Thüringen. Wohnwagen-Reisen werden einfach gemacht mit dem Campernetzwerk „Landvergnügen“. Mitglieder können kostenlos auf über 30 Stellplätzen in Thüringen übernachten. Wir stellen ein paar vor:

Wer gerne die Natur genießt, spontan und unabhängig reist, aber dennoch nicht auf einen gewissen Komfort verzichten möchte, für den ist das Wohnmobil das Fortbewegungsmittel der Wahl. In Thüringen sind 14.535 Wohnmobile zugelassen, in ganz Deutschland mehr als 800.000. Wohnmobile versprechen maximale Freiheit auf Reisen.

Abgelegene Bauernhöfe ermöglichen Campern eine Nacht inmitten der Natur

Nur: völlig frei ist man dann doch nicht. Denn auf den Wohnmobilisten warten diverse Regelungen und Einschränkungen bei der Stellplatzsuche. Abhilfe schafft das Campernetzwerk „Landvergnügen“. Wer Mitglied ist, darf kostenlos auf den inserierten Stellplätzen übernachten. Deutschlandweit gibt es fast 2.000, davon liegen 37 in Thüringen. Meist handelt es sich um abgelegene Bauernhöfe, die dem Reisenden eine Nacht in Ruhe und mitten in der Natur ermöglichen. Ist der Camper im Besitz der Landvergnügen-Vignette, so kann er die teilnehmenden Höfe nach voriger Absprache anfahren und kostenlos auf einem ausgewiesenen Stellplatz übernachten. Als Gegenleistung wird zu einem Besuch im Hofladen geraten.

Wer sind die Menschen, die jene abgeschiedenen Höfe bewohnen und Abend für Abend einen Schlafplatz bieten für ermattete Reisende aus der gesamten Republik? Ich habe drei der Höfe besucht und lade Sie ein, mich auf meiner Reise durch Thüringen zu begleiten. In Ermangelung eines Campers haben mein Fotograf und ich unsere Ausflugsfahrt mit Fahrrad und Bahn angetreten.

Die erste Station: Täler Straußenfarm, Hellborn

Bahnhof Hermsdorf, acht Uhr am Morgen. Wir steigen aus der vollen Pendlerbahn, schwingen uns auf die Räder und radeln gen Süden. Hier sieht Thüringen aus, wie man es sich vorstellt. Äußerst dünn besiedelt und waldbedeckt. Wir biegen von der Bundesstraße auf einen Waldweg, die Räder springen über Wurzeln und Feldsteine. Dann lichten sich die kahlen Kronen, vor uns weites Hügelland, sanft geschwungen bis zum Horizont, keine einzige menschliche Behausung ist zu sehen. Nach kilometerlanger Fahrt führt die Piste plötzlich steil bergab, hinunter in ein enges, gewundenes Tal. Über satte Wiesen am Hang ein paar Dutzend Fachwerkhäuser verteilt. Vor uns liegt Hellborn.

Ein Strauß auf der Straußenfarm Hellborn.
Ein Strauß auf der Straußenfarm Hellborn. © Konrad Behr

Steffen Müller empfängt uns in seinem geräumigen Garten vor seinem Hofladen, mit graumeliertem Haar und festem Händedruck. Er unterhält die größte Straußenfarm Thüringens, fast 200 Tiere bevölkern die Hanglagen am Dorfrand. Müller wirkt tatkräftig. Im Hofladen gibt es von Straußenwurst über Straußenostereier bis zum Straußenfederstaubwedel alles zu kaufen. Steffen Müller fährt uns anschließend zur Farm. Die Tiere erkennen den herannahenden Wagen und staksen auf ihren langen, kräftigen Beinen Richtung Zaun.

