Erfurt. Je wertvoller das Erbe, um so eher gibt es Streit. Experten der Notarkammer Thüringen gaben in unserem Leserforum Tipps, wie das zu vermeiden ist.

Wer etwas zu vererben hat, möchte seinen Besitz in die rechten Hände geben. Doch rund um das Erben und Vererben gibt es immer häufiger Streit. Wie man das vermeidet und was man beachten sollte, erklärten die Notare Alexander Beck aus Sondershausen, Oliver Klüglein aus Apolda und Florian Kühne aus Schmalkalden beim Telefonforum unserer Zeitung.

Mein Mann und ich wollen ein gemeinsames Testament aufsetzen. Wenn nun einer von uns verstirbt, könnte der Überlebende beispielsweise den Schlusserben noch ändern?

Sofern dem überlebenden Ehegatten nicht ausdrücklich das Recht zur Änderung eingeräumt wurde, kann er das Testament nicht abändern. Es empfiehlt sich daher, ausdrücklich im Testament entweder eine Abänderungsklausel vorzusehen oder die Abänderbarkeit ausdrücklich auszuschließen. Sie müssten also noch zu Lebzeiten in dem gemeinsamen Testament vermerken, dass die Schlusserben-Einsetzung vom Längstlebenden abänderbar ist.

In unserem Berliner Testament legten mein vor drei Jahren verstorbener Mann und ich fest, dass der Überlebende entscheiden kann, was mit dem Erbe nach seinem Tod geschehen soll. Kann ich das Testament handschriftlich ändern oder ergänzen?

Ja, das ist möglich. Machen Sie dazu die Änderung mit Datum und Ihrer Unterschrift kenntlich. Sollte in dem Erbe auch ein Grundstück enthalten sein, empfiehlt es sich, die Änderungen im Testament mit einem Notar zu besprechen. Bei einem notariellen Testament hätten Sie die Beratung durch einen Notar und würden sich zudem beispielsweise im Grundbuchverfahren einen Erbschein ersparen.

Wir sind verheiratet, eins unser Kinder ist behindert und dauerhaft auf staatliche Leistung angewiesen. Kann der Zugriff eines staatlichen Leistungsträgers auf das zu erwartende Erbe unseres Kindes ausgeschlossen werden?

Ja, für diesen Fall gibt es spezielle Testamentsinhalte, die immer auf den Einzelfall zugeschnitten sein müssen und einen erfahrenen Testamentsgestalter erfordern wie den Notar.

Ich bin verwitwet. In unserem gemeinsamen Testament ist nicht vorgesehen, dass der Überlebende das Testament ändern kann. Trotzdem möchte ich eine davon abweichende Vermögensverteilung vorsehen. Ist das möglich?

Grundsätzlich ist dies nicht möglich. Das Gesetz stellt jedoch Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, die entweder der Mitwirkung der testamentarischen Erben bedürfen oder im Einzelfall auch in Richtung einer vorweggenommenen Erbfolge hinauslaufen.

Muss ich das Erbe annehmen, wenn der Nachlass überschuldet ist?

Unabhängig davon, ob der Nachlass überschuldet ist oder nicht, kann das Erbe ausgeschlagen werden. Für die Erbausschlagung ist eine Frist von sechs Wochen zu beachten, die mit Kenntnis vom Erbanfall beginnt. Sofern ein Testament des Erblassers vorliegt, beginnt die Frist frühestens mit der Eröffnung der letztwilligen Verfügung durch das Nachlassgericht. Die Erbausschlagung ist formbedürftig. Zur Einhaltung der Form wenden Sie sich entweder an einen Notar ihrer Wahl oder an das zuständige Nachlassgericht.

Meine Eltern sind verstorben. Meine Schwester ist alleinstehend und hat keine Kinder. Wenn Sie kein Testament aufsetzt, wer erbt dann?

Bleibt Ihre Schwester unverheiratet, ohne Kinder und hat kein Testament, erben Sie als Schwester in der gesetzlichen Erbfolge. Sie würden den kompletten Nachlass Ihrer Schwester erben, sofern es keine weiteren Geschwister gibt.

