Sydney. Ein Mörder floh aus den USA und wurde nie wieder gesehen. Eine DNA-Probe lenkt die Spur nun auf einen australischen Familienvater.

Wenn ihn seine Familie in Australien nach seiner Kindheit fragte, erzählte William Leslie Arnold stets, er sei ein Waisenkind aus Chicago. Letzteres war nicht direkt eine Lüge. Tatsächlich hatte Arnold keine Eltern mehr. Doch der Grund dafür war, dass er seine Mutter und seinen Vater im Jahr 1958 als gerade mal 16-Jähriger erschossen hatte. Anscheinend weil die Eltern sich weigerten, ihm ihr Auto für einen Trip zum Autokino zu leihen. Er soll insgesamt eine schwierige Beziehung zu seiner Familie gehabt haben.

Die Leichen verscharrte er nach dem Kinobesuch im Garten seines Elternhauses in Omaha, einer Stadt im US-Staat Nebraska, rund 750 Kilometer von Chicago entfernt. Zwei Wochen verhielt er sich so, als ob nichts geschehen sei, wie es in einer Mitteilung des US-Marshals-Service hieß, einer Behörde des US-amerikanischen Justizministeriums. Doch dann kamen ihm die Behörden auf die Schliche. Er gestand das Verbrechen und wurde ein Jahr später zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

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Nach Mordprozess: Arnold gelingt "sauberste" Flucht

Im Staatsgefängnis von Nebraska soll Arnold Berichten zufolge ein Musterhäftling gewesen sein, der sich sehr für Musik interessierte. Doch am 14. Juli 1967 flüchteten er und ein anderer Sträfling. Laut alten Zeitungsberichten war es eine waghalsige Flucht über einen hohen Zaun mit Stacheldraht. Eine großangelegte Suche über vier Bundesstaaten blieb erfolglos. Drei Monate später erschien im "Omaha World-Herald", der den Fall über die Jahre dokumentiert hat, ein Artikel, in dem ein Gefängniswärter sagte, es sei die „sauberste“ Flucht gewesen, die er je erlebt habe.

Ende der 50er Jahre wurde William Leslie Arnold wegen Mordes verhaftet.
Ende der 50er Jahre wurde William Leslie Arnold wegen Mordes verhaftet. © US Marshals Service

Wie sich später herausstellen sollte, schafften die beiden Männer es bis nach Chicago, wo sie getrennte Wege gingen. Arnold zog mit einer Frau zusammen und arbeitete eine Zeit lang in Chicago. Er wechselte mehrmals den Wohnort, bevor er nach Westen nach Kalifornien und letztendlich nach Australien zog. Das FBI bearbeitete den Fall bis in die 1990er Jahre, dann wurde er wieder an die Behörden in Nebraska übergeben, die ihn schließlich an die U.S. Marshals delegierten. Dort landete er im August 2020 auf dem Schreibtisch von Matt Westover.

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In Australien galt er als liebvoller Familienvater

Westover hat das Geheimnis um Arnold nun mehr als ein halbes Jahrhundert später gelöst. DNA-Proben führten den Ermittler letztendlich auf die richtige Spur. „Ich war von dem Fall besessen“, sagte der US-Amerikaner im Interview mit der "New York Times". Der Ermittler fand heraus, dass Arnold nach seiner Flucht aus dem Gefängnis den neuen Namen John Damon angenommen und schnell geheiratet hatte.

Nach mehreren Umzügen ließ er sich wieder scheiden. In Kalifornien heiratete er dann erneut, bekam zwei Kinder und wanderte schließlich nach Australien aus. Als er dort 2010 im Alter von 69 Jahren starb, wussten weder seine Frau, noch seine Kinder oder die Stieftöchter aus seiner ersten Ehe, was für eine dunkle Vergangenheit er eigentlich hatte. Vor allem in Australien galt er als liebvoller Familienvater.

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Dass Westover Arnolds Spur bis nach Australien verfolgen konnte, verdankt er einer DNA-Probe, die er zu Beginn seiner Ermittlungen genommen hatte. Er stöberte den jüngeren Bruder von Arnold auf, der zum Zeitpunkt der Morde nicht zu Hause gewesen war. Die DNA von James Arnold lud Westover auf eine Seite für Ahnenforschung im Internet hoch – zunächst jedoch ohne Erfolg. Doch zwei Jahre später erhielt Westover laut dem US-Sender CNN eine Nachricht, dass es eine Übereinstimmung der DNA von James Arnold mit einer anderen Probe gegeben habe. Westover erhielt eine E-Mail von einem Mann in Australien, der schrieb: „Hey, ich versuche, mehr Informationen über meinen Vater herauszufinden. Er war ein Waisenkind aus Chicago.“

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Ermittler zeigt Verständnis für Familie des Mörders

Erst als Westover davon überzeugt war, dass Arnold tatsächlich tot war, verriet er Arnolds Sohn das dunkle Geheimnis seines Vaters. Er habe dabei sehr mit der Familie mitgefühlt, sagte der Ermittler und gestand, dass er in gewisser Weise erleichtert gewesen sei, dass Arnold tot war und er nicht seine Verhaftung in Australien und die Abschiebung in die USA beantragen musste.

Arnolds Sohn übermittelte dem US-Sender eine Nachricht, aus der CNN die Worte zitierte: „Auf dem DNA-Testkit befindet sich kein Warnhinweis, der darauf hindeutet, dass Ihnen das, was Sie herausfinden, möglicherweise nicht gefällt.“ Trotzdem bereue er nichts. Er sei froh, die Wahrheit über seinen Vater zu wissen. Und obwohl es schockierend sei, dass dessen Leben mit einem schrecklichen Verbrechen begonnen habe, so sei sein Vermächtnis so viel mehr. „Ich möchte, dass er als guter Vater und Versorger in Erinnerung bleibt“, meinte der Sohn. Sein Vater habe ihm die Leidenschaft für Musik mitgegeben und den Drang, immer der beste Mensch sein zu wollen, der er nur sein könne.