Straußenfleisch: außergewöhnlich gesund, nahrhaft und fettarm

Die Haltungsbedingungen sind einwandfrei. Das erschließt sich auch dem Laien. Müller kennt seine Tiere, weiß, wie sie ticken, hat ein Straußenhaltungs- und Schlachtungsdiplom in Baden-Württemberg erworben, dem Bundesland, welches bundesweit für alle Belange der Straußenhaltung zuständig ist. Seine Produkte erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. An Markttagen geht er mit seinem Hänger auf Tour, von Eisenach bis Leipzig verkauft er seine Produkte. Manchmal veranstaltet er Feste auf seiner Farm. Sogar aus Berlin kommen die Gäste, Kassenschlager sind an diesen Tagen die Thüringer Straußenroster vom Grill.

Besucher werden von den Straußen neugierig beäugt.
Besucher werden von den Straußen neugierig beäugt. © Konrad Behr

Zum Abschied legt er uns Straußenfleisch ans Herz. Es sei außergewöhnlich gesund, nahrhaft, fettarm. Seine Gäste, die mit dem Wohnwagen kommen, kehren immer wieder zurück, nicht, ohne stets seinen Hofladen halbleer zu kaufen, wie er sagt. Das überrascht nicht, denn das bezaubernde Tal, das ein wenig an das Auenland erinnert, wird noch jeden Wohnwagenreisenden zur Rast ermuntern. Zwei bis vier Stellplätze warten hier auf Gäste, nur wenige Minuten Fahrt von der A9 entfernt, Abfahrt Lederhose.

Die zweite Station: Thüringer Tannenhof, Umpferstedt

Wir lassen die Strauße hinter uns, weiter geht die Fahrt bis nach Stadtroda, fast ausschließlich bergab: Wir durchqueren die sanft gewellte, froschgrüne Kulisse des Saale-Holzland-Kreises, bis uns ein schmaler Bachlauf zu den ersten Häusern Stadtrodas begleitet. Wir stärken uns beim Fleischer, Radfahren macht hungrig. Dann kämpfen wir uns die Anhöhe zum Bahnhof hinauf. Eine halbe Stunde Fahrt bis Weimar. Es ist sonnig, das frühlingshafte Wetter lädt die Stadtbewohner ein, ihre Mittagspause im Freien zu verbringen. Der Ilmpark ist voller Studenten, Gitarrenklänge und Gelächter wabern von den Wiesen herüber, eine chinesische Reisegruppe bestaunt Goethes Gartenhaus. In Oberweimar werden die Häuser spärlicher, schließlich machen einige anheimelnde wie morsche Gartenlauben samtig grünen Feldern Platz, auf denen das Wintergetreide steht.

Die Sitzbank markiert den Wohnmobil-Stellplatz auf dem Thüringer Tannenhof. 
Die Sitzbank markiert den Wohnmobil-Stellplatz auf dem Thüringer Tannenhof.  © Konrad Behr

Kurz vor Umpferstedt sehen wir die Sportflieger starten und landen. Dann erreichen wir auch schon den Thüringer Tannenhof. Stopp Nummer zwei. Auf elf Stellplätzen können sich hier die Camper einfinden. So weit das Auge reicht, wachsen hier zukünftige Christbäume heran. Nach der Größe der Bäumchen zu urteilen, dürfte es bis zur vollen Weihnachtsbaumgröße noch ein paar Jahre dauern, die kleinen Tannen reichen uns kaum bis zur Hüfte. Mitten in die Farm sind kahle Stellen geschlagen, Holzbänke daneben. Hier können die Wohnmobilisten ihr Nachtlager beziehen. Doch rechte Naturidylle mag nicht aufkommen. Schon wieder saust eine sonnengelbe Cessna brummend über unsere Köpfe zum nahen Sportflughafen. Gestört wird das Camperidyll zudem von der B7 und der B87. Die beiden Bundesstraßen grenzen direkt an den Tannenhof und sind so nah, dass sie sich beinahe in Spuckweite der drei Alpakamännchen befinden, die in einem kleinen Gehege auf Strohbüscheln herumkauen. Auf der Schotterfläche links von Gehege und Tannen ein Hofladen. Hier wird Tannengin und Tannenpesto feilgeboten. Am Bratwurststand verspeisen hungrige Fahrer ihre Roster nahe der Bundesstraße. Wohnmobile sind bisher nicht in Sicht. Die Tannenfarm, unweit der A4 gelegen, ist eher was für den Zwischenstopp.

