Ein Ballonpilot entdeckte das Kanu aus der Eisenzeit im Neuenburgersee. Die Bergung des Einbaums gestaltete sich äußerst kompliziert.

In den Seen der Schweiz schlummern einmalige Überreste aus den Tausenden Jahren der Besiedlung der Alpenregion. Im Zürichsee, Bodensee oder Bieler See finden Archäologen die Spuren der Alpenbewohner, die oftmals in Pfahlbausiedlungen direkt am, beziehungsweise im See lebten. Forscher konnten jetzt einen besonders außergewöhnlichen archäologischen Schatz bergen.

Bereits 2021 entdeckte ein Ballonpilot im nördlichen Seebecken des Neuenburgersees bei Bern ein 12,3 Meter langes Kanu. Etwa 100 Meter vom Ufer der Ortschaft Grandson entfernt lag der Einbaum aus Eichenholz etwa 3,5 Meter unter der Wasseroberfläche auf einer Sandbank. Doch erst vor kurzem gelang es den Archäologen des Waadtländer Kantons zusammen mit Unterwassertechnikern, das Kanu aus der Eisenzeit zu heben – und das in einem Stück. Die Vorbereitungen dazu liefen seit Monaten

Eisenzeit-Kanu im Neuenburgersee: "Eine sehr kränkliche, alte Dame"

"Dies ist eine archäologische Entdeckung von beträchtlicher Bedeutung für unser Verständnis der Vorgeschichte dieser Region", zitierte das Online-Portal swissinfo.ch die Kanton-Archäologin Nicole Pousaz. So befinde sich der Einbaum in einem außergewöhnlich guten Zustand. Eine Radiokarbonanalyse datierte das Holz des Kanus auf 750 bis 520 v. Chr., es ist also mindestens 2500 Jahre alt. Bemerkenswert: Zu dieser Zeit gab es laut Pousaz keine Dörfer an den Ufern des Neuenburgersees.

Forscher wollen das Holz des gut 12 Meter langen Kanus aus dem Neuenburgersee einer genauen Untersuchung unterziehen. Bisher schätzen sie das Alter des Einbaums auf mindestens 2500 Jahre.
Forscher wollen das Holz des gut 12 Meter langen Kanus aus dem Neuenburgersee einer genauen Untersuchung unterziehen. Bisher schätzen sie das Alter des Einbaums auf mindestens 2500 Jahre. © KEYSTONE/Laurent Gillieron

In der Schweiz sei das Kanu eines der wenigen in seiner Vollständigkeit erhaltenen Boote aus dieser Zeit. Trotzdem mussten die Archäologen bei dessen Bergung besonders vorsichtig sein. "Sie ist eine sehr kränkliche, alte Dame", beschrieb Jean-Daniel Renaud, der Chef des beteiligten Unterwasser-Bergungsunternehmens, das Kanu gegenüber der Presseagentur "Keystone-SDA". So seien Teile des Einbaums stark durchlöchert, die gesamte Konstruktion dementsprechend fragil.

Vor der Bergung unternahmen die Unterwassertechniker ganze 30 Tauchgänge zum Kanu. Dabei befreiten sie das rund 800 Kilo schwere Boot vom Sand, bevor sie es in einem Metallgestell mit einem Seilbagger aus dem Wasser hievten, wie die "Neue Zürcher Zeitung" berichtete. Dass das Kanu überhaupt geborgen werden müsse, hatten die Archäologen erst nach einer gründlichen Prüfung entschieden. Demnach wäre das Kanu an seinem Fundort wegen Stürmen und der Strömung nicht erhalten geblieben.

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    Kanu wurde vermutlich zum Fischen und Transport genutzt

    Die Archäologen wollen nun das Holz des Kanus sowie seine Bauweise genau untersuchen. So sei weiter unklar, ob das Kanu mit befestigten Rudern oder nur mit Paddeln über den See gesteuert wurde. Außerdem solle das genaue Jahr, in dem die Eiche gefällt wurde, bestimmt werden. Bis dahin werde der Einbaum konstant mit Wasser besprüht, damit er nicht zerfällt.

    Auf einen Verwendungszweck des Kanus können sich die Archäologen ebenfalls nicht festlegen. So vermuten sie, dass die Menschen aus der Eisenzeit den rund 12 Meter langen Einbaum zum Fischen oder zum Transport verwendeten. Auch wer genau diese Menschen waren, wissen die Forscher nicht. So seien die Pfahlbau-Dörfer aus der Bronzezeit im Neuenburger See zum Zeitpunkt des Kanus bereits aufgegeben worden, erklärte die Waadtländer Archäologin Pousaz. Die meisten Alpenbewohner siedelten da bereits auf dem Land. Ein gestiegener Wasserpegel oder gesellschaftlicher Wandel könnte sie zum Verlassen ihrer Seehäuser bewegt haben. (os)

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