Mein Bruder ist unverheiratet und kinderlos. Angeblich soll ein notarielles Testament vorliegen, in dem er eine Bekannte eingesetzt hat. Ich habe bislang nur ein maschinengeschriebenes Testament vorliegen. Habe ich Erb- oder Pflichtteilsansprüche?

Wenn tatsächlich nur ein maschinengeschriebenes Testament existiert, sind Sie als Schwester Kraft gesetzlicher Erbfolge Erbin beziehungsweise Miterbin geworden. Ein maschinengeschriebenes Testament ist formunwirksam und damit nichtig. Sollte tatsächlich ein notarielles Testament existieren, haben Sie keinerlei Ansprüche. Aufgrund eines wirksamen Testaments ist die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen. Es gilt nur die Erbfolge, die im Testament angeordnet wurde. Auch Pflichtteilsansprüche stehen Geschwistern des Erblassers nicht zu. Pflichtteilsberechtigt sind nämlich nur Abkömmlinge und Ehegatten. Sind Abkömmlinge nicht vorhanden, sind auch Eltern des Erblassers pflichtteilsberechtigt.

Können meine Frau und ich die gesetzliche Erbfolge ändern, also unseren Sohn enterben?

Mit einem entsprechenden Testament können Sie selbst bestimmen, was nach Ihrem Tod mit Ihrem Nachlass geschehen soll. Dabei entkräften Sie die gesetzliche Erbfolge. Sie müssten also ein Testament errichten, indem Sie sich beispielsweise gegenseitig als Alleinerben einsetzen, und könnten zugleich bestimmen, dass nach dem Tode des Überlebenden eine oder mehrere andere Personen als Ihr Sohn Schlusserben sind. Sowohl bei Ihrem Ableben als auch beim Ableben Ihrer Frau erbt Ihr Sohn zwar nicht, aber er hat einen Pflichtteilsanspruch. Dieser entspricht der Hälfte des regulären gesetzlichen Erbanspruchs. Bitte beachten Sie, dass der Pflichtteilsanspruch nur durch Geldzahlung erfüllt wird.

Mein Vater besitzt ein Zweifamilienhaus. Eine Hälfte hat er an mich überschrieben. In der anderen lebt mein Vater mit seiner Lebensgefährtin. Wie verhält es sich im Todesfalle meines Vaters mit der zweiten Haushälfte? Es gibt noch eine Halbschwester, zu der wir keinen Kontakt haben.

Sofern kein Testament vorliegt, greift die gesetzliche Erbfolge. Handelt es sich bei der Halbschwester um ein leibliches Kind Ihres Vaters und ist dieser zum Zeitpunkt seines Todes nicht verheiratet, erben Sie und Ihre Halbschwester zu gleichen Teilen. Wenn Ihr Vater dieses Ergebnis nicht wünscht, kann er die Erbfolge durch ein Testament abändern. Ein notarielles Testament ist in diesem Fall besonders anzuraten, da der Notar bei Errichtung des Testamentes berät und die Formulierungen juristisch einwandfrei sind. Außerdem ersetzt das notarielle Testament den Erbschein und somit die Erbscheinkosten, die im Regelfall etwa das Doppelte der Kosten des notariellen Testaments betragen.

Was gehört alles zum Nachlass?

Der umfasst alles, was sich zum Zeitpunkt des Todes im Eigentum des Erblassers befindet. Dazu gehören Grundstücke, Barvermögen, Wertpapiere, Hausrat, Autos, Kunstgegenstände und weiteres Vermögen. Lebensversicherungen gehören dann zum Nachlass, wenn kein Bezugsberechtigter benannt ist.

Inwieweit spielt die Zehnjahresfrist bei Vermögensübertragungen eine Rolle?

In der notariellen Praxis spielen hauptsächlich drei Fälle eine Rolle: Die Möglichkeit, Pflichtteilsansprüche durch vorweggenommene Vermögensübertragungen einzuschränken oder auszuschließen. Die Frist spielt auch eine Rolle bei der späteren Inanspruchnahme des Schenkers durch staatliche Sozialleistungsträger. Zudem besteht die Möglichkeit, Steuerfreibeträge aller zehn Jahre neu zu nutzen. Die Zweckmäßigkeit der einzelnen Gestaltungen wird der Notar im Rahmen seiner Beratung berücksichtigen.