Paris/Nanterre. Ein 17-Jähriger wird von der Polizei erschossen, es kommt zu Krawallen. Bilder zeigen, wie ein Pariser Vorort in Brand gesetzt wird.

Es sind Bilder, die an die Proteste nach dem Tod von George Floyd erinnern: Der US-Amerikaner war vor drei Jahren durch Polizeigewalt ums Leben gekommen. Jetzt eskalierte am Dienstagabend die Situation im Pariser Vorort Nanterre: Nach einem tödlichen Polizeischuss auf einen 17 Jahre alten Autofahrer bei einer Verkehrskontrolle sind schwere Krawalle ausgebrochen.

Mülltonnen, Autos und eine Grundschule brannten lichterloh, während Einsatzkräfte mit Feuerwerkskörpern beschossen wurden. Zwischen den Hochhaussiedlungen wurden Barrikaden errichtet und Feuerwehrkräfte bei ihren Einsätzen behindert, wie französische Medien berichteten.

Die Feuerwehr musste zahlreiche Brände löschen.
Die Feuerwehr musste zahlreiche Brände löschen. © Zakaria Abdelkafi/AFP/dpa

Die Unruhen, die mit einer Demonstration vor der Polizeiwache von Nanterre begonnen hatten, griffen in der Nacht auch auf angrenzende Orte über. In Mantes-la-Jolie wurde ein Rathaus in Brand gesetzt und ging lichterloh in Flammen auf. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse ein, musste sich angesichts der massiven Angriffe aber teils im Laufschritt zurückziehen. Nach Behördenangaben wurden 20 Menschen festgenommen.

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Frankreich: Ein Polizist schießt 17-Jährigem in die Brust

Eine Motorradstreife der Polizei hatte am Dienstagmorgen ein Auto mit drei Insassen angehalten. Ein vom Sender "France Info" verifiziertes Video zeigt, wie einer der Beamten seine Waffe auf Höhe der Fahrertür in das stehende Auto richtete. Die Situation scheint unter Kontrolle, hektische Bewegungen sind nicht zu erkennen. Als der 17-Jährige am Steuer plötzlich losfährt, feuert der Beamte aus nächster Nähe auf den Jugendlichen und trifft ihn tödlich in die Brust.

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Das Auto fuhr dann noch einige Meter weiter und rammte schließlich eine Straßenabsperrung. Ein Mitfahrer wurde festgenommen und später wieder freigelassen, ein dritter ergriff laut Staatsanwaltschaft die Flucht.

Wie "France Info" berichtete, wurde der Beamte wegen Totschlagsverdachts festgenommen. Nach Angaben von Innenminister Gérald Darmanin nahm die Polizeiaufsicht Ermittlungen auf, um den Vorfall aufzuklären. Für den Beamten und seinen Kollegen gelte vorerst die Unschuldsvermutung, betonte der Minister.

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Nicht der erste Fall tödlicher Polizeigewalt

Laut "France Info" hatten die Streifenpolizisten zunächst ausgesagt, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Später seien sie von dieser Version wieder abgerückt und hätten erklärt, er habe ihren Anordnungen keine Folge geleistet und dann plötzlich Gas gegeben. Von einer Tötungsabsicht war von nun an keine Rede mehr.

Der Teenager soll wegen früherer Verkehrsdelikte und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte polizeibekannt gewesen sein. Innenminister Darmanin bezeichnete seinen Tod als „Drama“, wies zugleich aber darauf hin, dass Widerstand gegen die Staatsgewalt schon in vielen Fällen zum Tod von Polizisten geführt habe. Die Familie des Jungen kündigte über ihren Anwalt an, sie werde den Todesschützen wegen Mordes verklagen und auch wegen Falschaussage, weil seine Darstellung der Ereignisse von den Videoaufnahmen eindeutig widerlegt werde.

Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort. © Zakaria ABDELKAFI / AFP

Der tödliche Vorfall löste in Frankreich Empörung aus, angesichts der Videoaufnahmen wurde einmal mehr maßlos überzogene Polizeigewalt angeprangert. Immer wieder kommen Menschen in Frankreich bei banalen Fahrzeugkontrollen ums Leben, wenn sie sich nicht an Polizeianweisungen halten. Oft geht es dabei nicht um Schwerkriminelle, sondern wie auch im Fall von Nanterre um Menschen, die mit Bagatelldelikten aufgefallen sind. Der 17-Jährige soll ursprünglich wegen eines Verstoßes gegen die Verkehrsregeln angehalten worden sein, wie "France Info" berichtete. (dpa/fmg)

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