Selbst die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Schwerhörigkeit als eines der wesentlichen Probleme der Menschheit bezeichnet, weil das Hören ein maßgeblicher Baustein der sozialen Kommunikation ist, erklärte Frank Heinemann beim TA-Forum Gesundheit mit der Helios-Klinik Blankenhain im MVZ Weimar. „Wenn wir nicht mehr richtig hören können, haben wir es sehr schwer, Informationen aufzunehmen, Gespräche zu führen, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen“, warnt der HNO-Arzt.

Allein in Deutschland sind etwa 25 Millionen der Erwachsenen schwerhörig. Trotzdem benutzen nur etwa 16 Prozent der Schwerhörigen ein Hörgerät. In seinem Vortrag stellte Frank Heinemann Gründe für Hörstörungen sowie Behandlungsmöglichkeiten vor und beantwortete die Fragen der Zuhörer.

Ist die Schwerhörigkeit eine Frage des Alters?

Abgesehen von Verletzungen, Erkrankungen und Infektionen des Ohrs, die auch in jungen Jahren auftreten können – ja. Ab dem 60. Lebensjahr steigt das Risiko der Schwerhörigkeit stetig an, bei den über 70-Jährigen ist bereits jeder Dritte von einer manifesten Hörstörung betroffen. Dabei ist es so, dass meist die tiefen und mittleren Töne besser wahrgenommen werden als die hohen. Männer sind davon übrigens öfter betroffen als Frauen. Man nimmt an, dass es neben genetischen Gründen den früher oft sehr lauten Berufen – etwa auf dem Bau oder in Industriebetrieben – sowie dem Dienst in der Armee geschuldet ist, bei dem auf Gehörschutz nicht groß geachtet wurde.

Welche Gründe für Schwerhörigkeit gibt es?

Wir unterscheiden zwischen der Schallleitungsschwerhörigkeit – dabei wird der Schall auf seinem Weg zum Trommelfell behindert – und der Schallempfindungsschwerhörigkeit. Diese spielt sich im Innenohr ab, dabei liegt das Problem meist bei den Nervenzellen. Bei der Schallleitungsschwerhörigkeit sind oft Entzündungen die Ursache, die den Gehörgang an- und nicht selten zuschwellen lassen.

Diese Entzündungen treten oft nach dem Baden auf, wenn die Haut ausgetrocknet ist – über kleinste Risse können Bakterien in die Haut eindringen. Ohrenschmerzen nach dem Baden sollten zügig von einem Arzt untersucht werden, denn erstens sind sie sehr schmerzhaft und zweitens verläuft die Behandlung schneller, je eher sie begonnen hat.

Die zweite Ursache für Gehörgangsentzündungen ist übertriebene Hygiene: die Menschheit hat Jahrtausende überlebt, ohne zu ertauben, obwohl es noch keine Wattestäbchen gab. Diese Teile bergen die große Gefahr, das Ohr tief im Inneren zu verletzen und so Keimen den Weg zu ebnen. Zudem kann das Ohrenschmalz zu einem Pfropfen zusammengedrückt werden und das Ohr verstopfen. Zur Reinigung der Ohren reicht warmes Wasser aus der Dusche völlig aus. Auch Haarnadeln und dergleichen sind für die Reinigung des Ohres denkbar ungeeignet.

Kann Wasser eine Mittelohrentzündung auslösen?

Nein. Meist ist ein Schnupfen der Grund. Die Keime steigen über die Ohrtrompete empor und vermehren sich im Mittelohr. Diese Entzündung ist sehr schmerzhaft, gerade bei Kindern. Es ist nicht falsch, auch den kleinen Patienten ein leichtes Schmerzmittel zu geben, bevor sie einen Arzt aufsuchen, um die Entzündung zu behandeln.

Ab wann bin ich schwerhörig?

Als schwerhörig gelten Sie ab einer Hörminderung von 10 Dezibel. Ein Hörgerät brauchen Sie aber erst, wenn ihr Sprachverstehen um mindestens 20 Prozent eingeschränkt ist.

Mein Kind steckt sich oft Murmeln ins Ohr. Wie bekomme ich sie wieder heraus?

Überlassen Sie das am besten einem Arzt, der kann die Fremdkörper mit speziellen Instrumenten schnell und unkompliziert entfernen. Mit handelsüblichen Pinzetten, Stricknadeln oder ähnlichen Geräten schieben Sie den Fremdkörper immer weiter in das Ohr hinein und verschlimmern das Ganze nur.

Können Infektionen Hörschäden verursachen?

Ja, Mumps, Masern und Röteln beispielsweise können die sogenannte Schallempfindungsschwerhörigkeit auslösen – Infektionen, die sich durch das Impfen vermeiden lassen. Diese Schwerhörigkeit lässt sich nur mit Hörgeräten ausgleichen.

Kann man durch Medikamente schwerhörig werden?

Ja, so können beispielsweise einige Antibiotika Schädigungen am Innenohr auslösen, ebenso Medikamente der Chemotherapie sowie Wassertabletten gegen Bluthochdruck. Aber auch bestimmte Lösungsmittel in Farben und Verdünnern können in hoher Konzentration das Innenohr schädigen, ebenso Schwermetalle wie Blei, Quecksilber und Arsen sowie Suchtmittel, also Alkohol, Nikotin und harte Drogen wie Kokain.

Wie schädlich sind denn nun die Kopfhörer?

Lärm – Alltagslärm, Straßenlärm, aber auch laute Musik – ist das größte Risiko für Schwerhörigkeit. Eigentlich sollten Kopfhörer so eingestellt sein, dass man die Umgebungsgeräusche noch wahrnimmt. Doch das ist selten der Fall, vor allem bei jüngeren Menschen. Studien zufolge bekommen die Ohrenärzte in den nächsten Jahren viel Arbeit mit der sogenannten Walkman-Generation, benannt nach den tragbaren Musikgeräten.

Wie lässt sich die Schallempfindungsschwerhörigkeit behandeln?

Nur mit Hörgeräten. Leider ist die Hemmschwelle sehr hoch. Da spielt wohl die Eitelkeit eine große Rolle. Zu Unrecht, denn der Nutzen dieser mittlerweile sehr kleinen Geräte sind enorm. Letztlich ist das Hörgerät kein anderes Hilfsmittel wie die Brille als Sehhilfe. Darüber spricht ja heute auch keiner mehr. Hörgeräte sind besser als ihr Ruf.

Soll ich die Hörgeräte auch tragen, wenn ich sie gar nicht brauche? Etwa wenn ich allein bin und lese oder schreibe?

Es macht tatsächlich Sinn, die Geräte tagsüber konstant zu benutzen. Das Hören passiert ja nicht im Ohr, sondern im Gehirn. Wenn das Gehirn aber nichts mehr zu hören bekommt, verlernt es diese Funktion und Sie hören immer schlechter. Von daher sollten sie ihm immer etwas zu hören geben.

Reicht ein Hörgerät?

Wenn Sie auf beiden Ohren schwerhörig sind, nicht. Denn dann können Sie ja nicht räumlich hören und wissen nicht, aus welcher Richtung das jeweilige Geräusch kommt.

Das nächste TA-Forum Gesundheit findet am Dienstag, dem 17. September, um 17 Uhr, im Helios-Klinikum Gotha statt. Axel Sauerbrey, Chefarzt im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Erfurt / Gotha, spricht zum Thema „Vom Baby- bis ins hohe Alter: Wie wichtig ist das Impfen?“ und beantwortet die Fragen der Zuhörer. Der Eintritt ist frei.