Berlin. Die Deutschen lieben ihr Brot – obwohl es vermeintlich dick macht. Wie gesund oder ungesund Brot wirklich ist, erklären zwei Experten.

Nichts bringt die Deutschen um ihr Brot. Allein im Jahr 2022 kamen hierzulande laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) rund 1.647.000 Tonnen auf den Tisch. Wer aber sein Brot im Supermarkt kauft, könnte in nächster Zeit stutzig werden: Der Nutri-Score wird zum Jahresende hin angepasst.

Die bunte Skala, die auf vielen Verpackungen zu finden ist, wurde im Herbst 2020 eingeführt und soll Verbrauchern helfen, den Nährwert von Lebensmitteln einer Produktgruppe zu vergleichen. Der Score bewertet Lebensmittel unter anderem nach den enthaltenen Ballaststoffen und Eiweißen. Pro 100 Gramm werden jeweils Punkte vergeben. Der Gesamtwert wird auf einer fünfstufigen Skala abgebildet, wobei das dunkelgrüne „A“ den höchsten Nährwert anzeigt und das rote „E“ den niedrigsten.

Viele sogenannte Mischbrote – sie bestehen zum Beispiel aus Weizen- und Roggenmehl – könnten mit der Anpassung des Nutri-Scores schlechter abschneiden als bisher und in der gelben Kategorie „C“ landen. Weißbrote, also solche, die aus Weizenmehl bestehen, könnten sogar noch weiter abrutschen in Richtung „E“. Bei Vollkornbroten soll sich nichts ändern – sie behalten ihr „A“.

Doch lässt sich daraus schließen, dass Weiß- und Mischbrote ihren schlechten Ruf als ungesunde Dickmacher verdient haben?

Vollkornbrot – das macht es so gesund

„Brot an sich gehört zu den Kohlenhydraten, die erstmal gesund und gut sind“, erklärt die Berliner Ernährungsmedizinerin Daniela Kielkowski. Die Empfehlung der einschlägigen Gesundheitsorganisationen: Der Mensch sollte rund 50 Prozent seiner Nahrung in Kohlenhydraten zu sich nehmen. Unterschieden wird in der Ernährungswissenschaft zwischen den komplexen Kohlenhydraten – auch Mehrfachzucker genannt – und den einfachen Kohlenhydraten. Letztere kann der Körper sehr schnell verstoffwechseln und in Leber und Muskeln in Form von Glykogen speichern. Sind die Glykogenspeicher voll, werden Kohlenhydrate jedoch schnell in Fett umgewandelt. Mehrfachzucker werden dagegen langsamer verwertet, halten länger vor und liefern noch dazu wichtige Nähr- und Ballaststoffe.

Der „Nutri-Score“ soll Verbrauchern das Einkaufen erleichtern, indem er anzeigt, wie nahrhaft Lebensmittel derselben Produktkategorie im Vergleich sind.
Der „Nutri-Score“ soll Verbrauchern das Einkaufen erleichtern, indem er anzeigt, wie nahrhaft Lebensmittel derselben Produktkategorie im Vergleich sind. © dpa | Patrick Pleul

Daraus erklärt sich auch, warum eine Brotsorte im Nutri-Score künftig schlechter abschneidet als die andere. „Mischbrote haben einen hohen Weizenanteil und enthalten Weißmehl, das ist Einfachzucker“, so Daniela Kielkowski. „Der lässt den Blutzuckerspiegel schnell ansteigen und der Körper kann davon viel schneller Fett aufbauen, als von Mehrfachzucker, also zum Beispiel von einem guten Vollkornbrot.“ Ob es sich beim Vollkorn um Roggen, Dinkel oder Hafer – nach dem Weizen die beliebtesten Getreidesorten der Deutschen – handelt, ist für den gesunden Menschen zweitrangig. Welche Sorte die gesündeste ist, ist laut Daniela Kielkowski ohnehin nicht bekannt.

