Erfurt. Heute ist Weltrheumatag: In der Fachabteilung des Helios-Klinikums Erfurt werden rund 300 kleine Patienten ambulant und stationär behandelt.

Rheuma ist für die meisten Menschen eine typische Alterserkrankung. Doch weit gefehlt: „Schon ab dem ersten Lebensjahr kann das sogenannte Kinderrheuma auftreten“, erklärt Axel Sauerbrey, der Leiter des Thüringer Kinderrheumazentrums am Helios-Klinikum Erfurt anlässlich des heutigen Weltrheumatages. Rund 300 kleine Patienten bis 16 Jahre aus Thüringen und den angrenzenden Bundesländern werden dort ambulant und stationär behandelt. In der Bundesrepublik leben etwa 15.000 Kinder und Jugendliche mit juveniler idiopathischer Arthritis – unter diesem Oberbegriff werden die verschiedenen Formen der chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankung zusammengefasst. Bei etwa 1500 Kindern pro Jahr bricht diese Rheumaerkrankung zum ersten Mal aus – sie ist damit die häufigste chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung bei Kindern.

„Warum Mädchen häufiger betroffen sind als Jungs, ist noch unklar.“Axel Sauerbrey, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin, Helios-Klinikum Erfurt .
„Warum Mädchen häufiger betroffen sind als Jungs, ist noch unklar.“Axel Sauerbrey, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin, Helios-Klinikum Erfurt . © Sandra Oehmer

„Rheuma ist eine Fehlregulation des Immunsystems“, weiß Axel Sauerbrey. „Eigentlich soll das System ja unseren Körper vor Bakterien und Viren schützen. Durch eine Fehlfunktion richtet sich das Immunsystem aber gegen den eigenen Körper, wehrt den eigenen Knorpel ab. Es bilden sich Antikörper und Entzündungszellen, die sich an den Schleimhäuten der Gelenke ansiedeln und Entzündungen auslösen. Im Prinzip können alle Gelenke davon betroffen sein, typischerweise sind bei den kleinen Patienten – vorwiegend Mädchen – weniger als vier Gelenke befallen. Es gibt aber auch Formen der Erkrankung, die sieben oder mehr Gelenke umfasst. Warum Mädchen häufiger betroffen sind als Jungs, ist noch unklar.“ Ein typisches Symptom, so Axel Sauerbrey, sei ein dickes Knie, welches ohne äußere Einflüsse wie Sturz oder Unfall geschwollen sei. „Durch die Entzündung im Gelenk bildet sich Wasser im Knie – es kommt zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.“

Für die Entstehung des Kinderrheumas sind offenbar zwei Komponenten verantwortlich, so der Erfurter Chefarzt: „Zum einen braucht es eine genetische Disposition, also eine entsprechende Veranlagung – aber dann muss noch eine Art Auslöser dazukommen, bei Kindern ist das meist ein Infekt, der das Immunsystem stimuliert. Erst hilft es dem Körper, dann arbeitet es gegen ihn.“

Alterssteif im Kleinkindalter

Um den Schmerz so gering wie möglich zu halten, entwickeln die betroffenen Kinder oft spezielle Abwehrmechanismen, beispielsweise einen ungewöhnlichen Gang, sie humpeln oder stützen sich nicht mit der offenen Hand, sondern mit der Faust ab. Ein weiteres typisches Merkmal, bei dem Eltern aufmerksam werden sollten, ist das zögerliche Aufstehen: „Die kleinen Kinder kommen ungewohnt schwer aus dem Bett, kommen nur langsam in die Gänge – kurz, sie zeigen Merkmale der Alterssteifigkeit wie etwa bei den Großeltern.“

Durch die Schmerzen verringert sich auch die Spiel- und Bewegungsfreude, auch der Appetit kann darunter leiden, hat der Experte beobachtet.

Der Unterschied zu den häufigen, aber oft harmlosen Wachstumsschmerzen liegt in der Schwellung der betroffenen Gelenke oder anderen Entzündungszeichen wie Rötung oder Überwärmung. Zudem treten die Wachstumsschmerzen in aller Regel nur abends oder nachts auf, tagsüber sind die Kinder mobil und aktiv. Behandelt wird das Kinderrheuma mit Medikamenten, die die Entzündung bekämpfen und das Immunsystem wieder auf Kurs bringen.

Damit ließen sich auch gute Erfolge erzielen, so Axel Sauerbrey. „Rheuma im Kindesalter muss nicht chronisch bleiben, es kann auch wieder vergehen. Es muss kein lebenslanger Begleiter sein“, macht der Chefarzt den kleinen Patienten große Hoffnung.

Altersrheuma ist den Experten zufolge kein zwingender Nachfolger des Kinderrheumas. Bei vielen Kindern verliert sich die Erkrankung wieder, so Sauerbrey. Sind die Befunde über einen längeren Zeitraum hinweg in Ordnung, können dann auch die Medikamente wieder abgesetzt werden.