Die dritte Station: Unstrutlamas, Herbsleben

Von Umpferstedt geht es auf dem Radweg bis Oßmannstedt. Wir rasten im hübschen Park am Wielandgut. Mit dem Zug geht es nach Erfurt. Zeit für einen Milchkaffee, dann geht die Nordthüringenbahn nach Döllstädt. Wir radeln mitten durchs Thüringer Becken, dutzende Windräder auf grenzenlosen Ackerflächen, die Rotorblätter zischen über unsere Köpfe hinweg. Wir durchqueren Herbsleben, am ausfransenden Ortsrand folgen wir einem schmalen Weg bis zu einem weiß getünchten Haus mit Garten am Hang.

Eines der Hof-Lamas isst genüsslich Stroh.
Eines der Hof-Lamas isst genüsslich Stroh. © Konrad Behr

Alina Kroll und ihre kleine Tochter Ida empfangen uns am Hoftor. Die geschäftige Alina trägt einen roten Fließpulli mit Lama-Aufdruck. Sie führt uns auf den Hof, sieben Lamas beobachten uns, während ihre felligen Mäuler Stroh zermahlen. Die Gutsbesitzerin liebt ihre Tiere: Der Enthusiasmus, mit dem sie über ihre Andenkamele spricht, verrät das sofort. Ida assistiert beim Füttern, wenig später gesellen sich Alinas Eltern dazu, die die Lamas vor mehr als 15 Jahren angeschafft haben. „Ein Grundstück in Hanglage, zur Unstrut abfallend, ist schwer zu mähen. Wir haben die Lamas als Rasenmäher angeschafft“, kommentiert Alinas Mutter lächelnd. Im Laufe der Zeit habe man die Tiere sehr liebgewonnen.

Huf für Huf auf die Lamawaage

Die Lamas haben die Ruhe weg, mit Ausnahme des Jüngsten im Bunde, der, so Alina, ausgeprägtes Hengstverhalten zeige. Ständig will er die Rolle des Rudelführers einnehmen und wer sich seinem Willen nicht beugt, der bekommt schon mal eine volle Ladung Lamaspucke ins Gesicht.

Der Stellplatz für die Wohnwagenreisenden liegt keine hundert Meter weiter am Ortsrand. Es kommen vor allem Familien mit Kindern, um Lamaspaziergänge zu unternehmen. Alinas Vater tritt heran. Lama Pasco müsse noch gewogen werden, vor dem morgigen Tierarzttermin. Lange dauert es nicht, und schon ist eine große Tierwaage aufgebaut. Doch Pasco traut sich partout nicht auf die blecherne Wiegefläche. Lieber nascht er von den bunten Gartenblumen im Beet, wenn er sich unbeobachtet glaubt. Und bockt, wenn man ihn am Führstrick zieht. Mit vielen Leckereien, die Ida anreicht, traut sich Pasco dann doch noch. In Zeitlupe betritt er die Waage, achtsam, Huf für Huf. Stolze 145 Kilo wiegt das Tier. Noch ein paar leckere Haferpellets zur Belohnung, dann geht es zurück in den Stall.

Julius Fitzke mit einem der Lamas vom Hof „Unstrutlamas“.
Julius Fitzke mit einem der Lamas vom Hof „Unstrutlamas“. © Konrad Behr

Ida und Alina bringen uns zum Hoftor. Wir decken uns am kleinen Markt hinter der Kirche mit ein paar Erfrischungen ein, radeln der untergehenden Sonne entgegen, Huflattich säumt die Wiesen und unsere Reifen rumpeln auf den Fugen der zerborstenen Panzerstraße entlang. In der Ferne sind Ettersbergturm und Erfurter Dom zu sehen. Ein Tag kreuz und quer durch Thüringen neigt sich dem Ende zu. Das grüne Herz Deutschlands hat eine Menge zu bieten. Um es mit Goethe zu halten: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah. Was für den Wohnwagen ebenso gilt wie fürs Fahrrad.