Vielmehr macht die Verarbeitung des Getreides die gesundheitsfördernde Wirkung aus. Die Nährstoffe im Getreidekorn sind ungleich verteilt: Im Innern, dem Mehlkörper, sitzen vor allem Kohlenhydrate und Eiweiße. Der Großteil der Ballaststoffe sowie Mikronährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe stecken dagegen in den Randschichten und im Keimling. Beim Vollkornmehl werden diese Schichten mit vermahlen und die Mikronährstoffe bleiben somit erhalten. Der höhere Anteil an Ballaststoffen in Vollkornprodukten fördert unter anderem die Bewegungsfähigkeit des Darms und kann zu einer gesunden Darmflora beitragen.

Gewichtsprobleme: Nicht das Brot ist schuld

Trotz seiner positiven Eigenschaften hält sich hartnäckig die Auffassung, dass Brot dick macht. Uta Peiler, promovierte Ernährungswissenschaftlerin und Ernährungsberaterin, widerspricht. Sie erlebe oft, dass Gewichtsprobleme auf die vermeintlich schlechten Kohlenhydrate geschoben werden. „Dabei löst sich die Kalorienfrage bei einem guten Vollkornbrot fast von alleine – man ist nämlich satt, bevor man dick wird.“

Wie nahrhaft ein Brot ist, hängt vor allem von der Verarbeitung des enthaltenen Getreides ab. So enthält etwa Vollkornbrot mehr Ballast- und Mineralstoffe als Weißbrot.
Wie nahrhaft ein Brot ist, hängt vor allem von der Verarbeitung des enthaltenen Getreides ab. So enthält etwa Vollkornbrot mehr Ballast- und Mineralstoffe als Weißbrot. © dpa-tmn | Zacharie Scheurer

Der Tagesbedarf an Energie liegt bei Frauen bei etwa 2000 Kilokalorien, bei Männern bei rund 2500. Das bedeutet etwa 250 Gramm beziehungsweise 315 Gramm Kohlenhydrate am Tag. Die Rechnung der Expertin: „Wenn eine Frau täglich zwischen 180 und 200 Gramm Kohlenhydrate isst, führt dies nicht zu einer Zunahme.“ Eine Frau sei oft schon satt, wenn sie 100 Gramm Brot, also etwa zwei Scheiben Brot esse. 100 Gramm Vollkornbrot hat nur ungefähr 40 Gramm Kohlenhydrate. „Vollkornbrot führt also nicht zu einer Zunahme, sondern das Weglassen von Brot führt zu Hunger oder Heißhunger auf Süß!“

Vollkornbrot statt Chips: Das empfiehlt die Expertin

Grund für Übergewicht sind Uta Peilers Erfahrung nach eher die Zwischenmahlzeiten und das Snacken: „Ich habe viele Patienten, die die Kohlenhydrate weglassen, aber dann irgendeinen Mist essen, weil sie Hunger haben.“ Die Expertin empfiehlt stattdessen ein gutes Vollkornbrot mit einem fettarmen Belag und rät zum Kompromiss: „Wenn man am Wochenende mal ein helles Brötchen essen möchte, achtet man einfach darauf, dass man eine Scheibe Vollkornbrot dazu nimmt.“

Auch wer sich von Ernährungsmedizinerin Daniela Kielkowski behandeln lässt, darf und soll Brot essen – morgens drei bis vier Scheiben, wie sie selbst auch. Was die Bekömmlichkeit angeht, empfiehlt sie ihren Patienten, einfach auszuprobieren: „Es gibt Menschen, die vertragen das volle Korn – was in Richtung Pumpernickel geht – gar nicht, weil es sehr gärt und dadurch eben auch sehr blähen kann.“ Auch ist der menschliche Darm gar nicht in der Lage, ganze Getreidekörner aufzuspalten, was fein vermahlenes Vollkornbrot für viele am bekömmlichsten macht.

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