Sydney. Nach 50 Jahren der Suche finden Forschende die "Blythe Star" vor Australien. Ihr Untergang hat die Seefahrt für immer verändert.
Eigentlich wollten die australischen Wissenschaftler einen Erdrutsch unter Wasser näher untersuchen. Doch während ihrer Expedition stießen die Forschenden auf ein Schiff, das 1973 auf der Fahrt von Hobart, der Hauptstadt der australischen Insel Tasmanien, zum benachbarten King Island sank. Die Suche nach der „Blythe Star“ und ihrer zehnköpfigen Crew war damals die größte Rettungsaktion auf See gewesen, die Australien zu diesem Zeitpunkt je unternommen hatte.
Der Frachter war am 13. Oktober 1973 auf einer Routinefahrt gewesen, um Dünger und Fässer Bier zu liefern, als er eine Schlagseite nach Steuerbord entwickelte, unter Wasser geriet und schließlich kenterte. Möglicherweise war das Schiff überladen.
Nachdem das Schiff nicht wie geplant nach zwei Tagen ankam, wurde am dritten Tag der Alarm ausgelöst und eine Suche gestartet. Die Aktion blieb jedoch erfolglos und nach einer Woche wurde die Suche letztendlich eingestellt. Man ging davon aus, dass die gesamte Crew ums Leben gekommen sei
Auch interessant: Schiff verschollen: Forscher lösen Rätsel aus dem Zweiten Weltkrieg
Trockene Kekse und Wasser aus der Dose
Doch die zehn Besatzungsmitglieder waren nicht mit dem Schiff untergegangen. Sie hatten sich auf ein aufblasbares Floß retten können. Michael Doleman war damals der Jüngste der Crew und ist heute – mit 68 Jahren – der letzte verbleibende Überlebende der Mannschaft.
Als das Schiff zu sinken begann, hatte er gerade geschlafen. „Als ich an der Seite des Schiffes stand – ohne Schwimmweste, mit Badehose, eiskalt – war es eine sehr beängstigende Erfahrung“, berichtete er dem australischen Sender ABC.
Die einzigen Vorräte, die die Besatzung hatte, waren etwas Wasser aus der Dose, trockene Kekse, Leuchtraketen, zwei Ruder und ein kleiner Eimer zum Auffangen von Wasser. Obwohl die Küste nah war, konnten die Männer sie mit dem Floß nicht erreichen: Das Meer war zu rau, im Wasser tummelten sich Haie und zu einem Zeitpunkt Killerwale. Nach etwa drei Tagen auf See starb der zweite Ingenieur John Sloan. Er hatte lebenswichtige Medikamente an Bord der „Blythe Star“ zurücklassen müssen.
„Ihr seid doch alle tot“
Nach acht Tagen auf See gelang den inzwischen nur noch neun Überlebenden schließlich die Landung an einem Ort namens Deep Glen Bay auf Tasmanien. Doch damit sollte die Tortur noch nicht vorbei sein. Innerhalb von zwölf Stunden nach der Landung starben der erste Offizier Ken Jones und der Chefingenieur John Eagles an Unterkühlung und Erschöpfung.
- Glücksfund: Mit Metalldetektoren – Freunde finden 2000 Jahre alten Schatz
- Erster Kaiser: Warum sich Forscher nicht ins Grab von Chinas Kaiser trauen
- Goldmünzen: Archäologe will verlorenen Keltenschatz von Manching retten
- In China: Uralter Schädel könnte Menscheitsgeschichte neuschreiben
- Skelette lagen übereinander: Grausamer Fund in Armengrab in Lübeck mit 50.000 Skeletten
Die Stärksten der Gruppe, darunter Michael Doleman, beschlossen schließlich, Hilfe zu holen. Nachdem sie sich zwei Tage lang die Klippen hinauf und durch abgelegenes Buschland gekämpft hatten, stießen die drei Männer schließlich auf einen Forstweg und konnten einen Lastwagenfahrer anhalten, der sie in die nächstgelegene Stadt brachte.
Letzterer wollte seinen Augen zunächst nicht trauen und sagte zu der Gruppe: „Nein, ihr seid doch alle tot.“ Die Überlebenden, die die Gruppe an der Küste zurückgelassen hatte, wurden schließlich per Helikopter zurück in die Zivilisation geholt.
Schiffsname teilweise erkennbar
Das Wrack des Schiffes blieb trotz einer umfangreichen Seesuche jahrzehntelang verschollen. Erst am Montag bestätigten Wissenschaftler der australischen Forschungsagentur CSIRO und der University of Tasmania in einer Pressemitteilung, das Schiffswrack in 150 Meter Tiefe vor der Küste Tasmaniens geortet zu haben – 50 Jahre nach dem Unglück.
Um sicherzustellen, dass es sich bei dem Schiffswrack um die „Blythe Star“ handelte, manövrierten die Wissenschaftler Unterwasserkameras vom Heck zum Bug des Wracks und suchten nach Schlüsselmerkmalen des Schiffes. Sie verglichen die Bilder des Wracks mit den vielen historischen Fotos der „Blythe Star“. Abmessungen und Profil entsprachen dem Frachter, doch eindeutig konnte das Schiff identifiziert werden, nachdem ein Teil des Schiffsnamens, das Wort „STAR“, am Bug des Schiffes auftauchte.
Lesen Sie auch: Zwei Riesenmaulhaie zum ersten Mal auf Video festgehalten
Der heute 68-jährige Doleman, der letzte verbliebene Überlebende der „Blythe Star“, flog extra nach Hobart, um sich die Unterwasseraufnahmen des Wracks anzusehen. „Als ich hörte, dass sie es gefunden haben, war ich einfach überwältigt“, sagte er der ABC.
„Im Großen und Ganzen war es ziemlich intakt, besonders der Propeller und das Ruder.“ Das Wrack selbst ist mit etwas Algen- und Seegrasbewuchs bedeckt, das Heck ist beschädigt und das Steuerhaus fehlt. Flusskrebse, Fischschwärme und mehrere Pelzrobben wurden beim Schwimmen um das Wrack herum von den Wissenschaftlern gefilmt.
Die Tragödie führte zu etlichen Verbesserungen in der Schifffahrt: Beispielsweise wurde ein Seepositionsmeldesystem eingeführt und die Sicherheit auf See so erheblich gefördert.